Dritte Fortsetzung

Bei meiner Ankunft in Berlin fand ich eine große Veränderung vor. Der eifrige Friedensapostel Graf Haugwitz war Plötzlich zu einem entschiedenen Anhänger des Krieges geworden. Das Geheimnis der Umwandlung liegt in Folgendem. In den nach der Schlacht bei Austerlitz zwischen Frankreich und Preußen geführten Unterhandlungen war dem Grafen Haugwitz von Napoleon die förmliche Abtretung Hannovers an Preußen ausdrücklich zugestanden. Dennoch wurde in den Unterhandlungen, die zwischen Frankreich und England gepflogen wurden, Hannover an England abgetreten. Diese Doppelzüngigkeit führte den Bruch herbei, der in Berlin allgemeine Freude erweckte, besonders aber im Heere. Noch erfüllt von dem Andenken an die Zeiten Friedrichs des Großen schwelgte es in selbstzufriedener Zuversicht, die durch die Unfähigkeit der alten Generale, denen man die Anführung anvertrauen musste, in Nichts gerechtfertigt war. Dies findet besonders bei dem Herzog von Braunschweig seine Anwendung, der schon in dem Feldzuge der Champagne den im siebenjährigen Kriege eingeernteten Ruhm verloren hatte. Um sich eine klare Vorstellung von der in dem Hauptquartier herrschenden Verwirrung zu machen, braucht man nur die anziehende Schilderung von Gentz zu lesen. Die Nachricht von der unglücklichen Schlacht bei Jena war für die Berliner ein Donnerschlag. Um Erkundigungen einzuziehen begab ich mich zum Grafen Schulenburg. Dieser übergab mir in der Absicht, mich zu beruhigen, seine berühmt gewordene Proklamation. „Der König hat eine Schlacht verloren, Ruhe ist die erste Bürgerpflicht."
Als man sich für den Krieg entschlossen hatte, war der General Krusemark mit dem Auftrage, Russland zum Beitritt zu bewegen, nach Petersburg gesandt, aber erst da, als durch die Unentschlossenheit des Grafen Haugwitz schon viel kostbare Zeit verflossen war. Der Kaiser Alexander zögerte keinen Augenblick und erließ gleich an zwei Armeekorps den Befehl, nach Berlin aufzubrechen. Da man hier der Meinung war, die russischen Heere seien schon in der Nähe, so glaubte Graf Stackelberg verpflichtet zu sein, den kommandierenden General von der Niederlage bei Jena in Kenntnis zu setzen. Hiermit wurde ich beauftragt. Während unser Gesandtschaftspersonal nach Holstein flüchtete, reiste ich dem russischen Heere entgegen, aber anstatt dasselbe an den Ufern der Weichsel anzutreffen, traf ich den General Bennigsen*) erst in Grodno an, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Nach Vollführung meiner Aufträge setzte ich meinen Weg nach Petersburg fort. In Riga traf ich den Grafen Buxhöwden, **) den Befehlshaber des zweiten für den preußischen Feldzug bestimmten Armeekorps.

Der traurige Ausgang des Feldzugs von 1805 hatte bei uns einen Ministerwechsel zur Folge gehabt. Der Fürst Adam Czartorysky, unter dessen Einfluss die Koalition zu Stande gekommen war, musste sein Amt niederlegen, das Kaiser Alexander dem General Budberg, unserm ehemaligen Gesandten in Schweden, übertrug. Da ich diesem nur wenig bekannt war, so bedauerte ich den Rücktritt seines Vorgängers, der mir mehrmals Beweise seines Wohlwollens gegeben hatte. In dieser Meinung stellte ich mich meinem neuen Chef vor. Der General Budberg war ein höchst achtungswerter Mann, da er aber kränklich war und von nicht besonders großen Geistesgaben, so eignete er sich durchaus nicht für diese ihm zu Teil gewordene hohe Stellung. Obgleich er sich gegen mich freundlich und liebevoll benahm und keine Gelegenheit mir zu nützen versäumte, so zwingt mich doch die Achtung für die Wahrheit, dies Urteil über ihn zu fällen. Schon vor meiner Ankunft hatte er mich zum Begleiter des Grafen Peter Tolstoi bestimmt, der als Kriegskommissär sich ins Hauptquartier des russischen Heeres begeben sollte. Aber nach der Jenaer Schlacht und bei der Auflösung des preußischen Heeres unterblieb die Reise und ich blieb für den Augenblick ohne Funktion. Beim darauffolgenden ersten Zusammentreffen fragte mich der General Budberg, was meine Wünsche wären. „Bei den ernsten und schwierigen Verhältnissen, in denen wir uns befinden", antwortete ich, „glaube ich keinen andern Wunsch hegen zu dürfen, als den, zu möglichst angestrengter Tätigkeit berufen zu werden." Ihm gefiel meine Antwort und er erinnerte sich ihrer in der Folge.


