Vierte Fortsetzung
Zu diesen Fehlern der Deutschen in und außer Österreich kamen nun die Fehler der österreichischen Regierung. Ohnehin hatte der plötzliche Umsturz der Dinge Ratlosigkeit und Verzagtheit erzeugt; als man aber sah, dass die gepriesene Gemütlichkeit der ersten Freiheitswoche bald in offene Feindseligkeit gegen die Existenz Österreichs umschlug, da verlor man einerseits den Kopf, andrerseits begann man im Geheimen die Reaktion.
In der deutschen Frage war man anfangs nach beiden Seiten hin aufrichtig. Man wollte aufrichtigen Anschluss, aber nicht unbedingte Unterwerfung. Österreich hat das Verdienst, noch vor Eröffnung des deutschen Parlamentes ehrlich erklärt zu haben, dass es sich den Beschlüssen desselben nur dann fügen könnte, wenn sie nach gewissenhafter Prüfung den eigentümlichen Verhältnissen des Kaiserstaates entsprechen würden. Pillersdorf wurde wegen dieser Erklärung bitter getadelt, aber der Erfolg hat ihn glänzend gerechtfertigt und er wird diesen erfahrenen, kenntnisreichen, biedern und treu österreichischen Staatsmann auch in andern Beziehungen glänzend rechtfertigen und seine hämischen Ankläger zu Schanden machen.
Leider gab man die Offenheit, mit welcher das Ministerium Pillersdorf gehandelt, bald auf und betrat wieder das kaum verlassene Feld diplomatischer Intrigen und Kabalen. Bald musste es jedem Sehenden klar werden, das Österreich im ausdrücklichen oder doch stillschweigenden Einverständnis; mit den andern deutschen Regierungen das Parlament zu Frankfurt eben gewähren und nach Herzenslust belachen und beschließen lassen. wollte, mit dem vorgefassten Entschluss, sich daran nicht verkehren, sondern eigenmächtig zu tun, was Zeit und Umstände gestatten würden. Der theoretische Eigensinn des Parlaments aber arbeitete der schlauen Praktik der Diplomatie vortrefflich in die Hände.
Von Seite Österreichs führten aber überdies offene Tatsachen zum endlichen Bruche mit Deutschland. Dies geschah zuerst in der schleswig-holsteinischen Frage.
Österreich blieb im freundschaftlichen diplomatischen Verkehr mit Dänemark, während die unter Mitstimmung der Vertreter Österreichs eingesetzte deutsche Zentralgewalt, an deren Spitze ein österreichischer Prinz stand, den Reichskrieg gegen Dänemark führte.
Als Österreich ferner in Folge dieses Krieges aufgefordert wurde, seinen Beitrag für die deutsche Flotte zu leisten, verweigerte es dies mit dem Vorgeben, es besitze eine Flotte und werde nötigenfalls der Zentralgewalt österreichische Schiffe zur Verfügung stellen. Aber während man dies erklärte, stellte man einen dänischen und gerade einen solchen Seeoffizier an die Spitze der österreichischen Marine!
Musste dies die Ehre der Nation und ihrer Vertreter, die Zentralgewalt und alle Regierungen, die es mit dem Kriege gegen Dänemark ehrlich meinten, tief verletzen, so verwundete eine andere österreichische Tat das Herz des deutschen Volkes aufs schmerzlichste. Es war die Hinrichtung Robert Blums, durch welche Windischgrätz der Sache Österreichs unermesslich geschadet hat, tausendmal mehr als alle demagogischen Umtriebe zusammengenommen.
Später gab das Ministerium Schwarzenberg, im Reichstage zu Kremsier jene Erklärung, die niemanden befriedigen konnte, weil sie nach dem bekannten diplomatischen Satz verfasst war, dass der Mensch die Sprache habe, um seine Gedanken zu verbergen.
Mittlerweile war bei der Majorität des Frankfurter Parlamentes der preußische Paroxismus zum vollen Ausbruch gekommen, und nun folgten jene österreichischen Noten, die das Unglaubliche zur Wirklichkeit gebracht haben, dass nämlich Österreich ein Jahr nach der herrlichen Märzerhebung schroffer und feindlicher von Deutschland getrennt ist, als je zuvor, dass ein Jahr, seit der gute Kaiser Ferdinand die schwarzrotgoldene Fahne geschwungen, die deutschen Farben in Österreich wieder verboten sind!
Von Deutschland losgerissen und zurückgestoßen, ja von Preußen beinahe kriegerisch bedroht, und zu gleicher Zeit in zweien seiner wichtigsten Provinzen mit einem verhängnisvollen Bürgerkrieg ringend, sank Österreich, das freie Österreich zum Schützling Russlands herab!
