Fünfte Fortsetzung

Bei meiner Ankunft in Paris war Alles mit dem Gedanken an die künftige Vermählung Napoleons beschäftigt. Die Scheidung war schon vollzogen, hinsichtlich der Wahl der Braut herrschte noch Ungewissheit. Meine hier angeschlossene Notiz *) enthält das Ergebnis meiner Erkundigungen. Eine Erzherzogin von Österreich ging auf den Antrag ein, den eine Großfürstin von Russland zurückgewiesen hatte. Die Hochzeitfeier fand mit aller der verschwenderischen Pracht statt, wie es Napoleons hochmütigem Sinn so wohltat. Indes wurde der Glanz der Festlichkeiten durch das schaudererregende Ereignis auf dem Schwarzenberg’schen Ball **) wie durch ein Unglück verheißendes Vorzeichen verdunkelt. Der Fürst Kurakin gehörte zu den unglücklichen Opfern. Seine langwierige Krankheit setzte ihn außer Stand, seinem Amte vorzustehen und bürdete mir die ganze Last desselben auf.

Schon begannen einige Wolken unser Verhältnis zu Frankreich zu trüben. Napoleon gab sich ohne Rückhalt dem Annexionssystem hin, das heute aufs Neue am politischen Horizont sich blicken lässt. Nichts Neues unter der Sonne! Nach Einverleibung von Holland und den Hansestädten ins französische Kaiserreich kam Napoleon auf den unglücklichen Gedanken, auf gleiche Weise mit dem Großherzogtum Oldenburg zu verfahren. Der regierende Großherzog war ein naher Verwandter unseres Kaisers, der durch die Besetzung des Landes sich empfindlich verletzt fühlte und öffentlich Protest dagegen einlegte. Das Kontinentalsystem fügte bald einen neuen Grund zur Misshelligkeit hinzu. Mit seiner ganzen Last drückte dieses auf Russland; es hatte den ganzen Ausfuhrhandel vernichtet, während die bedeutende Einfuhr von französischen Waren die Handelsbilanz höchst ungünstig gestaltete und den Kurs äußerst herabdrückte. Um diesem Übel zu steuern, gab es nur ein Mittel, die Einfuhr von vielen Waren gänzlich zu verbieten und die von anderen durch hohe Eingangszölle zu beschränken. Der neue Tarif machte auf Frankreich einen sehr ungünstigen Eindruck, veranlasste oft sehr lebhafte Unterredungen zwischen Champagny und mir und gab Napoleon einen Vorwand, eine feindselige Gesinnung gegen uns an den Tag zu legen.


Das Jahr 1811 begann für uns mit sehr unerfreulichen Verhandlungen. Diese zogen sich bis in den August hinein und waren von riesenmäßigen Rüstungen begleitet, welche selbst den weniger Scharfsichtigen jeden Zweifel über die Absichten Napoleons, Russland zu bekriegen, benehmen mussten. Der Fürst Kurakin wurde endlich, nachdem er schon von dem berühmten Corvisart aufgegeben war, durch den preußischen Arzt Dr. Koreff wieder hergestellt. Er übernahm wiederum die Amtsführung und konnte am 15. August der Diplomatenversammlung beiwohnen. Hier platzte endlich die Bombe und wir waren Zeugen von der Wiederholung des Auftrittes, den Napoleon der Kriegserklärung vorhergehen zu lassen pflegte und den er schon im Jahre 1804 dem Lord Whitworth und im Jahr 1809 dem Fürsten Metternich gemacht hatte. In meinen Augen war die Sache entschieden und unter obwaltenden Verhältnissen länger in Paris zu bleiben, war unmöglich geworden. Ende des Monats reiste ich ab und nahm meinen Weg über Wien. Da ich mit dem Fürsten Metternich, der während meiner Anwesenheit in Paris an die Spitze des österreichischen Kabinetts getreten, befreundet war, so wollte ich nach Russland genaue Nachrichten über das Verhalten bringen, das Österreich bei dem bevorstehenden Kriege zu beobachten gedenke. Ich konnte jedoch hierüber nichts Sicheres erfahren und den Staatskanzler nicht dazu bewegen, bestimmte Verbindlichkeiten einzugehen. In Wien wünschte man, dass wir noch einmal versuchen sollten, durch Verhandlungen den Krieg von uns abzuwenden. Zum Zweck der Verwirklichung dieses Gedankens verfasste ich eine kleine Denkschrift, in der ich mit Rücksicht auf die in Wien eingezogenen Erkundigungen auf die Punkte hinwies, die bei den Verhandlungen mit Napoleon zur Grundlage dienen könnten. Im Oktober machte ich mich nach Petersburg auf. Der Kaiser empfing mich mit großer Huld und ernannte mich zum Staatssekretär. Bei der mir in Folge dieser Ernennung gewährten Audienz sagte mir, der Kaiser in Bezug auf meine Denkschrift: „Ich zweifele daran, dass meine Bemühungen, eine Aussöhnung zu Stande zu bringen, von Erfolg sein werden. Ich bin ganz Ihrer Meinung und halte den Krieg für unvermeidlich. Für den Fall des Krieges", fuhr er fort, „bin ich Willens, selbst das Oberkommando zu führen und hätte dann einen noch jungen Mann nötig, der im Stande wäre, mir überallhin zu Pferde zu folgen und die diplomatische Korrespondenz zu besorgen. Der Kanzler Graf Rumianzoff ist alt, kränklich, ihm kann ich diese Funktion nicht übertragen. So ist meine Wahl denn auf Sie gefallen, ich hoffe, dass Sie sich bestreben werden, diesen Auftrag, der ein Beweis meines besonderen Zutrauens ist, mit gleicher Treue und gleichem Eifer zu erfüllen." —

