Weitere Entwicklung des Vereins.

Nachdem wir den Standpunkt, welchen unser Verein in der Auswanderungsfrage einnimmt, erörtert und über seine praktische Wirksamkeit während der ersten 7 Monate seines Bestehens berichtet haben, bleibt uns noch übrig, anzudeuten, in welcher Weise derselbe sich weiter zu entwickeln haben wird, wenn er den Gedanken, welcher ihm zum Grunde liegt, würdig ausfüllen soll.

Hierbei ist davon auszugehen, dass der Verein


nur eine volkswirtschaftliche, nationale
und philanthropische Tendenz verfolgt
und sich bei Keiner besonderen Unternehmung
materiell beteiligt.

Derselbe hat eine viel größere Aufgabe, als die, das Gedeihen eines einzelnen Projects zu fördern; er will als Einigungspunkt für alle vorhandenen, der Auswanderung sich widmenden Kräfte dienen, und dieselben in diejenigen Bahnen leiten, welche für das Vaterland, so Wie für den Einzelnen die heilsamsten sind.

Allerdings ein hohes Ziel, aber keineswegs unerreichbar, wenn man eben die deutsche Auswanderung in ihrer Gesamtheit begreift, wobei selbstverständlich die verhältnismäßig wenigen Ausnahmen, wo Einzelne unter allen Umständen ihre gesonderten Wege gehen, ausgeschlossen bleiben.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Verein vor Allem darnach streben müssen, durch Intelligenz und geistige Tätigkeit eine Autorität zu werden, deren Ansicht und Rat man gern vernimmt und willig befolgt. Er wird zu dem Ende alle die Männer, welche mit ihren Erfahrungen auf dem Felde der Volkswirtschaft, der Handelspolitik, der Kolonisation und des Auswanderungswesens obenan stehen, für seinen Beruf zu interessieren und sie zur Teilnahme an den Arbeiten des Vereins zu bewegen suchen.

Seine Urteile müssen sich durch Gründlichkeit und Unbefangenheit, seine Vorschläge durch Kenntnis der Verhältnisse und praktische Ausführbarkeit empfehlen. Dabei muss seine völlig unbeteiligte und uninteressierte Stellung jeden Gedanken an Parteilichkeit oder Einseitigkeit ausschließen. Stets hat er sich auf der Höhe der Frage zu erhalten.

Ebenso wird jeder Gedanke an eine etwanige Überhebung über andere Vereine von vorn herein zu verbannen sein.

Jede zu weit getriebene Zentralisation im freien Vereinswesen ist der Sache schädlich. Die lokalen Verhältnisse finden dabei nie ihre richtige Würdigung, und die frischen Sprösslinge, welche, aus natürlichem Boden keimend, lebenskräftig emporwuchsen, hängen bald als dürres Geäste in den Zweigen des großen Zentral-Baumes, sobald sie ihrer selbstständigen Wurzeln beraubt sind.

Unserm Verein kann es nur um die Sache zu tun sein; er will nicht herrschen über andere Vereine, sondern ihnen dienen und auch von ihnen lernen.

Namentlich sind die großen süd- und mitteldeutschen Auswanderungs-Vereine durch ihre Lage im Mittelpunkte der deutschen Auswanderung und die dadurch ihnen gebotene reiche Erfahrung vorzugsweise geeignet, in dieser Beziehung fruchtbar auf unsern Verein zurückzuwirken. Mögen sie auch zum Teil eine speziellere Richtung verfolgen, dies wird nicht ausschließen, sich über die allgemeinen Gesichtspunkte mit ihnen zu einigen, und so Hand in Hand mit ihnen zu gehen.

In dieser Weise wird unser Verein mit allen deutschen Auswanderungs-Vereinen in Verbindung zu treten, und zu einer heilsamen Entwicklung derselben mitzuwirken haben. Er wird dann neben einem Einigungs-Punkte auch ein Vermittlungs-Punkt für dieselben werden, und inwiefern dies für die einzelnen Vereine selbst von Vorteil, für das gesamte Vaterland aber von Bedeutung sein müsse, bedarf wohl keiner weitern Erklärung.

Dem entsprechend wird sich auch die praktische Tätigkeit des Vereins weiter ausdehnen müssen.

Zunächst würde es wünschenswert sein, dem Büro eine erweiterte Gestalt zu geben. Anstatt dass es jetzt nur als Auskunfts- und Korrespondenz-Büro dient, müsste es eigentlich der stetige Einigungspunkt für die Mitglieder und die von denselben eingeführten Gäste sein. Ein geräumiges Lesezimmer, ausgestattet mit einer reichhaltigen Bibliothek, mit einer Sammlung guter Karten, und einer Auswahl der bessern in das Feld der Auswanderung und Kolonisation einschlagenden Zeitschriften, würde bald eine große Anziehungskraft ausüben, und der Austausch der Meinungen unter den Besuchern, so wie die stete Anwesenheit des Spezial-Direktors viel dazu beitragen, das Interesse für die Sache zu fördern.

Ist erst die deutsche Kolonisation wirklich ins Leben getreten, so würde ein so ausgestattetes Büro noch eine viel größere Bedeutung gewinnen.

