Dritte Fortsetzung

Napoleon verwarf, wie sich voraussehen ließ, die ihm von Metternich gemachten Vorschläge. Bei dieser Gelegenheit fand zwischen Beiden das berühmte Gespräch statt. Das einzige Ergebnis; dieser Zusammenkunft war, dass Napoleon in einen zu Prag abzuhaltenden Kongress willigte. Zu diesem Behuf sollte der Waffenstillstand verlängert werden. Jetzt lag dem Fürsten Metternich ob, bei den Alliierten die Annahme dieses zwiefachen Vorschlages zu bewirken, was eben keine leichte Aufgabe war, denn unsere Heere waren vollständig kampffähig gemacht und noch durch frische Truppen verstärkt worden; jeder Aufschub des Wiederbeginns der Feindseligkeiten konnte nur unseren Feinden zum Vorteil gereichen. Um darüber zu verhandeln, schlug Fürst Metternich den Alliierten eine Konferenz in dem der Herzogin von Sagan gehörigen Schloss Ratiborzig vor. Ich begab mich dorthin mit dem Fürsten Hardenberg und dem Baron Humboldt. Diese Konferenz war eine der stürmischsten, die ich je mitgemacht habe. Aber die Wichtigkeit, Österreich für den Beitritt zum Bündnis zu gewinnen, war so groß, dass man sich schließlich zur Annahme der Metternichschen Vorschläge bequemte. Dies wurde denn auch von den beiden Herrschern bestätigt, obgleich sie über die Zumutung, einen Kongress zu veranstalten und den Waffenstillstand zu verlängern, nicht weniger aufgebracht waren, als ihre Bevollmächtigten.
So musste denn zur Ernennung von Bevollmächtigten geschritten werden. Der Kaiser erwählte Herrn von Anstett, der König von Preußen den Baron W. von Humboldt, Fürst Metternich übernahm die Vertretung Österreichs. Nichts konnte ungeeigneter sein, als die von uns getroffene Wahl. Napoleon ernannte den Herzog von Vicenza und Herrn von Narbonne zu Frankreichs Vertretern. Der Kongress war nur ein leeres Blendwerk. Es fanden nicht einmal Versammlungen der Bevollmächtigten statt, sondern letztere sandten an den Fürsten Metternich ihre Anträge ein und dieser teilte sie in seiner Eigenschaft als Vermittler der Gegenpartei mit. Im Grunde wünschte eigentlich Niemand den Frieden. Nachdem einige Wochen in unnützen Verhandlungen verbracht waren, wurde der Kongress aufgelöst, der Waffenstillstand gekündigt und die Feindseligkeiten nahmen ihren Anfang.

Während des Waffenstillstandes hatte der Kaiser zu Trachenberg eine Zusammenkunft mit dem Kronprinzen von Schweden. Ich begleitete ihn auf dieser Reise. Hier wurde der Feldzugsplan festgestellt, wie er bei der voraussichtlichen Eröffnung der Feindseligkeiten zu befolgen wäre.


Die Streitkräfte der Verbündeten wurden in drei Heere eingeteilt, jedes derselben sollte aus Truppen der drei Verbündeten Mächte bestehen. Das österreichische Heer blieb allein ungeteilt, mit ihm wurde außerdem ein großer Teil des russischen Heeres und zwei preußische Korps vereinigt. Das zweite Hauptheer, dem zwei russische Heerkörper zugeordnet waren, bestand hauptsächlich aus Preußen. Das dritte, unter dem Oberbefehl des Kronprinzen von Schweden, enthielt zwei Preußische Korps, zwei russische und ein ziemlich schwaches schwedisches Korps. Die für die Vereinigung mit dem österreichischen Heere bestimmten Truppen sollten Schlesien verlassen und nach Böhmen rücken. Das zweite, unter dem Feldmarschall Blücher stehende Heer blieb in Schlesien, das dritte in den brandenburgischen Marken. Alle Heere sollten zu gleicher Zeit zum Angriff übergehen und sich gegen Napoleon wenden, der Sachsen besetzt hielt und um Dresden seine Truppen zusammenzog. Es war beschlossen, dass jede dieser Armeen, sobald sie auf überlegenere Streitkräfte stieße und von Napoleon in Person angegriffen würde, sich zurückziehen sollte, um den anderen Zeit zu geben, den Angreifern in den Rücken zu fallen. Diesem Plane gemäß wurde auch gehandelt, aber der glückliche Erfolg trat anfangs nicht in dem Grade ein, als man es erwartet hatte. Der Oberbefehl über das eigentliche und erste Hauptheer war dem Fürsten Schwarzenberg anvertraut worden. Auch der Kaiser Alexander erschien bei diesem Heer und übte ungeachtet der Anwesenheit auch der beiden andern Herrscher auf alle Unternehmungen desselben einen entscheidenden Einfluss.

Einige Tage vor Ablauf des Waffenstillstandes langte der General Moreau bei uns an. Er hatte in Folge einer von uns an ihn ergangenen Einladung Amerika verlassen, um uns seine militärischen Talente und seine reiche Erfahrung zur Verfügung zu stellen. Der Kaiser Alexander berief ihn in seinen Kriegsrat und erwartete von seiner Mitwirkung nicht unbedeutenden Nutzen. Ich hatte Gelegenheit, seine Bekanntschaft zu machen und mich einige Male mit ihm zu unterhalten. Er machte aber auf mich nicht den Eindruck, den ich erwartete, sein Ruhm schien mir sein Verdienst zu überragen (je ne le trouvais pas à la hauteur de sa renommée).

