der philanthropische Gesichtspunkt

Die Mehrzahl der Auswanderer gehört den ungebildeten Volksklassen an und besitzt weder die Kenntnis der Verhältnisse, denen sie entgegen geht, noch die Umsicht, sich in ungewohnten Lagen selbst zu helfen. Dies ist der Grund, warum Viele derselben schon auf dem Wege bis zu den Einschiffungs-Plätzen in die trostlosesten Verlegenheiten geraten, ja nicht selten, ausgebeutet durch gewissenlose Betrüger, schon auf dem Kontinent vollständig zu Grunde gehen. Gleiche Gefahren erwarten diejenigen, welchen es wirklich vergönnt ist, das ersehnte Land zu betreten. Es ist empörend, mit welcher Schamlosigkeit gewinnsüchtige Agenten, Kommissionare, Gastwirte usw. ihr Raubsystem gegen diese Unglücklichen entwickeln. Die Berichte von dergleichen Bubenstücken klingen fast unglaublich, und man möchte an der Wahrheit derselben zweifeln, wiederholten sie sich nicht unzählige Male, und würden sie nicht durch die zuverlässigsten Zeugnisse bestätigt.

Die Menschenpflicht erfordert es, diesem Unwesen mit aller Kraft entgegenzutreten. Mögen auch Viele, welche die vaterländischen Fluren verlassen, Verirrte sein; als Unglückliche haben sie jedenfalls Anspruch auf unser Mitleid und unsere Unterstützung. Überdies scheidet man, muss einmal nach langem Zusammenleben geschieden, wahrscheinlich für immer geschieden sein, selbst von den Gegnern doch gern in Frieden und ohne Groll, und es ist wahrlich nicht gering für uns Zurückbleibenden anzuschlagen, wenn in den Fortziehenden die frühere Bitterkeit gemildert, und das Andenken an das Vaterland mit einem wohltuenden Schimmer umkleidet wird.


Diese Pflicht der Menschenliebe zu erfüllen, wird auch der Verein sich nach Kräften angelegen sein lassen. Wenngleich er grundsätzlich niemals mit Geldmitteln unterstützt, so kann er doch mannigfaltig in diesem Sinne wirken. Guter Rat, kräftige Empfehlung, Verbindung mit anderen philanthropischen Vereinen, Erweckung gleicher Bestrebungen in den Hafenplätzen usw., bieten Hilfsmittel dar, welche schon oft die segensreichsten Früchte getragen haben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Auswanderung und Kolonisation.