Die Nachrichten aus den Kolonien, namentlich auch in Bezug auf den Handel und die Industrie, eingesandte Proben von solchen Artikeln, wie sie der dortige Markt erheischt, (welche im Büro ausgestellt werden könnten), Mitteilungen von wissenschaftlichem Interesse usw. würden den Kreis der Besuchenden ungemein erweitern; ihre Besprechungen würden nicht ohne praktische Resultate bleiben; namentlich würde dadurch der Verwaltungsrat in den Stand gesetzt sein, die Wünsche des industrie- und handeltreibenden, sowie des wissenschaftlichen Publikums kennen zu lernen, und auf die Erfüllung derselben durch die Presse und durch Verwendung bei den Behörden zu wirken. Das Büro würde ferner am besten geeignet sein, den Nachzug für die einzelnen Kolonisations-Gesellschaften zu organisieren, indem es durch seine Beamten dieses Geschäft teils selbst ausführen lässt, teils die Bemühungen der mit ihm in Verbindung stehenden Kolonisations-Gesellschaften unterstützt, und letzteren durch Rat und Tat an die Hand geht.

Zur würdigen Entwickelung des Vereins würde es außerdem gehören, dass er ein eignes Organ habe, welches seine Idee nach allen Richtungen hin vertritt. Eine solche Zeitung würde sich, wenn sie mit den tüchtigsten Kräften ausgerüstet wäre, sehr bald einer ausgedehnten Verbreitung erfreuen, und äußerst heilsam wirken, zumal wenn sie einerseits populär und lichtvollgenug geschrieben ist, um auch das minder gebildete Publikum nicht abzustoßen, andererseits aber so interessant und gediegen, dass auch der Gebildete sie mit Vergnügen liest.

Der Verein wird ferner, um zu dem zuverlässigsten und umfassendsten Material zu gelangen, nicht nur Korrespondenten und Agenten in allen Orten, die für ihn Interesse haben, halten, sondern auch eigene Kommissarien in solche Gegenden absenden müssen, an deren Prüfung vom Standpunkte der Kolonisation aus ihm vorzugsweise gelegen ist. Endlich wird der Verein, weit entfernt, die Auswanderung zu befördern, doch solchen Auswanderungs- und Kolonisations-Vereinen, die aus einem wirklich vorhandenen Bedürfnisse hervorgegangen sind, mit Rat und Tat an die Hand zu gehen, bei dem Entwurf der Statuten behilflich zu sein, sie mit Literatur, Karten und sonstigen Hilfsmitteln zu unterstützen, und dadurch zugleich dahin zu wirken haben, dass in denselben keine unrichtigen Ideen zur Geltung gelangen. Selbst Besuche von Mitgliedern des Verwaltungsrats bei andern Vereinen, wozu sogar schon Aufforderungen ergangen sind, und Vorträge derselben in den auswärtigen Vereins-Versammlungen werden nicht auszuschließen sein.

Würde unser Verein in dieser Weise weiter fortschreiten, dann dürfte er in der Tat ein Zentral-Punkt für das gesamte Deutschland in Bezug auf die Auswanderung und Kolonisation werden. Es würde ihm gelingen, die Auswanderung in ein System zu bringen, sie mit der Kolonisation zu vermitteln, und so in segensreicher Weise für die gedeihliche Entwicklung des Vaterlandes zu wirken.

Sollen aber alle die hier in Aussicht gestellten Erfolge erzielt werden, so bedarf der Verein allerdings noch einer sehr erweiterten Ausdehnung; er bedarf namentlich auch bedeutender Geldmittel. Diese aber können nur durch Beiträge der Mitglieder oder freiwillige Spenden beschafft werden, da der Verein nicht selbst spekuliert und deshalb niemals einen Geldgewinn haben kann.

Darum ist vor Allem zu wünschen, dass die Beteiligung an demselben immer allgemeiner werde. Nicht in Berlin allein, im ganzen Deutschland hat er seine Mitglieder zu suchen, wie denn auch gegenwärtig schon Männer aus anderen Städten des Vaterlandes ihm beigetreten sind.

Wir dürfen nicht befürchten, dass die Hoffnung auf solche Verbreitung uns betrügen werde. Sind doch der Motive so mannigfache, welche zum Beitritte auffordern. Wo das Interesse an volkswirtschaftlicher Entwicklung fehlt, wird vielleicht ein warmes Herz für die scheidenden Landsleute schlagen; wo Sinn für die Kenntnis neuer Industrien nicht anreizt, vielleicht Drang nach Belehrung über fremde Verhältnisse einladen, und wo das Gebiet der Wissenschaft sich nicht aufschließt, vielleicht politische Erwägung maßgebend sein.

Heut sind wir von dem hohen Ziele, das wir uns gesteckt, allerdings noch weit entfernt. Ist aber unsre Idee eine richtige, so wird sie sich Bahn brechen, und wir werden wenigstens die Genugtuung haben, die ersten Steine zu dem großen Bau zusammengetragen zu haben, der einst zum Ruhme und zur Ehre des deutschen Namens weithin sein gastliches Dach wird schimmern lassen.

Klein haben wir angefangen. Überblicken wir aber die kurze Zeit unserer Wirksamkeit, und vergleichen damit die erzielten Erfolge, so haben wir wahrlich keine Ursache, den schönsten Hoffnungen zu entsagen. Darum, wackere Männer von nah und fern, reicht uns brüderlich die Hand und lasst uns rüstig vorwärts schreiten auf der Bahn, die zu betreten das Vaterland ein Recht hat, von uns zu fordern.

Berlin, im Januar 1850
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Auswanderung und Kolonisation.