Um dieselbe Zeit stellte sich auch der General Jomini bei uns ein, der Verfasser mehrerer sehr wertvoller militärischer Werke. Schon vor einigen Jahren hatten wir ihn für unsern Dienst gewinnen wollen. Als ich bei der Pariser Gesandtschaft war, hatte ich ihm Anträge machen müssen. Er hatte sie günstig aufgenommen und war schon damals Willens, seinen Dienst in Frankreich aufzugeben und nach Russland zu kommen. Verschiedene Umstände und ein wenig Unentschlossenheit von seiner Seite hatten den Plan nicht zur Ausführung kommen lassen. Kaiser Alexander empfing ihn mit großem Wohlwollen und ernannte ihn zum General-Adjutanten. Als er ihm den Plan des Feldzuges mitteilte, riet Jomini, einige Abänderungen zu machen, die sich in der Folge auch als vollkommen begründet erwiesen.

Während die nötigen Vorbereitungen zum Einrücken in Sachsen getroffen wurden, begab sich Kaiser Alexander nach Prag, wohin ich ihn begleitete. Wir trafen in Kommotau wieder beim Heere ein, welches sich dann sogleich in Bewegung setzte. In zwei Tagesmärschen hatten wir die Höhen, die Dresden umgeben, erreicht. Kaiser Napoleon, von seinen Kundschaftern schlecht unterrichtet, hatte von dieser Vereinigung russischer Korps mit dem österreichischen Heere nichts erfahren und war über die Elbe nach Schlesien gegangen, um Blücher anzugreifen. So waren wir also unter den günstigsten Umstanden vor Dresden angekommen. Leider ging durch das Zaudern Schwarzenbergs, das wir auch bei späteren Gelegenheiten zu beklagen haben sollten, die zum Angriff gelegenste Zeit verloren. Man entschloss sich dazu erst nach 24 Stunden, als Napoleon, von unserm Heranrücken in Kenntnis gesetzt, seinen Zug gegen Blücher aufgegeben und mit einem Teil seines Heeres herbeigeeilt war. Die Folge davon war, dass unser Angriff vollständig misslang und wir gezwungen wurden, uns auf Wegen nach Böhmen zurückzuziehen, welche durch den während der ganzen Dauer des Kampfes stromweise herabschießenden Regen grundlos geworden waren. Wir hatten den Verlust des Generals Moreau zu beklagen, dem an der Seite des Kaisers Alexander eine Kugel, die aus einer von Napoleon selbst gerichteten, vor dem Marcolinischen Palais aufgepflanzten Kanone abgeschossen war, beide Beine wegriss. Unser Rückzug erfolgte in ziemlicher Unordnung, wir hatten das Gebirge zu übersteigen, durch das nur ein benutzbarer Weg führte, nämlich die schone Chaussee von Peterswalde nach Teplitz. Auf diesem Wege machte das Gardekorps seinen Rückzug. Wenn Napoleon uns eifriger verfolgt hätte, so hätte er Teplitz vor uns erreichen und uns dann den Rückzug abschneiden können. Er beauftragte den Marschall Vandamme mit der Verfolgung, ohne ihn dabei hinreichend zu unterstützen. Unsere Garde fasste endlich bei Kulm festen Fuß und schlug den ersten heftigen Andrang zurück. Als unterdes auch andere unserer Heeresteile vom Gebirge herabgestiegen waren, schritt man unsererseits zum Angriff vor. Ein preußisches Korps unter dem General Kleist, das über Nollendorf gezogen war, fiel dem feindlichen Heer in die Flanke und entschied die Schlacht. Vandamme erlitt eine vollkommene Niederlage. Er selbst und einer der ausgezeichnetsten Ingenieure des französischen Heeres, General Haxo, gerieten in Gefangenschaft. Die ganze feindliche Artillerie fiel in unsere Hände. Dieser herrliche Sieg richtete unsern gesunkenen Mut wieder auf und befreite uns von aller durch die misslungene Unternehmung auf Dresden erzeugte Missstimmung, hob auch die zwischen Russen und Österreichern herrschende Spannung, die sich schon in heftiger Weise zu äußern begonnen hatte. Wir hatten leider hinlänglich Grund, ihnen zu zürnen, denn ein österreichisches Korps von 15.000 Mann unter Meczko hatte, ohne auch nur einen Schuss zu tun, die Waffen gestreckt. Das Glück wandte sich uns wieder von Neuem zu, denn während wir den Sieg bei Kulm errangen, schlug Blücher den Marschall Macdonald in der Schlacht an der Katzbach, wobei sich eine Division russischer Husaren unter dem Fürsten Wassilschtschikoff auszeichnete. Zwei Tage darauf erhielten wir die Nachricht von dem Siege der unter dem Kronprinzen von Schweden stehenden Nordarmee bei Großbeeren. Die preußischen Generale der Nordarmee, Bülow und Tauentzien, erfochten bei Dennewitz einen Sieg.