Vierte Fortsetzung

Nachdem der ganze September, den wir im Teplitzer Tal verbrachten, zu der dem Heere so nötigen Erholung und zur Vervollständigung der Ausrüstung desselben und zu sonstigen Vorbereitungen für neuen Kampf verwandt war, waren wir Anfang Oktober im Stande, ins Feld zu rücken und setzten uns wieder gegen Sachsen in Marsch. Da fand denn vom 16. bis zum 19. dieses Monats bei Leipzig die berühmte Schlacht statt, die die Befreiung von Deutschland zur Folge hatte. Ich befand mich während des Kampfes an der Seite Kaiser Alexanders und war Zeuge des Angriffs der französischen Kavallerie, die, nachdem sie die leichte Kavallerie-Division unserer Garde geworfen hatte, auf den Hügel stürmte, wo sich der Kaiser, umgeben von einem zahlreichen Gefolge, befand. Sogleich gab derselbe seiner aus einem Regiment Gardekosaken bestehenden Eskorte den Befehl, sich der französischen Kavallerie entgegen zu werfen. Der von dem Grafen Orloff-Demissoff ausgeführte Angriff hatte einen glänzenden Erfolg, der Feind wurde sogleich aufgehalten.

Der feierliche Einzug in Leipzig war von seltener Großartigkeit. Der Kaiser hatte die beiden Herrscher, seine Verbündeten, und den Kronprinzen von Schweden an seiner Seite. In der Nacht fanden wir den König von Sachsen, ihm wurde eröffnet, dass man ihn als Kriegsgefangenen betrachte und ihn werde nach Berlin führen lassen.


