Erste Fortsetzung

Von allen freundschaftlichen Beziehungen, die ich damals anknüpfte, hat mir indes in der Folge keine den Nutzen gebracht, wie die mit dem berühmten Gentz.*) Der befand sich damals noch in preußischen Diensten und hatte vor Kurzem zwei Werke herausgegeben, welche ihn zu einem der ersten Publizisten Europas erhoben und neben Burke **) und Mallet du Pan ***) gestellt hatten. Das eine behandelte die Finanzen Englands und war das erste Werk, welches den Kontinent mit der englischen Finanzverwaltung und mit dem Pitt'schen System bekannt machte. Das andere unter dem Titel: „Europa vor und nach der französischen Revolution" sollte eine Widerlegung des Hauterive'schen Werkes: „De l'état de la France à, la fin de l'an VIII. (1800)" bilden, welches der damalige Konsul Napoleon zur Verbreitung seiner Regierungsgrundsätze hatte verfassen lassen. Diese Widerlegung fand einen unermesslichen Beifall und Gentz wurde von Stund an der mutigste und geschickteste Verfechter der allein richtigen politischen Grundsätze. Leider stand sein Charakter nicht auf der Höhe seines Genies. Man beschuldigte ihn nicht ohne Grund der Bestechlichkeit; übrigens nahm er nur von denen Geschenke an, welche Anhänger desselben politischen Systems waren. Bis zu seinem Tode hielt er an seinen politischen Ansichten unwandelbar fest, was von dem berühmten Geschichtsschreiber der Schweiz, Johannes von Müller, und so vielen andern großen Schriftstellern, die damals dieselben Ansichten mit gleichem Eifer verfochten, nicht gesagt werden kann. In Folge des letzteren Werkes erging an Gentz der Ruf, in österreichische Dienste zu treten. Er nahm das Anerbieten mit Freuden an, weil er den Dienst in einem Staat von festen Rechtsgrundsätzen dem in Preußen vorzog, dessen Regierung zu der Zeit unter der nicht eben sehr gewissenhaften Leitung des Grafen Haugwitz (dirigé avec peu de bonne foi) stand und sich eben so schwach in seinen Handlungen, wie schwankend und veränderlich in seinen Ansichten bewies.

Noch ist der Prinz Louis Ferdinand ****) zu erwähnen. Dieser zog mich in seinen vertrauteren Kreis und gewährte mir auf diese Weise die Gelegenheit, einen ausgezeichneten Fürsten kennen zu lernen, welcher mit allen den Eigenschaften, die künftige Große verheißen, ausgestattet war. Wenn die Stürme jugendlicher Leidenschaftlichkeit sich würden in ihm ausgetobt haben, so würde er die Erwartungen, die man von ihm hegte, wohl vollkommen gerechtfertigt haben. Damals, als ich ihn kannte, folgte er leider rückhaltlos dem Zuge seiner Neigungen und gab sich mit gleich leidenschaftlichem Eifer den Genüssen, wie anstrengendem Studium hin. Die Frauen, das Spiel, der Wein, wie das Studium des Griechischen, des Lateinischen und des Generalbasses nahmen ihn gleichzeitig in Anspruch. Er verlor sein Leben in der Schlacht bei Saalfeldt durch zu große Verwegenheit. Gereift an Alter und Erfahrung hätte er seinem Vaterlande große Dienste leisten können. Er wurde allgemein betrauert.