Die Befehlshaber der beiden russischen Korps waren also, wie ich oben angeführt habe, die Generale Buxhöwden und Bennigsen. Teils um eine gemeinsame Aktion möglich zu machen und eine Einheit des Befehls zu gründen, teils um die öffentlichen Schreier, die durchaus einen russischen Namen an der Spitze unseres Heeres wissen wollten, zu beruhigen, übertrug der Kaiser den Oberbefehl über beide Korps dem alten Marschall Kamensky, der sich unter der Regierung der Kaiserin Katharina im Türkenkriege ausgezeichnet hatte. Es war ein starrsinniger und grausamer Mensch, zwar besaß er einiges militärische Talent, doch machte er dies durch seinen Jähzorn unwirksam. Dazu war er schon sehr hinfällig und außer Stande, ein Pferd zu besteigen. In Betracht alles dessen hatte der Kaiser keinen geringen Grad von Widerwillen zu unterdrücken, als er den Schreiern, die Kamenskys Ernennung verlangten, nachgab.

Es ist in Russland Gebrauch, zur Leitung der Korrespondenz mit den Zivil- und Militärautoritäten der Verbündeten den Oberbefehlshabern der Heere einen Beamten des Ministeriums des Auswärtigen zuzuordnen. Eines Morgens beschied mich General Budberg zu sich und trug mir diese Stelle an. Ich nahm das Anerbieten ohne Zaudern an. Er war nicht wenig erstaunt und äußerte: „Sie scheinen nicht zu wissen, was für ein Mann der Marschall Kamensky ist?" „Ich weiß es nur zu gut," antwortete ich. „Andere haben in diesem Falle nicht die gleiche Bereitwilligkeit gezeigt", fügte mein Chef hinzu, „und ich werde nicht ermangeln, dieselbe zur Anerkennung zu bringen."