Das französische Heer zog sich auf der großen Straße von Erfurt zurück. Leider wurde die Verfolgung nicht mit dem gehörigen Nachdruck betrieben, sonst wäre das Ergebnis des Sieges noch bedeutender geworden. Hätte die unter dem österreichischen General Giulay stehende Avantgarde ihren Zug beschleunigt, so hätte sie vor dem Eintreffen Napoleons die Höhen von Kösen besetzen und ihm den Rückzug abschneiden können. Schon den 8. Oktober war auch Bayern zum Bündnis getreten. Ein bayrisches Heer unter dem Feldmarschall Wrede war nach Hanau gerückt und hier schon eingetroffen, als Napoleon heranzog. Die Anstalten, die er zum Empfange des feindlichen Heeres getroffen hatte, waren so schlecht, dass er Napoleon nicht nur nicht aufhielt, sondern selbst geschlagen wurde. Napoleon erreichte ungehindert Mainz, hier verließ er sein Heer und eilte nach Paris. Der Kaiser Alexander zog mit der großen Hauptarmee über Weimar, Schweinfurth und den Spessart nach Frankfurt. Hier wurde für mehrere Wochen Halt gemacht, wichtige Dinge mussten beraten und entschieden werden. Sollte man Napoleon Frieden anbieten oder den großen Entschluss fassen, in Frankreich einzurücken und Napoleon bis zum Äußersten zu verfolgen? In dieser wichtigen Frage waren die Meinungen der Verbündeten sehr geteilt. Kaiser Alexander in Übereinstimmung mit dem König von Preußen stimmte für die Fortsetzung des Krieges, das österreichische Kabinett für Unterhandlungen. Da wurde denn beschlossen, dass, ohne den Fortgang des Krieges zu hemmen, Unterhandlungen angeknüpft werden sollten. Saint-Aignan, der französische Gesandte am weimarschen Hofe, war in Gefangenschaft geraten. Man beschloss, ihn in Freiheit zu setzen und ihn zu beauftragen, Napoleon die Bedingungen mitzuteilen, unter denen die Verbündeten bereit wären, auf einem zu Mannheim abzuhaltenden Kongress mit ihm wegen des Friedens zu unterhandeln. Eine Menge deutscher Fürsten und an ihrer Spitze der König von Württemberg stellten sich in Frankfurt ein, um sich der Koalition anzuschließen. Mit jedem Einzelnen wurde ein Vertrag geschlossen. Es wurde beschlossen, in Frankreich einzurücken. Jetzt handelte es sich noch um die Feststellung des Feldzugsplanes. Dies gab zwischen dem Kaiser Alexander und dem Fürsten Metternich zu neuen Meinungsverschiedenheiten Veranlassung. Letzterer verfocht die Meinung, dass man den Zug durch die Schweiz nehmen müsse, während der Kaiser die Verbindlichkeit, die man hätte, hervorhob, die Neutralität eines Landes zu achten, welches durch eine Deputation um dieselbe nachgesucht habe. Dem österreichischen Vorschlag lag die geheime Absicht zu Grunde, die aristokratische Partei wieder zur Herrschaft zu bringen und die alte Verfassung wieder herzustellen, ein Plan, der den Wünschen des Kaisers durchaus entgegen war. Man vereinigte sich in dem Beschluss, zwei Bevollmächtigte an die Schweizer Regierung zu schicken und mit ihr darüber zu unterhandeln. Von Seiten Österreichs wurde der Baron Lebzeltern, von unserer Seite Graf Capo d'Istria dazu ernannt. Letzterer trat hierbei zum ersten Male als Diplomat auf. Mit der Schweiz wurde vereinbart, dass mit Vermeidung eines Eindringens ins Innere des Landes zwei Wege den Verbündeten offen stehen sollten, der eine über Basel für das große österreichische Heer, bei dem sich die drei Monarchen befänden, — der andere über Genf für ein österreichisches Korps, das nach Lyon marschieren sollte. Hierauf begaben wir uns auf den Weg. Der Kaiser hielt sich zwei Tage in Karlsruhe, drei in Freiburg auf, wo ein glücklicher Zufall es fügte, dass mir bei der ehemaligen Maitresse des Kurfürsten von Mainz, einer Madame Feret, meine Wohnung angewiesen wurde. Sie nahm uns hoch auf und bewirtete uns mit dem berühmten Punsch, den sie allein im Stande gewesen war, für ihren kurfürstlichen Geliebten, den Grafen Erthal, zu bereiten. Einige Tage darauf gingen wir bei Basel über den Rhein und fassten Fuß auf französischem Boden.

Es würde zu weit führen, hier alle Einzelheiten des denkwürdigen Feldzuges der Reihe nach zu erzählen. Bald begünstigte das Glück uns, bald unsere Feinde, bis es sich endlich ganz für uns entschied. Ich will hier nur eines Vorfalls gedenken, der von entscheidendem Einfluss war. Nach den Schlachten bei Laon und Craon, in denen Napoleon mit dem Feldmarschall Blücher gekämpft hatte, wandte er sich gegen unser Heer, das bei Arcis sur Aube konzentriert war und bei dem sich auch der Kaiser Alexander befand. Um diese Zeit war ich nach Chaumont entsandt worden, um an einer Konferenz der Fürsten Hardenberg und Metternich und des Lords Castlereagh teilzunehmen. Nach aufgehobener Sitzung lud mich Fürst Hardenberg zu sich zu Mittag ein. Mein Glücksstern ließ mich diese Einladung unter dem Vorwande ausschlagen, dass ich mich gleich zum Kaiser auf den Weg machen wolle, um ihm von den Beschlüssen der Konferenz Bericht zu erstatten. Diesem Umstand, der Einladung nicht Folge geleistet zu haben, habe ich es zu verdanken, dass ich noch den Abend in Arcis eintraf. Hätte ich meine Abreise nur um einige Stunden verschoben, so wäre mir der Rückweg durch das französische Heer, das bei Arcis zurückgeschlagen sich gegen Vitry gewandt hatte, abgeschnitten worden, wie solches allen Gliedern der Konferenz und dem Kaiser Franz widerfuhr.