Der Österreicher, der dies ansehen kann, ohne dass ihm das Herz blutet, der verdient für seine herzlose Kälte nach Sibirien geschleppt zu werden.
Es ist ein das Wesen und den Begriff einer Großmacht bedrohendes Unglück, wenn sie so weit kommt, dass eine andere Großmacht zu ihr sagen kann: Ohne meine Hilfe wärst Du zu Grunde gegangen. Dies müsste bei ähnlichem Schicksal der Russe von Russland, dies muss der Österreicher von Österreich sagen.
Ich will nicht Sarkasmen und Jeremiaden über die in Ausführung begriffene Tatsache der russischen Hilfe schreiben. Man wird mir zutrauen, dass ich es nicht aus persönlicher Furcht unterlasse. Hätte ich auch nur die leiseste Hoffnung, dass ich durch meine Worte den kleinsten Teil des Geschehenen ungeschehen machen könnte, so würde ich sprechen, und wenn ich auch schon vor den Mündungen russischer Gewehre stünde. Die russische Hilfe ist angenommen und wird geübt, und der Nachteil, welcher daraus notwendig für Österreich entspringt, lässt sich durch Klagen und Tadel nicht mehr abwenden.
Die Aufgabe dieser Schrift aber ist es, dasjenige zu besprechen, was nach Vollendung der Tatsache geschehen könnte und um jeden Preis vermieden werden soll.
Schon in der vorhergehenden Erörterung ist der Standpunkt, von dem ich ausgehe, und das Ziel, nach welchem ich strebe, offen dargestellt. Es erübrigt mir nur noch, reinen Grundsatz auf alle einzelnen Hauptverhältnisse Österreichs anzuwenden.
Es ist eine Tatsache, welche der Regierung nicht unbekannt sein kann, dass selbst die loyalsten Österreicher, wenn es nicht eben solche sind, die gar kein politisches Urteil haben, die russische Hilfe als eine traurige und schädliche Notwendigkeit erkennen. Ebenso gewiss ist es, dass alle, denen es mit der konstitutionellen Umgestaltung und Fortbildung Österreichs Ernst ist, den Bund mit Russland mit der Besorgnis betrachten, dass daraus eine bleibende Allianz, eine Vereinbarung der österreichischen mit der russischen Politik, d. h. eine Reaktion bis in die vormärzlichen Zustände entstehen würde.
Mögen nun russische und österreichische Proklamationen dieser Besorgnis widersprechen, das Misstrauen bleibt. Daraus möge das Ministerium erkennen, dass ein Bündnis mit Russland eine Macht empören würde, welche mächtiger ist als die mächtigsten Potentaten. Es ist die Macht der öffentlichen Meinung. Diese ist nun einmal entschieden gegen Russland. Ob durchaus mit Recht oder teilweise mit Unrecht, ändert an der Tatsache nichts, die ohne Zweifel darin besteht, dass die ganze zivilisierte Welt Russland mit Abneigung, Furcht und Groll betrachtet. Ist es die Ahnung, dass der europäischen Freiheit von Russland Gefahr droht, oder ist es bloß das unheimliche Hereinragen der massenhaft gewaltigen russischen Despotie mit ihren asiatischen Formen , oder ist es — wie einige behaupten — bloße Gespensterfurcht, was die Völker aufregt; kurz der Name Russland ist in ganz Europa ein Schreckensname. Die öffentliche Meinung ist nun allerdings ebenfalls ein Despot, aber ein Despot, dem man nicht entrinnen kann, dem sich Demagogen und Despoten fügen müssen. Man kann der öffentlichen Meinung eine Zeit lang trotzen, aber auf die Dauer siegreich widerstehen kann man ihr nicht. Sie spricht ihre Todesurteile unwiderruflich, wenn auch die Vollstreckung derselben oft lange verschoben bleibt. Wer ihr hartnäckig widerstrebt, dessen Untergang ist gewiss. Dies, ich sage es laut und rückhaltlos, wäre das Schicksal Österreichs, wenn es sich dauernd mit Russland verbündete. Dann würde vielleicht der Fall eintreten, dass Russland vor dem Urteil der öffentlichen Meinung Gnade fände, Österreich aber rettungslos der Verdammung anheim fiele; denn Österreich hat einen anderen beruf als Russland. Es gibt keinen zweiten Staat in der Welt, der so sehr der Gunst der öffentlichen Meinung bedürftig wäre, wie eben Österreich seiner scheinbar unnatürlichen Zusammensetzung wegen, die so leicht den Verdacht erregt, Österreich bestehe nur dynastischer Interessen wegen. Dieser gefährliche Verdacht kann nur dadurch überwältigt werden, wenn die Politik Österreichs eine Freisinnige volkstümliche , eine großartig selbständige, das Ehrgefühl der Völker gewinnende ist. Dies ist sie aber nicht, wenn sie Hand in Hand mit Russland geht; denn selbst das, was in Russland volkstümlich sein mag, ist in Österreich volksfeindlich.