*) Die Stellung, zu der sich Friedrich von Gentz (geb. in Breslau 1764, gest. in Wien 1832, in Österreich in den, Adelstand erhoben) durch seine Schriften, wie durch seine gesellschaftlichen Talente emporgeschwungen hat, findet kaum ihresgleichen. Obgleich von bürgerlicher Herkunft, ohne Vermögen und ohne hervorragende amtliche Stellung, durchbrach er die Schranken, die die vornehme Welt umschlossen, und feierte seine Triumphe in den adelsstolzen Hof- und Regierungskreisen von Berlin, Wien, London. In England hatten seine Schriften das größte Aufsehen gemacht, sein Werk über das englische Finanzwesen hatte Pitt mit Bewunderung erfüllt. In Folge einer durch den englischen Gesandten in Dresden, Elliot, an ihn ergangenen Einladung machte er mit diesem die Reise nach London und wurde hier von den Ministern Pitt und Grenville mit den schmeichelhaftesten Ehren aufgenommen. Die englische Regierung sah in ihm für ihre mit Energie verfolgte antifranzösische Politik den einflussreichsten Vertreter auf dem Kontinent und fetzte ihm ein ansehnliches Jahrgeld aus. Gentz ist der Verfasser der berühmten Manifeste Österreichs aus den Jahren 1809—1814. Den Auftrag, die durch den Wiener Kongress geschaffene Ordnung der Dinge vor dem Andränge der öffentlichen Meinung zu verteidigen, führte er durch seine zahlreichen Artikel im „Österreichischen Beobachter" auf eine Weise aus, dass er nicht nur für Deutschland eine der stärksten Stützen der unumschränkten Regierungsgewalt wurde. Fast gleiche Gelegenheit zur Auszeichnung fand er in dem schwierigen Amt eines Protokollführers auf den Kongressen zu Wien, Aachen, Karlsbad, Troppau, Laibach und Verona.

**) Der große Staatsmann Edmund Burke (geb. zu Dublin 1730, gest. zu London 1795) nahm seit 1767 bald als Parlamentsglied, bald als Mitglied der Regierung in hervorragender Weise an den Swapgeschäften Anteil und wirkte hier, unterstützt von seiner glänzenden Rednergabe, mit großem Erfolge im Interesse der Gerechtigkeit und Milde. Den dauerndsten Ruhm und einen weit über sein Land und seine Zeit hinausreichenden Einfluss hat er sich indes durch seine in beredtem Wort und Schrift geführte Bekämpfung der Lehrsätze erworben, wie sie die französische Revolution zu Tage förderte. In seinem bedeutendsten Werk: „Reflections on the revolution in France" (London 1790 — 30.000 Exemplare wurden im ersten Jahr abgesetzt) zerstörte er den für edlere Gemüter verführerischen Glanz, der die französischen Doktrinen umgab, und wies nach, dass sie aus einer Miss- und Verachtung des Rechts, einer geistigen Barbarei, hervorgegangen seien und zu dem Gegenteil dessen, was erstrebt werde, zu politischer und geistiger Knechtschaft, zu Gräuel und Bluttaten führen müssen. Als Gegenbild zu diesen Eruptionen eines rechts- und somit freiheitsmörderischen Empörungsgeistes legte er das Wesen und den Verlauf eines Staatslebens dar, in dem Recht und Freiheit, Achtung der Menschenwürde und reiche Gliederung des Volks in Über-, Unter- und Nebenordnung vereint ist („all men have equal rights but not to every things“). Der Einfluss, den Burke ausübte — auch Gentz war durch ihn umgestimmt —, war natürlich in seinem Vaterland am mächtigsten. Seinem Wirken ist es zuzuschreiben, dass England in dem Grade von sittlichem Abscheu vor den Ausgeburten der französischen Revolution erfüllt war, dass es die Besiegung derselben als seine Lebensaufgabe ansah und bereitwillig die Ungeheuern Opfer brachte, die der langwierige Krieg erforderte.

***) Hauptsächlich in den Zeitschriften Mercure de France und Mercure britannique, welche letztere er nach seiner Verbannung in London herausgab, trat Mallet du Pan als Gegner und Bekämpfet der französischen Revolution auf. Die Abonnentenzahl der ersten: stieg auf 20.000.

****) Louis Ferdinand war der Sohn des Prinzen Ferdinand von Preußen, eines Bruders Friedrichs des Großen, begeistert für die Ehre deutschen Namens und für den Krieg gegen den Feind derselben, Napoleon.