Abb. 23-35. Die Residenz.

Abb. 23-35. Die Residenz. Die Residenz, vielleicht die großartigste Schöpfung des deutschen Barock, bedeutet mehr als eine architektonische Glanzleistung. Sie repräsentiert die letzte Möglichkeit deutschen Kunstschaffens dieser Zeit, nicht nur in städtebaulicher und architektonischer Beziehung, sondern für die gesamte bildende Kunst, Innendekoration, ja selbst für die Freskenmalerei. Der Ausmalung des Kaisersaals hat Deutschland nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Wenngleich hier die Kraft des Italieners Tiepolo herangezogen wurde, muss der ganze Raum und seine Malereien als deutsches Kunstwerk bezeichnet werden, denn Tiepolo hat sich hier bewusst dem Gesamtcharakter des Werkes angepasst, und sein Oeuvre ist an dieser Stelle vielmehr Ausdruck des zeitlichen als des nationalen Momentes seines Schöpfers.

Bauherr und Architekt haben hier in einem seltenen Zusammenwirken, wie wir es ähnlich, wenn auch nicht in gleicher Vollkommenheit und Harmonie, bei den großen Päpsten der Renaissance und ihren Künstlern kennen, geschaffen. Johann Philipp Franz von Schönborn begann 1720 mit dem Bau und betraute mit der Ausarbeitung der Pläne Johann Balthasar Neumann, dessen Ideen allerdings später durch den Einfluss französischer und österreichischer Architekten mannigfach verändert wurden. Während der ganzen Dauer des Baus und der Innenausstattung blieb aber immer er der geistige Leiter und wandelte als solcher die von außen kommenden Anregungen, denen er sich durchaus nicht versperrte, in die Formen seines Ausdrucks um. Wie wenig er sich diesen Anregungen verschloss, geht daraus hervor, dass er noch während des Baus die Pläne zwei führenden französischen Architekten, Robert de Cottes und Boffrand, vorlegte und zu diesem Zweck sogar eigens nach Paris fuhr. Wieweit Lucas von Hildebrand und der Mainzer Architekt General v. Welsch ihren Einfluss geltend machen konnten, lässt sich nicht genau feststellen. Gerade das macht vielleicht den Bau als Ganzes so vielgestaltig und vielfarbig, dass in den einzelnen Epochen nicht nach einem starren Schema weitergearbeitet wurde, sondern dass der Bau während der ganzen Dauer seiner Herstellung organisch in lebendiger Fortentwicklung weiterwuchs.


Schon früh setzen noch während der Dauer des Baus Bildhauer, Stuckateure und Innendekorateure mit ihrer Arbeit ein. Nach dem 1724 erfolgten Tode Philipp Franz v. Schönborns fährt der Erzbischof Christoph Franz v. Hutten mit der weiteren Ausgestaltung des Schlosses fort.

Die einzelnen Abschnitte der Baugeschichte, die Mitwirkung der einzelnen Bildhauer, Stuckatoren, Maler, Holzschneider und Kunstschmiede können in der Spezialliteratur weiter verfolgt werden. Hier soll nur bemerkt werden, dass die lebendige Kraft des Schaffensprozesses und der Enthusiasmus der Arbeit am Schloss so groß war, dass für seine Ausstattung sogar eine eigene Gobelinfabrik eingerichtet wurde.

Die Innendekoration selbst wurde zwar von Balthasar Neumann überwacht, aber von den verschiedensten einzelnen Künstlern ausgeführt und ist zum Teil stark durch Anregungen aus französischen Kupferwerken beeinflusst. 1750 wurde Tiepolo der Auftrag auf die Ausmalung des Kaisersaals übertragen. Später, 1752, erhielt er auch den Auftrag für die Ausmalung der Treppenhausdecke.

Nach Vollendung des Baus wurde auch der Platz vor dem Schloss, der Ehrenhof, städtebaulich möglichst einheitlich gestaltet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Barockstädte