Kairo

Kairo, oder El Kahira, die „Siegreiche.“ von den Arabern „Masr,“ der schöne Ort, genannt, liegt auf dem rechten Ufer des Nil, mit welchem es durch einen Kanal verbunden ist, und zerfällt in drei Hauptteile: in die Vorstadt Bulak mit dem Haupthafen, in das alte Kairo (Fostatt), das östlich, und in das eigentliche Kairo oder Groß-Kairo, das nördlich von Bulak liegt. Das alte Kairo bildet den zweiten Hafen der Hauptstadt. Diese, die größte und volkreichste in ganz Afrika dehnt sich in einer sandigen Ebene zu einem Umfange von drei Stunden aus. Allein das Innere ist bei weitem nicht ganz von Gebäuden, Straßen und Plätzen eingenommen; man findet große Gärten, wüste Plätze und Trümmerhaufen, auf denen erst nach und nach die Paläste prangen werden, welche die Baulust und Verschönerungssucht des Vizekönigs hierher bestimmt hat. Aus der Ferne gewährt Kairo kein schönes Bild; von Bulak aus gesehen, erschien es uns wie ein Haufe verworrener Mauern und Häuser, aus denen kein ausgezeichnetes Gebäude hervortrat, dem Auge einen Stützpunkt zu bieten. Der Straßen sind eine ungeheuere Menge, aber sie sind, wie in allen türkischen Städten, schmutzig, ungepflastert, krumm und zum Teil so eng, dass ein Reiter Mühe haben würde, durchzukommen. Die Atmosphäre in denselben ist erstickend, das Gedränge unbeschreiblich, so dass man sich nur mit der größten Anstrengung hindurch arbeiten kann. Bald begegnet man einem Zuge beladener Kamele, bald einer Karawane vornehmer Herren und Damen auf Pferden und Maultieren; hier muss man einem Haufen Soldaten ausweichen, welche die in der Stadt zerstreuten Wachen ablösen, dort sich vor einer Kavalkade von Esels-Rittern in Acht nehmen, überall ist man in Gefahr, umgestoßen und zerdrückt zu werden. Und bei aller scheinbaren Unordnung in dem Straßengewühle geschieht doch selten ein Unfall, weil man fast bei jedem Schritte auf einen warnenden Ausrufer stößt. Zum lauten Ruf derselben kommt das von allen Seiten ertönende Warenaufgebot der Verkäufer, das Geschrei der im Gedränge gestoßenen und getretenen Kinder, das Vokalkonzert der Esel und Hunde, und alle diese verschiedenartigen Laute ballen sich in ein nimmer endendes ohrzerreißendes Getöse zusammen. Kein Wunder bei einer Bevölkerung von 500.000 Einwohnern der verschiedensten orientalischen und europäischen Nationen, die in den drei Teilen der Stadt wohnen! Die Straßen Kairos sind in Quartiere abgeteilt, und diese durch Tore verschlossen; jede Nation hat ihr eignes; unter allen zeichnet sich das der Juden durch Unreinlichkeit und schlechte Bauart aus. Die Häuser der geräumigen Straßen, die nach öffentlichen Plätzen und den Bazars führen, welche letztere zum Schutz gegen die Sonne mit Dächern überbaut sind, bestehen aus Backsteinen und sind oft zwei bis drei Stockwerke hoch. Ihre sehr kleinen Türen und ihr gänzlicher Fenstermangel nach der Straße zu lassen aber eher Gefängnisse als menschliche Wohnungen in ihnen vermuten. Alle Pracht ist für das Innere aufgespart, doch hat es mir nicht gelingen wollen, in einem derselben Zutritt zu erhalten.

