Jugend und erste Dienstjahre unter der Kaiserin Katharina und dem Kaiser Paul1780-1781.
Im August 1801 begab ich mich nach Berlin. Baron Krüdener empfing mich in der wohlwollendsten Weise, ließ mir eine Wohnung in seinem Hause einräumen, leitete meine ersten diplomatischen Studien und bewog mich, in Gemeinschaft mit seinem Sohne bei dem berühmten Ancillon, der damals Professor der Geschichte an der Militärakademie war, Vorlesungen über Staats- und Völkerrecht zu hören. Dreißig Jahre später war er preußischer Minister des Auswärtigen, ich Vizekanzler von Russland und wir verfassten und unterzeichneten gemeinschaftlich Protokolle über die von den drei nordischen Höfen, wie man damals die von Russland, Österreich und Preußen nannte, zu beobachtende Haltung der Regierung Louis Philipps gegenüber.
Der auf meine Ankunft in Berlin folgende Winter war einer der belebtesten. Die Königin Louise *) strahlte in dem vollen Glanz ihrer Schönheit, der Hof wetteiferte mit den Vornehmen der Stadt in der Veranstaltung von Karnevalsbelustigungen; Bälle, Maskeraden, Liebhabertheater, Gastmähler folgten einander in solch ununterbrochener Reihe, dass man kaum Zeit zu einiger Erholung fand. Auch das diplomatische Korps blieb seinerseits nicht zurück.
Es war vortrefflich zusammengesetzt und bot mir Gelegenheit, mit ausgezeichneten Männern, die später in den europäischen Angelegenheiten eine Rolle gespielt haben, freundschaftliche Verhältnisse anzuknüpfen. Von ihnen will ich namentlich anführen den Grafen Stadion, den ich im Jahre 1806 in Wien, wohin ich mit einem diplomatischen Auftrag gesandt war, als Minister des Auswärtigen antraf; ferner seinen Legationssekretär, den Freiherrn von Wessenberg, den ich auf dem Wiener Kongress zum Kollegen hatte und der im Jahr 1848 seine Laufbahn auf eine so traurige Art beschloss. Frankreich war durch den General Beurnonville, einen Soldaten der Revolutionszeit vertreten, der als Mensch nicht übel, als Diplomat von gar keiner Bedeutung war, aber seine Stütze in seinem Legationssekretär Bignon **) fand, einem geistreichen Mann, der sich durch seine Schriften, durch seine Liebe für die Polen und durch seinen Russenhass einen Namen gemacht hat. Ich ahnte damals nicht, dass Talleyrand im Jahre 1814 den General Beurnonville ***) zum Mitgliede der provisorischen Regierung erwählen würde. Zu den bedeutenderen Mitgliedern des diplomatischen Korps gehörte auch der General O'Farill ****) ein ehrenwerter Charakter und ein tüchtiger Militär, den die für Spanien unglücklichen Ereignisse leider auf eine falsche Bahn drängten. Im Jahre 1810 sah ich ihn in Paris als Kriegsminister des Königs Joseph wieder.
*) Die Königin Louise, eine geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, die durch Schönheit, Geist und Herz ausgezeichnete, allverehrte edle Fürstin, war auch in den Feldzügen stete Begleiterin ihres Gemahls, Friedrich Wilhelms III. Nach dem unglücklichen Kriege von 1806 und 1807 entschloss sie sich zu einer Zusammenkunft mit Napoleon, um ihn zu günstigeren Friedensbedingungen zu bestimmen, und hatte hier Gelegenheit, den übermütigen Sieger, der sich mit Heftigkeit über die von Preußen in dem Glauben, ihm widerstehen zu können, seiner Meinung nach bewiesene Verblendung äußerte, mit dem hochherzigen Worte zu beschämen: „Einem Staate, der einen Friedrich den Großen zum König gehabt, ist solche Verblendung wohl verzeihlich."
**) Bignon wurde nach mehreren diplomatischen Stellungen 1808 französischer Kommissär bei den preußischen Behörden und leitete als solcher die Verwaltung der Finanzen und Domainen in den besetzten Territorien; 1809 erhielt er eine schwierige Sendung nach Warschau zur Ausführung geheimer Aufträge; hier blieb er drei Jahre. Dem von Napoleon in seinem Testament ausgedrückten Wunsch zufolge, Bignon möge seine Geschichte schreiben, verfasste Letzterer das Werk von 11 Bänden: „Histoire de la France de le 18. Brumaire jusqu’a à 1812". Sowohl dieses Werk, wie seine Memoiren ermangeln natürlich der Unparteilichkeit.
***) Beurnonville war nämlich, als seines Gebieters Glücksstern unterging, plötzlich sein Gegner geworden. Nach der Kapitulation von Paris, 1814, wirkte er nicht nur eifrigst für die Absetzung Napoleons, sondern auch gegen die Nachfolge Napoleons II.