In der deutschen Frage war man anfangs nach beiden Seiten hin aufrichtig. Man wollte aufrichtigen Anschluss, aber nicht unbedingte Unterwerfung. Österreich hat das Verdienst, noch vor Eröffnung des deutschen Parlamentes ehrlich erklärt zu haben, dass es sich den Beschlüssen desselben nur dann fügen könnte, wenn sie nach gewissenhafter Prüfung den eigentümlichen Verhältnissen des Kaiserstaates entsprechen würden. Pillersdorf wurde wegen dieser Erklärung bitter getadelt, aber der Erfolg hat ihn glänzend gerechtfertigt und er wird diesen erfahrenen, kenntnisreichen, biedern und treu österreichischen Staatsmann auch in andern Beziehungen glänzend rechtfertigen und seine hämischen Ankläger zu Schanden machen.
Leider gab man die Offenheit, mit welcher das Ministerium Pillersdorf gehandelt, bald auf und betrat wieder das kaum verlassene Feld diplomatischer Intrigen und Kabalen. Bald musste es jedem Sehenden klar werden, das Österreich im ausdrücklichen oder doch stillschweigenden Einverständnis; mit den andern deutschen Regierungen das Parlament zu Frankfurt eben gewähren und nach Herzenslust belachen und beschließen lassen. wollte, mit dem vorgefassten Entschluss, sich daran nicht verkehren, sondern eigenmächtig zu tun, was Zeit und Umstände gestatten würden. Der theoretische Eigensinn des Parlaments aber arbeitete der schlauen Praktik der Diplomatie vortrefflich in die Hände.
Von Seite Österreichs führten aber überdies offene Tatsachen zum endlichen Bruche mit Deutschland. Dies geschah zuerst in der schleswig-holsteinischen Frage.
Österreich blieb im freundschaftlichen diplomatischen Verkehr mit Dänemark, während die unter Mitstimmung der Vertreter Österreichs eingesetzte deutsche Zentralgewalt, an deren Spitze ein österreichischer Prinz stand, den Reichskrieg gegen Dänemark führte.
Als Österreich ferner in Folge dieses Krieges aufgefordert wurde, seinen Beitrag für die deutsche Flotte zu leisten, verweigerte es dies mit dem Vorgeben, es besitze eine Flotte und werde nötigenfalls der Zentralgewalt österreichische Schiffe zur Verfügung stellen. Aber während man dies erklärte, stellte man einen dänischen und gerade einen solchen Seeoffizier an die Spitze der österreichischen Marine!
Musste dies die Ehre der Nation und ihrer Vertreter, die Zentralgewalt und alle Regierungen, die es mit dem Kriege gegen Dänemark ehrlich meinten, tief verletzen, so verwundete eine andere österreichische Tat das Herz des deutschen Volkes aufs schmerzlichste. Es war die Hinrichtung Robert Blums, durch welche Windischgrätz der Sache Österreichs unermesslich geschadet hat, tausendmal mehr als alle demagogischen Umtriebe zusammengenommen.
Später gab das Ministerium Schwarzenberg, im Reichstage zu Kremsier jene Erklärung, die niemanden befriedigen konnte, weil sie nach dem bekannten diplomatischen Satz verfasst war, dass der Mensch die Sprache habe, um seine Gedanken zu verbergen.
Mittlerweile war bei der Majorität des Frankfurter Parlamentes der preußische Paroxismus zum vollen Ausbruch gekommen, und nun folgten jene österreichischen Noten, die das Unglaubliche zur Wirklichkeit gebracht haben, dass nämlich Österreich ein Jahr nach der herrlichen Märzerhebung schroffer und feindlicher von Deutschland getrennt ist, als je zuvor, dass ein Jahr, seit der gute Kaiser Ferdinand die schwarzrotgoldene Fahne geschwungen, die deutschen Farben in Österreich wieder verboten sind!
Von Deutschland losgerissen und zurückgestoßen, ja von Preußen beinahe kriegerisch bedroht, und zu gleicher Zeit in zweien seiner wichtigsten Provinzen mit einem verhängnisvollen Bürgerkrieg ringend, sank Österreich, das freie Österreich zum Schützling Russlands herab!
Der Österreicher, der dies ansehen kann, ohne dass ihm das Herz blutet, der verdient für seine herzlose Kälte nach Sibirien geschleppt zu werden.
