Suez und Napoleon

Erst am andern Morgen hatte ich Gelegenheit, die wahrhaft schreckliche Gestalt und Umgebung dieser sogenannten Stadt in Augenschein zu nehmen. Sie besteht aus ungefähr 600 Häusern und Erdhütten, die nicht einmal alle bewohnt sind, zählt mit der hier stehenden Compagnie des ägyptischen Militärs noch immer nicht 1.400 Einwohner und liegt in einer Gegend, deren farblose Öde und niederdrückende Traurigkeit ihres Gleichen nicht hat. In der Tat, das Totenbild dieser unglücklichen Stadt lässt sich kaum beschreiben. Kein Gräschen entsprosst dem heißen harten Kalk- und Sandboden, kein Baum erfreut das Auge, kein Vogel belebt die Luft, Alles ist still, öde, heiß, hart, Grau in Grau, und wohin der geängstete Blick sich wendet: Sand, Kalktrümmer, Staub, nackte scharfe Felsen; ja die Wüste erstreckt sich sogar bis innerhalb der Stadtmauer. Ein Ort zur Verzweiflung. Hier war natürlich unseres Bleibens nicht, und so setzten wir denselben Morgen (den 19. Oktober) noch in einer Barke über den Arm des roten Meeres, wie man uns versicherte, an derselben Stelle, an welcher Moses sein Volk hindurchgeführt hatte, als das Meer zu beiden Seiten stand, wie eine Wand, und an welcher der nachsetzende Pharao mit Rossen und Reitern ertrank. Man kann zur Zeit der Ebbe, wenn ein starker Nordwestwind die Fluten nach Süden treibt, den Meeresarm durchreiten oder zu Fuß durchwaten; springt aber der Wind nach Südost um, dann treibt er die Gewässer nordwärts, die dann in Kurzem sechs bis neun Fuß steigen. Die Schiffer erzählten uns, dass Napoleon im Februar des Jahres 1799 auf seinem kühnen Zuge von Kairo nach Syrien durch die Wüste hier fast das Schicksal des Pharao gehabt. Er wollte nördlich von Suez durch den Meeresarm reiten, der plötzlich südlich umgeworfene Wind wälzte ihm Welle auf Welle zu, und die Rettung gelang ihm nur mit großer Mühe. Damals soll er lakonisch gesagt haben: „Es wäre ein interessanter Text für alle Prediger gewesen, wenn ich hier, wie Pharao, ertrunken wäre.“