Mein erster Gang mit dem Musikdirektor Hempel war nach der Zitadelle oder dem Residenzschlosse des Vizekönigs. Es liegt nordöstlich von Kairo auf einem Felsen, der zum Mokattamgebirge gehört und eine Verlängerung desselben ist. Die Mauern sind von beträchtlicher Höhe und von Häusern umgeben, welche meist in Ruinen zerfallen und unbewohnt sind. Die zum Schlosse führenden Wege sind in Felsen gehauen, aber eng und so steil, dass man an mehreren Stellen hat Stufen anbringen müssen, um das Hinaufsteigen zu erleichtern. Auf der Burg angelangt, tritt man durch ein mit ungeheueren eisenbeschlagenen Flügeltüren versehenes Tor, zu dessen Seiten zwei Türme sich erheben, wieder ins Freie und durch ein andres erst in die eigentliche Zitadelle. Am Eingange links in einem Käfige befanden sich acht männliche, in einem andern zwei weibliche Löwen, auf dem Vorhofe ging ein junger Elefant frei herum. Diese Bewohner der Wüste imponieren dem eintretenden Fremdlinge. Für die Mühe der beschwerlichen Wanderung entschädigt die herrliche Aussicht, die man auf die ungeheuere Stadt, auf die vom Nil in tausend Windungen durchschlängelte Umgegend und ans die majestätisch aus dem Sande der Wüste hervorragenden Pyramiden genießt. Die Gebäulichkeiten der Zitadelle bieten wenig Interesse. Der Palast des Pascha, ein riesiges teilweise in Ruinen liegendes Gebäude, steht beinahe am Ende derselben, an den Mauern des Walles und zeichnet sich nur durch den großen prachtvoll geschmückten Saal aus, in welchem der Divan sich versammelt; die übrigen Gebäude sind Trümmer, deren frühere Bestimmung man gegenwärtig nicht mehr kennt. Nördlich von diesen verfallenen Bauwerken gelangt man zur größten Merkwürdigkeit des Schlosses, zum Josephbrunnen. Eine sanft absteigende sechs bis acht Schuhe breite Wendeltreppe führt 140 Ellen tief in den Felsen hinab. In dieser Tiefe befindet sich ein großer Wasserbehälter, dessen klares Nass eine von Ochsen oder Kamelen in Bewegung gesetzte Maschine in daran befestigten kleinen Eimern und irdnen Krügen zu Tage fördert. Der Sage nach soll Joseph diesen Brunnen haben graben und das Wasser des Nils hineinleiten lassen, andre machen, ihn zu einem Werke des Sultan Saladin, der auch zugleich als Erbauer der Burg genannt wird.


Ich würde zu weitläufig werden, wollte ich den Leser mit einer genauen Beschreibung der modernen Paläste hoher Staatsdiener, der prächtigen Bazars, der Kaufhäuser und Warenniederlagen, der Bade- und Kaffeehäuser unterhalten; sie sehen sich in türkischen Städten ziemlich ähnlich, und selbst der Sklavenmarkt Kairos bot mir dasselbe Bild des Jammers wie der zu Alexandrien — Die Ruinen aus Kairos Vorzeit sind den Gelehrten ein Rätsel, was hätten sie mir weniger sein sollen? Ich habe sie gesehen, unbekümmert um ihre frühere Bestimmung, und nicht danach gefragt, da ich Wichtigeres zu tun hatte, nämlich Proviant zu kaufen für die Weiterreise nach dem Sinai.

Nach einem Aufenthalte von sieben Tagen, während welcher wir die Merkwürdigkeiten der Stadt und Umgegend besehen, unsre Papiere in Ordnung gebracht, uns mit Proviant versehen, unsre ledernen Schläuche mit dem süßen Wasser des Nil gefüllt und uns ein altes Zelt, ein Haus für die Wüste, angeschafft hatten, verließen wir am 15. Oktober in der ersten Frühe Groß-Kairo mit acht Kamelen (die Hälfte diente zum Reiten, die andre zur Fortschaffung des Gepäckes und der Lebensmittel) und schlugen die Wüstenstraße nach Suez am roten Meere ein. Die Vorbereitungen zur Reise hatten wirklich mehrere Tage lang unsre ganze Tätigkeit in Anspruch genommen. Ich hatte die letzte Nacht wenig geschlafen und befand mich in einer frohen Aufregung. Es war ja meine erste Wüstenfahrt, und welch' ein Ziel schwebte mir vor!