Der Katharinenberg mit dem Katharinenkloster

Dem Sinai gegenüber ragt der Katharinenberg, der höchste unter den Nebenbergen des Sinai. Am Fuße desselben liegt ein halb verfallenes und unbewohntes Kloster, Erbayin genannt. Zwischen ihm und dem Katharinenkloster stießen wir am Ausgange des Wadi Raha oder Boston auf eine kleine Klosterruine, el Bostan genant. Dergleichen Klosterruinen gibt es noch viele im Gebirge, die ich jedoch nicht gesehen habe. Wegen des äußerst schlechten Zustandes der Wege ist der Katharinenberg nur mit großer Mühe zu besteigen. Zwischen dem Sinai und dem Katharinenberge zieht sich das reizende mit Ölbäumen und Südfrüchten angebaute und mit einzelnen Hütten geschmückte Bostantal hin, an welches das steinige Erbayenthal mit dem gleichnamigen verlassenen Kloster stößt. Aus einem Felsen am Ausgange des Bostantals springt noch heutiges Tages die Quelle, welche Moses einst mit seinem Stabe daraus geschlagen haben soll und deren Wasser bis in das Kloster geleitet ist.

Das Klima des Klostertales ist nicht gesund, im Sommer drückend heiß, im Winter eben so kalt. Zwischen zwei sehr hohen Gebirgen liegend, wird es zur Winterszeit täglich nur 3 Stunden, von 11 bis 2 Uhr von der Sonne beschienen. Daher kränkeln die Mönche fast das ganze Jahr hindurch, doch befand sich einer unter ihnen, der schon 40 Jahre in dieser Einöde lebte. Nächst den klimatischen Einflüssen mag das viele Fasten und die sonstige körperliche Lebensart der Mönche sehr zu ihrem kränklichen Aussehen beitragen*). Ihre Regel ist streng und der Genuss des Fleisches ihnen durchaus untersagt. Zu ihrer Nahrung dienen getrocknete Fische, Butter, Käse, Reis und getrocknete Früchte. Unser Frühstück bestand gewöhnlich aus Butter, Käse, Datteln, abgesottenen Mandeln und einem Glas Kristallwasser. Es wurde schon am Abende zuvor bereitet, weil wir früh, ehe noch der Gottesdienst vollendet war, auf die Jagd gingen, die größtenteils unsre einzige Beschäftigung war. Während der zehn Tage, die wir im Kloster zubrachten, schossen wir zwei Steinböcke, mehrere Rebhühner, Tauben und anderes Geflügel. Wir ließen uns dieselben zubereiten, und einige Mönche schlugen es nicht aus, unsre Tischgäste zu sein, und aßen, unbekümmert um die Fasten und die Ordensregel, von den verbotenen Gerichten, jedoch nicht eher, als bis sich alle Übrigen entfernt hatten.


*) Im direkten Widerspruche mit dieser Angabe stehen die Berichte anderer Besucher des Sinai. So sagt Döbels gelehrter Gönner, der Hofrat G. H. von Schubert, der zu Anfang März 1837 eine Woche im St. Katharinenkloster zubrachte, im zweiten Bande seiner ,,Reise in das Morgenland:“ „Die Höhe der Lage über dem Meere, die Beschaffenheit der Gebirge und der nicht ganz unbedeutende Zufluss des Wassers, auch außer der Zeit des Regens und des tauenden Schnees, durch einzelne Quellen, gibt dem Klima der Sinaitäler eine so wohltätige Beschaffenheit, dass man den Aufenthalt im Kloster mit Recht den in Kairo wohnenden Fremden als den zuträglichsten während der heißen Zeit des Jahres empfiehlt. Im Winter sind die Berggipfel zuweilen wochenlang mit Schnee bedeckt, selbst im Klostertale fällt dann nicht selten Schnee, der aber freilich alsbald wieder hinwegtaut. Im Sommer, während der heiße Samum die Ebene am Meere mit seinem Glutstrome erfüllt, ist die Luft im Tale des Klosters noch immer sehr gemäßigt; in der letzten Hälfte des Nachmittags breitet der Horeb über dasselbe seinen erfrischenden Schatten, und ein kühlender Luftzug streicht dann hindurch. Einzelne Erdstöße werden zuweilen auf den Felsenhöhen bemerkt, während das Kloster selber keine Zerstörungen von Erdbeben erleidet. Die Pest kommt nie hierher; die Mönche genießen, bei hohem Alter, einer dauerhaften Gesundheit.“ — In Betracht der Umstände bin ich sehr geneigt, dem berühmten Naturforscher und Arzt v. Schubert hier mehr Glauben zu schenken, als dem Wagnergesellen Döbel. D. H.

Am Tage vor unsrer Abreise beschenkten uns die Vorsteher des Klosters mit einer Ziegenhaut voll Datteln und einem Sacke voll Granatäpfel, außerdem erhielten wir Brod, Käse und einige Flaschen Goldwasser, wofür wir ihnen Gegengeschenke machten, teils in Geld, teils in kleinen Utensilien. So beschenkte ich einen aus der Wallachei gebürtigen Mönch, mit dem ich mich am meisten unterhalten hatte, weil ich das Wallachische besser sprechen konnte, als das Griechische, beim Abschiede mit einem Taschenmesser, um welches er mich gebeten hatte. Zum Dank dafür hatte er mein Kamel heimlich mit einem Sacke voll Mandeln und Granatäpfeln beladen, die mir auf der Rückreise herrliche Dienste leisteten.

Am Morgen des 6. November brachten uns die Mönche das Stammbuch des Klosters, um unsre Namen einzuschreiben. Unter vielen andern fanden wir nur die Namen von zehn Europäern. Nachdem wir auch die unsrigen hinzugefügt hatten, verließen wir 2 Uhr Nachmittags mit dem innigsten Dank für empfangene Gastfreundschaft das Kloster und traten unsre Reise nach dem Dorfe Tor am Roten Meere an, das drei Tagereisen vom Sinai entfernt ist. Ich hatte vor dem Kloster noch eine Weile mit dem wallachischen Mönche geplaudert, während die andern schon eine Strecke vorausgeritten waren.