****) Der ausgezeichnete spanische Krieger und Staatsmann Don Gonzalo O'Farill wurde, obgleich ein treuer Anhänger und kühner Verteidiger der Rechte seines angestammten Königs, nach Rückkunft Ferdinands VII. auf den spanischen Thron, 1815 des Hochverrats angeklagt, weil er von Joseph Napoleon ein Amt angenommen hatte, und ungeachtet seiner Rechtfertigung zum Tode verurteilt. Der Vollstreckung des Urteils entzog er sich durch die Flucht und fand in Frankreich ein Asyl, wo er seine besonders für die Geschichte Spaniens höchst wichtigen Denkwürdigkeiten verfasste. Der Ansicht, dass O'Farill ungerechter Weise verurteilt worden sei, scheint Graf Nesselrode beizustimmen.
Der auf meine Ankunft in Berlin folgende Winter war einer der belebtesten. Die Königin Louise *) strahlte in dem vollen Glanz ihrer Schönheit, der Hof wetteiferte mit den Vornehmen der Stadt in der Veranstaltung von Karnevalsbelustigungen; Bälle, Maskeraden, Liebhabertheater, Gastmähler folgten einander in solch ununterbrochener Reihe, dass man kaum Zeit zu einiger Erholung fand. Auch das diplomatische Korps blieb seinerseits nicht zurück.
Es war vortrefflich zusammengesetzt und bot mir Gelegenheit, mit ausgezeichneten Männern, die später in den europäischen Angelegenheiten eine Rolle gespielt haben, freundschaftliche Verhältnisse anzuknüpfen. Von ihnen will ich namentlich anführen den Grafen Stadion, den ich im Jahre 1806 in Wien, wohin ich mit einem diplomatischen Auftrag gesandt war, als Minister des Auswärtigen antraf; ferner seinen Legationssekretär, den Freiherrn von Wessenberg, den ich auf dem Wiener Kongress zum Kollegen hatte und der im Jahr 1848 seine Laufbahn auf eine so traurige Art beschloss. Frankreich war durch den General Beurnonville, einen Soldaten der Revolutionszeit vertreten, der als Mensch nicht übel, als Diplomat von gar keiner Bedeutung war, aber seine Stütze in seinem Legationssekretär Bignon **) fand, einem geistreichen Mann, der sich durch seine Schriften, durch seine Liebe für die Polen und durch seinen Russenhass einen Namen gemacht hat. Ich ahnte damals nicht, dass Talleyrand im Jahre 1814 den General Beurnonville ***) zum Mitgliede der provisorischen Regierung erwählen würde. Zu den bedeutenderen Mitgliedern des diplomatischen Korps gehörte auch der General O'Farill ****) ein ehrenwerter Charakter und ein tüchtiger Militär, den die für Spanien unglücklichen Ereignisse leider auf eine falsche Bahn drängten. Im Jahre 1810 sah ich ihn in Paris als Kriegsminister des Königs Joseph wieder.
*) Die Königin Louise, eine geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, die durch Schönheit, Geist und Herz ausgezeichnete, allverehrte edle Fürstin, war auch in den Feldzügen stete Begleiterin ihres Gemahls, Friedrich Wilhelms III. Nach dem unglücklichen Kriege von 1806 und 1807 entschloss sie sich zu einer Zusammenkunft mit Napoleon, um ihn zu günstigeren Friedensbedingungen zu bestimmen, und hatte hier Gelegenheit, den übermütigen Sieger, der sich mit Heftigkeit über die von Preußen in dem Glauben, ihm widerstehen zu können, seiner Meinung nach bewiesene Verblendung äußerte, mit dem hochherzigen Worte zu beschämen: „Einem Staate, der einen Friedrich den Großen zum König gehabt, ist solche Verblendung wohl verzeihlich."
**) Bignon wurde nach mehreren diplomatischen Stellungen 1808 französischer Kommissär bei den preußischen Behörden und leitete als solcher die Verwaltung der Finanzen und Domainen in den besetzten Territorien; 1809 erhielt er eine schwierige Sendung nach Warschau zur Ausführung geheimer Aufträge; hier blieb er drei Jahre. Dem von Napoleon in seinem Testament ausgedrückten Wunsch zufolge, Bignon möge seine Geschichte schreiben, verfasste Letzterer das Werk von 11 Bänden: „Histoire de la France de le 18. Brumaire jusqu’a à 1812". Sowohl dieses Werk, wie seine Memoiren ermangeln natürlich der Unparteilichkeit.
***) Beurnonville war nämlich, als seines Gebieters Glücksstern unterging, plötzlich sein Gegner geworden. Nach der Kapitulation von Paris, 1814, wirkte er nicht nur eifrigst für die Absetzung Napoleons, sondern auch gegen die Nachfolge Napoleons II.
****) Der ausgezeichnete spanische Krieger und Staatsmann Don Gonzalo O'Farill wurde, obgleich ein treuer Anhänger und kühner Verteidiger der Rechte seines angestammten Königs, nach Rückkunft Ferdinands VII. auf den spanischen Thron, 1815 des Hochverrats angeklagt, weil er von Joseph Napoleon ein Amt angenommen hatte, und ungeachtet seiner Rechtfertigung zum Tode verurteilt. Der Vollstreckung des Urteils entzog er sich durch die Flucht und fand in Frankreich ein Asyl, wo er seine besonders für die Geschichte Spaniens höchst wichtigen Denkwürdigkeiten verfasste. Der Ansicht, dass O'Farill ungerechter Weise verurteilt worden sei, scheint Graf Nesselrode beizustimmen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Des russischen Reichskanzlers Grafen Nesselrode Selbstbiographie.