Nachdem meine Ernennung ausgefertigt war, stellte ich mich am folgenden Tage dem furchtbaren Marschall vor. Er empfing mich ziemlich freundlich und forderte mich auf, mit ihm zusammen die Reise zu machen. Das war aber eben nicht die angenehmste Art zu reisen. Wir fuhren im Dezember ab, die Wege waren abscheulich. Der Marschall beeilte sich aber nicht, als ob ihn gleichsam ein Vorgefühl des ihm bevorstehenden Missgeschicks zurückgehalten hatte. So hielt er sich z. B. zwei Tage in Riga auf, eben so lange in Wilna und noch länger in Grodno, wo ihm der Kapitän Benckendorf entgegengeeilt kam, um ihn im Auftrage des Dujour-Generals Grafen Tolstoi um möglichste Beschleunigung seiner Reise dringend zu bitten, da Bonaparte schon über die Weichsel gesetzt sei und sich anschicke, das Bennigsen'sche Korps, das an der Narew postiert sei, anzugreifen. Als er von Grodno aufbrach, gab er mir den Befehl, ihm nach Pultusk nachzufolgen. Hier langte ich mitten in der Nacht an, als sich eben das Vorpostengefecht entsponnen hatte, der Marschall sich in den Schlitten geworfen und zum Hauptheer geeilt war. Er empfing mich im höchsten Grade unfreundlich, sagte mir, dass ich hier nichts zu tun hätte und dass ich sogleich nach Grodno zurückkehren und da auf weitere Befehle warten solle, denn das Archiv der diplomatischen Feldkanzlei dürfte nicht den Gefahren einer Schlacht ausgesetzt sein. Ich gehorchte, aber mit widerstrebendem Herzen, denn jung und lebhaft, wie ich war, brannte ich vor Begierde, einer Schlacht beizuwohnen. So traf ich in Grodno wieder ein, wo ich nach zwei Tagen die große Überraschung haben sollte, den Marschall ankommen zu sehen Dieser hatte nämlich, als er die Schlacht schon eröffnet sah, dermaßen alle Fassung verloren, dass er dem General Bennigsen sagte: „Sie haben die Anordnungen getroffen, Sie mögen auch deren Ausgang verantworten, ich mische mich in Nichts und werde den Oberbefehl über das Heer dem ältesten General, dem Grafen Buxhöwden übergeben." Als ich mich ihm der Dienstpflicht gemäß gleich nach seiner Ankunft vorstellte, sagte er mir: ?ich habe nicht mehr das Kommando, verfügen Sie sich zum Grafen Burhöwden." So endigte die militärische Laufbahn dieses tollen Veteranen. Sein Lebensende war noch trauriger. Er hatte sich auf seine Güter zurückgezogen und wurde hier von seinen Bauern erschlagen. Als Kaiser Alexander das Benehmen des Marschalls erfuhr, trat er aus seinem Kabinett und wandte sich mit den Worten zu den Umstehenden: „Raten Sie, meine Herren, wer hat zuerst die Flucht ergriffen?" Der tolle Streich Kamenskys wandte Alles zum Vorteil Bennigsens. Ihm wurde der Ruhm zu Teil, der Erste gewesen zu sein, der dem bisher für unbesiegbar Gehaltenen erfolgreichen Widerstand geleistet hatte. Bonaparte war in der Tat an allen Punkten zurückgedrängt worden und hatte sich nach der Weichsel zurückziehen müssen. Die Jahreszeit und die schlechten Wege, auf denen die Franzosen ein fünftes Element — den Straßenschlamm — kennen lernten, verhinderten Bennigsen, den Feind zu verfolgen und aus seinem Waffenglück den rechten Vorteil zu ziehen. Die Schlacht von Pultusk (14./26. Dezbr. 1806) machte in Petersburg großes Aufsehen. Man glaubte in Bennigsen den Mann gefunden zu haben, den man Napoleon entgegen stellen könne. Bennigsen wurde an Stelle Kamenskys zum Feldmarschall ernannt und gleichzeitig Buxhöwden abberufen.

Der Wechsel des Kommandos wirkte natürlich auch auf meine Stellung ein. Von Kamensky kam ich zu Buxhöwden, von Buxhöwden zu Bennigsen. Da es äußerst schwierig war, das Heer in einem verwüsteten Lande zu verpflegen, so beschloss Bennigsen nach Altpreußen zu ziehen und an der Narew nur ein Beobachtungskorps unter dem General Essen zurückzulassen. In dem Lande, in das wir einrückten, befand sich damals nur ein einziges französisches Armeekorps, das von Bernadotte befehligt und in einzelnen ziemlich weit von einander entfernten Abteilungen über das Land verteilt war. Unsere Avantgarde warf sich mit Ungestüm auf die feindlichen Heeresteile und errang bedeutende Vorteile, so namentlich in dem Gefecht bei Mohrungen, in dem sich besonders Graf Pahlen auszeichnete und wobei Bernadotte alle seine Equipagen einbüßte.