Es ist ein das Wesen und den Begriff einer Großmacht bedrohendes Unglück, wenn sie so weit kommt, dass eine andere Großmacht zu ihr sagen kann: Ohne meine Hilfe wärst Du zu Grunde gegangen. Dies müsste bei ähnlichem Schicksal der Russe von Russland, dies muss der Österreicher von Österreich sagen.
Ich will nicht Sarkasmen und Jeremiaden über die in Ausführung begriffene Tatsache der russischen Hilfe schreiben. Man wird mir zutrauen, dass ich es nicht aus persönlicher Furcht unterlasse. Hätte ich auch nur die leiseste Hoffnung, dass ich durch meine Worte den kleinsten Teil des Geschehenen ungeschehen machen könnte, so würde ich sprechen, und wenn ich auch schon vor den Mündungen russischer Gewehre stünde. Die russische Hilfe ist angenommen und wird geübt, und der Nachteil, welcher daraus notwendig für Österreich entspringt, lässt sich durch Klagen und Tadel nicht mehr abwenden.
Die Aufgabe dieser Schrift aber ist es, dasjenige zu besprechen, was nach Vollendung der Tatsache geschehen könnte und um jeden Preis vermieden werden soll.
Schon in der vorhergehenden Erörterung ist der Standpunkt, von dem ich ausgehe, und das Ziel, nach welchem ich strebe, offen dargestellt. Es erübrigt mir nur noch, reinen Grundsatz auf alle einzelnen Hauptverhältnisse Österreichs anzuwenden.
Es ist eine Tatsache, welche der Regierung nicht unbekannt sein kann, dass selbst die loyalsten Österreicher, wenn es nicht eben solche sind, die gar kein politisches Urteil haben, die russische Hilfe als eine traurige und schädliche Notwendigkeit erkennen. Ebenso gewiss ist es, dass alle, denen es mit der konstitutionellen Umgestaltung und Fortbildung Österreichs Ernst ist, den Bund mit Russland mit der Besorgnis betrachten, dass daraus eine bleibende Allianz, eine Vereinbarung der österreichischen mit der russischen Politik, d. h. eine Reaktion bis in die vormärzlichen Zustände entstehen würde.
Mögen nun russische und österreichische Proklamationen dieser Besorgnis widersprechen, das Misstrauen bleibt. Daraus möge das Ministerium erkennen, dass ein Bündnis mit Russland eine Macht empören würde, welche mächtiger ist als die mächtigsten Potentaten. Es ist die Macht der öffentlichen Meinung. Diese ist nun einmal entschieden gegen Russland. Ob durchaus mit Recht oder teilweise mit Unrecht, ändert an der Tatsache nichts, die ohne Zweifel darin besteht, dass die ganze zivilisierte Welt Russland mit Abneigung, Furcht und Groll betrachtet. Ist es die Ahnung, dass der europäischen Freiheit von Russland Gefahr droht, oder ist es bloß das unheimliche Hereinragen der massenhaft gewaltigen russischen Despotie mit ihren asiatischen Formen , oder ist es — wie einige behaupten — bloße Gespensterfurcht, was die Völker aufregt; kurz der Name Russland ist in ganz Europa ein Schreckensname. Die öffentliche Meinung ist nun allerdings ebenfalls ein Despot, aber ein Despot, dem man nicht entrinnen kann, dem sich Demagogen und Despoten fügen müssen. Man kann der öffentlichen Meinung eine Zeit lang trotzen, aber auf die Dauer siegreich widerstehen kann man ihr nicht. Sie spricht ihre Todesurteile unwiderruflich, wenn auch die Vollstreckung derselben oft lange verschoben bleibt. Wer ihr hartnäckig widerstrebt, dessen Untergang ist gewiss. Dies, ich sage es laut und rückhaltlos, wäre das Schicksal Österreichs, wenn es sich dauernd mit Russland verbündete. Dann würde vielleicht der Fall eintreten, dass Russland vor dem Urteil der öffentlichen Meinung Gnade fände, Österreich aber rettungslos der Verdammung anheim fiele; denn Österreich hat einen anderen beruf als Russland. Es gibt keinen zweiten Staat in der Welt, der so sehr der Gunst der öffentlichen Meinung bedürftig wäre, wie eben Österreich seiner scheinbar unnatürlichen Zusammensetzung wegen, die so leicht den Verdacht erregt, Österreich bestehe nur dynastischer Interessen wegen. Dieser gefährliche Verdacht kann nur dadurch überwältigt werden, wenn die Politik Österreichs eine Freisinnige volkstümliche , eine großartig selbständige, das Ehrgefühl der Völker gewinnende ist. Dies ist sie aber nicht, wenn sie Hand in Hand mit Russland geht; denn selbst das, was in Russland volkstümlich sein mag, ist in Österreich volksfeindlich.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsch oder Russisch?