*) Zu den am meisten zu vermissenden Beilagen, die der Verfasser seiner Biographie anzufügen beabsichtigte, gehört auch die die Vermählungsangelegenheit betreffende, da es ihm, wie Keinem der hierüber Berichtenden, bei der bevorzugten Stellung, die er besaß, vergönnt war, das ganze von verschiedener Hand gesponnene Gewebe dieser Angelegenheit zu überblicken und den Verlauf der einzelnen, vielfach verschlungenen Fäden bis zu ihrem Endpunkte zu verfolgen. Von dem, was hierüber in die Öffentlichkeit gelangt ist, gilt als das Glaubwürdigste Folgendes:
Als gleich nach dem Tilsiter Frieden der Polizeiminister Savary, den Napoleon gern zu geheimen Sendungen benutzte, nach Petersburg gesandt wurde, hatte er auch wegen einer Vermählung seines Herrn mit einer russischen Großfürstin vertrauliche Eröffnungen zu machen. Diese blieben natürlich erfolglos. Auf der Erfurter Zusammenkunft wurde in den Gesprächen der beiden Herrscher dieser Gegenstand abermals berührt. Napoleon spielte in passenden Augenblicken auf eine Vermählung mit einer russischen Großfürstin an, Kaiser Alexander fand Schwierigkeiten in der Religion und verwies schließlich an seine Mutter. Diese hatte nach geschehener Mitteilung nichts Eiligeres zu tun, als die bisher noch nicht genehmigte Verlobung der Großfürstin Katharina (späteren Königin von Württemberg), der die Bewerbung galt, mit dem Großherzog Georg von Oldenburg vollziehen zu lassen. Aber noch einmal kam die Angelegenheit einer Vermählung mit einer russischen Großfürstin in Jahre 1810 zur Sprache und diesmal geradezu in diplomatischen Verhandlungen, die Caulaincourt — trotz der nachgesuchten und im Schönbrunner Frieden erhaltenen Einwilligung zu einer Vermählung einer Erzherzogin mit Napoleon — deswegen in Petersburg einzuleiten und zu führen hatte. Auf die größten Schwierigkeiten stieß die Sache bei der Großfürstin Anna selbst (der späteren Königin von Holland). Als Letztere endlich nach langem Kampfe zu einer Zusage sich bereit erklären wollte, konnte Napoleon, der unterdes alle Hoffnung auf einen günstigen Erfolg der Bemühungen Caulaincourts aufgegeben hatte und daher in seinen Beziehungen zum österreichischen Hofe schon zu weit vorgeschritten war, davon keinen Gebrauch mehr machen und fühlte sich empfindlich verletzt.

**) Der von dem österreichischen Gesandten Fürsten Schwarzenberg am 1. Juli 1810 veranstaltete Ball, der die Reihe der zu Ehren der Vermählung Napoleons mit Marie Louise gegebenen glänzenden Feste abschließen sollte und, wie sich voraussehen ließ, überbieten würde, nahm einen entsetzenerregenden Ausgang. In den von einer wogenden Menge erfüllten prachtvollen Räumen des eigens zu diesem Feste im Garten des Gesandtschaftshotels erbauten leichten Bauwerkes war der Festjubel in vollem Gange, als plötzlich in Napoleons Nähe das zarte Gazegewinde einer Säule des Ballsaales, von einem Lampenflämmchen berührt, Feuer fängt. Während dieses von den Nebenanstehenden sogleich bemerkt und erstickt wird, lösen sich einige Funken los und fallen, von dem Luftzug emporgetragen, auf höhere nicht mehr erreichbare Stellen. Im Augenblick lodern Flammen auf, die mit reißender Schnelligkeit um sich greifen, zunächst den mit Zündstoffen aller Art überkleideten Saal, dann die andern Räume erfassen. Spritzenleute standen in Bereitschaft und waren sogleich mit ihrer Arbeit zur Hand, aber nicht im Stande, des Brandes vollständig Herr zu werden, erst ein Gewitter, das lange drohend über Paris geschwebt hatte und sich endlich in furchtbaren Schlägen und strömendem Regen entlud, vermochte die Gluten zu löschen.

Kaum hatte Napoleon, mit seiner Gemahlin am Arm, den Saal verlassen, als jede Rücksicht aufhört und Alles wild durcheinander den Ausgängen zustürmt. Ein entsetzliches Gedränge entsteht, Viele stürzen zu Boden und werden von den Nachdrängenden zertreten, Andere, weiter zurück, von den Flammen ergriffen oder von den stürzenden Lampen, Leuchtern, Brettern getroffen, zerschmettert. Zwanzig Personen verunglückten, sechzig wurden mehr oder minder beschädigt. Zu der Zahl der ersteren gehörte auch die Gemahlin des Fürsten Joseph von Schwarzenberg, Bruders des Botschafters, die nach gelöschtem Brande aus der Trümmerstatte als grässlich verstümmelter Leichnam hervorgezogen wurde. Die Fürstin von der Leyen, der die Kleider am Leibe verbrannt waren und das Diadem tief in die Stirne geglüht, starb nach einigen Tagen der furchtbarsten Qual. Viele wurden aus der größten Gefahr glücklich gerettet. So die Königin von Neapel durch den Großherzog von Würzburg, die Königin von Westphalen durch ihren Gemahl und den Fürsten Metternich. Der russische Botschafter Fürst Kurakin wurde brennend und ohnmächtig von Dr. Koreff und einigen österreichischen Offizieren aus dem Saal getragen.