Mit der ersten Nachricht von dieser Niederlage brach Bonaparte mit seinem ganzen Heere auf und erreichte uns in den eisten Tagen des Januar. Bennigsen war entschlossen, die Schlacht anzunehmen, da indes in der Gegend kein Ort für eine vorteilhafte Stellung ausfindig zu machen war, so zog er sich bis Preußisch Cylau zurück. Der Rückzug dauerte drei Tage und fand unter fast beständigen, mehr oder weniger heftigen Gefechten unserer Arrieregarde statt. Den Tag über wurde gekämpft, die Nacht marschiert. Ich machte diesen Rückzug zu Pferde mit und ertrug die großen Beschwerlichkeiten ziemlich gut. In einem dieser Gefechte hatten wir das Unglück, den General Anrep, einen der ausgezeichnetsten Militärs unseres Heeres zu verlieren. Endlich machte man bei Eylau Halt. Hier kam es am 27. Jan. (8. Febr.) 1807 zu einer der blutigsten Schlachten dieser blutigen Zeit. Leider hatte die Schlacht nicht die Folgen, die sie hätte haben müssen. Der Kampf hatte uns vollständig zu Herren des Schlachtfeldes gemacht — doch was sollten wir erleben! Am folgenden Tage gab Bennigsen Befehl zum Rückzuge, der nach Königsberg hin vor sich gehen sollte, wahrend auch Bonaparte seinerseits sich zurückzog. Bennigsen suchte diesen Schritt durch Munitionsmangel und die nach jeder Schlacht — sei sie gewonnen oder verloren — unvermeidliche Unordnung zu entschuldigen. Somit hielten wir uns fünf oder sechs Tage in Königsberg auf, sowohl um uns zu erholen, wie auch um Verstärkungen abzuwarten. Diese ließen auch nicht lange auf sich warten. Der Hetman Platoff an der Spitze von einigen Kosakenregimentern und einer Brigade Jäger stieß zu uns. Da entwarf Bennigsen einen Kriegsplan, der zu den glücklichsten Erfolgen hätte führen müssen, wenn er mit Energie und Schnelligkeit ausgeführt worden wäre. Er entsandte den Grafen Peter Tolstoi zum Essen'schen Korps mit dem Befehl, einen Teil desselben nach Altpreußen zu führen und die rechte Flanke des französischen Heeres zu bedrohen, während er mit dem Hauptheere die Fronte desselben angreifen wollte. Wir begaben uns also voller Hoffnung auf den Marsch. Eine Abteilung Kosaken wurde vorausgeschickt, vor denen sich die feindlichen Vorposten unter Verlust von vielen Gefangenen eiligst zurückzogen. Unter den letzteren befand sich auch ein junger Offizier, der Graf Montesquion Fezensak, der eine interessante Broschüre über den Moskauer Rückzug verfasst hat. Noch waren die Heere nicht auf einander gestoßen, als Bonaparte an uns den General Bertrand sandte und einen Waffenstillstand antrug. Bennigsen wies den Antrag ohne Zaudern zurück und setzte seinen Marsch fort. In Braunsberg erfuhr er, dass die französische Armee plötzlich Halt gemacht und an der Passage Stellung genommen habe. Bei dieser Nachricht verlor unser Obergeneral so sehr alle Fassung, dass er den trefflich angelegten Plan aufgab. Und nun begann eine Reihe von Fehlern und Unglücksfällen, die alle Hoffnungen, die man auf ihn gesetzt hatte, vernichtete. Bonaparte war ihm das geworden, was er schon so vielen andern gewesen war, ein Medusenhaupt, dessen Anblick schon dazu hinreicht, alle Kräfte der Seele zu lähmen. Dass dies gerade damals Bennigsen widerfuhr, erscheint um so ärgerlicher, als, wie man später erfahren hat, das französische Heer nur gezwungenermaßen Halt gemacht hatte, indem es durch die Menge Eisschollen, die auf der Weichsel trieben, verhindert wurde, sich bis hinter diesen Fluss zurückzuziehen. Dies ist mir später von dem General Jomini bestätigt worden, der damals beim Ney'schen Korps Chef des Stabes war und als solcher den Auftrag hatte, eine Brücke über die Weichsel zu schlagen, jedoch dies nicht bewerkstelligen konnte. Da sich unser Kabinett im Verein mit dem preußischen bemühte, Österreich zum Beitritt zum Bunde zu bewegen, so erhielt Bennigsen von Petersburg den Befehl, das Wiener Kabinett von allen Vorgängen zu unterrichten und ihm namentlich über die bedeutenden Verluste der französischen Armee bei Cylau genaue Mitteilungen zu machen. Zu der in Folge dieses Befehls nötigen Sendung nach Wien wurde ich erwählt. Anfangs Februar 1807 langte ich daselbst an. An der Spitze des Ministeriums traf ich meinen alten Bekannten von Berlin her, den Grafen Stadion, an. Als Vertreter Russlands fungierte noch einstweilen bis zur Ankunft des Grafen Kurakin der bisherige Gesandte, Graf Rasumoffsky ***), der in Folge der Schlacht von Austerlitz seine Stelle hatte aufgeben müssen. Als sich die Mitteilungen, die ich sowohl ihm, wie dem Grafen Stadion über den Stand der Dinge machte, verbreiteten, hatte ich die Freude, überall warme Teilnahme für den Kampf gegen Bonaparte zu finden und die Hoffnungen noch mehr zu beleben, welche die bisherigen Nachrichten von der Schlacht bei Preußisch Eylau bei allen Gegnern Napoleons erweckt hatten. Ich verbrachte auf die genussreichste Weise drei Monate in dieser glänzenden Gesellschaft, im Kreise von Frauen, deren Anmut und Liebenswürdigkeit nirgends ihres Gleichen fand. Und die Krone aller dieser reizenden österreichischen und polnischen Schönheiten war die Gräfin Zamoisky. Die Stimmung des österreichischen Kabinetts neigte sich von Tage zu Tage immer mehr unserm Plane zu, so dass es schon im Begriff stand, den General Vincent ins russische Lager zu senden, um sich mit Bennigsen hinsichtlich der erforderlichen politischen und militärischen Maßregeln zu verständigen.

Ehe dies zur Ausführung kam, hatte sich der Kaiser Alexander in Begleitung des Generals Budberg auf den Kriegsschauplatz begeben. Ich erhielt den Befehl, mich daselbst so bald wie möglich einzustellen. Der General Budberg hatte mir eine neue Sendung zugedacht und wünschte, mir persönlich die hierzu nötigen Weisungen zu erteilen. Es handelte sich nämlich darum, mich beim König Ludwig XVIII. ****), der in Mitau residierte und für die wegen seiner zahlreichen Reaktionspläne mit unserm Ministerium zu führenden Verhandlungen um einen Vermittler gebeten hatte, als Bevollmächtigten zu beglaubigen. Die Schlacht von Friedland (2./14. Juni 1807) machte den Plänen Ludwigs XVIII. ein Ende und ließ es nicht zu einer Reise nach Mitau kommen. Als er mir im Jahre 1814 in den Tuillerien Audienz, erteilte, sagte er mir: „Ich schätze mich glücklich, Herr Graf, ihre Bekanntschaft hier zu machen, und nicht da, wo es mir früher bestimmt war."

*) Graf Levin Aug. Theophil von Bennigsen, einem kur-braunschweigischen Adelsgeschlechte entsprossen, trat zufolge der damals herrschenden und mit den Napoleonischen Kriegen erlöschenden Sitte der militärischen Auswanderung 1773 in russische Dienste, als gerade die vielbesprochene Vermählung der Darmstädtischen Prinzessin Wilhelmine mit dem Großfürsten Paul viele Ausländer nach Russland lockte. Bennigsen machte zuerst mit dem Hessen-darmstädtischen Erbprinzen Friedrich, dem Bruder der neuvermählten Großfürstin (mit ihrem russischen Namen Natalia Alexejewna genannt), den türkischen Feldzug unter dem Feldmaischall Rumianzoff, dann alle folgenden unter Katharina II. geführten Kriege mit Auszeichnung mit. Der Ruhm der Eroberung der kaukasischen Festung Derbent gebührt ihm. Nach dem Frieden von Tilsit zog er sich auf seine Landgüter zurück und betrat erst wieder 1812 den Kampfplatz. In der mörderischen Schlacht von Borodino befehligte er das Mitteltreffen des russischen Heeres, Er und General Dochturoff waren es, die dem Kaiser rieten, noch einmal vor den Toren von Moskau eine Schlacht zu wagen. Streitigkeiten mit Kutusoff, der auf seinen Vorschlag, dem Feinde den Rückzug über die Beresina abzuschneiden, nicht einging, bewogen ihn, sich vom Kriegsschauplatz zurückzuziehen. April 1813 ist er Befehlshaber des russischen Reservekorps. In der Schlacht bei Leipzig kommandierte er auf dem rechten Flügel des Heeres der Verbündeten. 1818 kehrte er aus dem russischen Dienste heim auf sein Stammgut, wo er 1826 starb.

**) Graf Friedrich Wilhelm von Buxhöwden stammt aus einem der ältesten Adelsgeschlechter der deutschen Ostseeprovinzen Russlands, das schon zu Bischof Alberts Zeiten, um 1200, hierher einwanderte. Er zeichnete sich im russisch-schwedischen Kriege, 1789 und 1790, dann im russisch-polnischen, 1790-1792, namentlich bei der Erstürmung Prags, aus. In der Schlacht bei Austerlitz drang er mit dem linken Flügel, den er befehligte, siegreich vor, wurde aber durch das Weichen des Zentrums und des rechten Flügels zum Rückzüge gezwungen. 1808 und 1809 eroberte er Finnland in einer Reihe von blutigen Kämpfen, wobei er bis zum Fluss Tornea vordrang.
Buxhöwden vereinigte mit seinem Kriegertalent die edelsten Herzenseigenschaften. Als General-Gouverneur von Polen, 1792 und 1793, erwarb er sich durch seine Gerechtigkeit, Milde und Menschenfreundlichkeit, von der er auch nach der Erstürmung Praga's einen Beweis lieferte, als er das Äußerste aufbot, um der Plünderung Einhalt zu tun, die allgemeine Liebe der Administrierten.

***) Graf Andxei Rasumoffsky ist der Sohn des Hetmans der kleinrussischen Kosaken Grafen Kyrill Rasumoffsky und der Neffe des berühmten Günstlings der Kaiserin Elisabeth Grafen Alexei Rasumoffsky, welcher sich ebenso durch Schönheit, der er seine Erhebung aus dem Bauernstande zu den höchsten Würden des Reichs verdankte, wie durch eine auch im höchsten Glücksstande bewahrte edelmütige Gesinnung auszeichnete. Auch den Grafen Andrei Rasumoffsky soll seine Schönheit in Verhältnisse hineingezogen haben, die — wie es heißt — es der Kaiserin Katharina II. ratsam erscheinen ließen, ihn aus Petersburg zu entfernen. Er wurde zum Gesandten ernannt und fungierte in Stockholm, Wien, Neapel, starb 1837. Mit dem Tode seines Bruders Peter, Ministers der Volksaufklärung unter dem Kaiser Alexander, stirbt 1837 die gräflich Rasumoffsky'sche Familie aus.

***) Nachdem Ludwig XVIII. in Folge von Friedensverträgen zwischen der französischen Republik und den Staaten, die ihn aufgenommen hatten, schon vier Mal sein Asyl hatte wechseln müssen, eröffnete ihm 1798 der Kaiser Paul in seinem Reich eine Zufluchtsstätte, wobei er ihm die Wahl des Orts freistellte. Ludwig entschied sich für die Hauptstadt von Kurland und bezog das schöne herzogliche Schloss, Durch kaiserliche Großmut auch mit einem Jahrgeld von 200.000 Rubel Silber ausgestattet, war er hier von einem nicht unbedeutenden Hofstaat umgeben, zu dem ein Graf Saint-Priest als Minister des Auswärtigen und ein Marquis La Chapelle als Kriegsminister gehörte. Hier in Mitau fand 1799 die Vermählung des Herzogs von Angoulême mit Ludwigs XVI. Tochter Maria Theresia statt, die in Versailles als vierjähriges Kind zu dem sie beim Abschiede herzenden damaligen Großfürsten Paul, der unter dem Namen eines Grafen Du-Nord reiste, gesagt hatte: „j'irai, vous voir, monsieur le comte".