Auf Irrwegen

Wir waren eben mit dem Aufschlagen unsres Zeltes beschäftigt, als ein Beduine auf einem Kamele zu uns stieß und uns Datteln zum Verkaufe anbot. Sein Erscheinen kam uns verdächtig vor, doch kauften wir ihm etwas ab und ließen ihn seine Straße weiter ziehen. Nichtsdestoweniger musste einer nach dem andern des Nachts Wache halten. Am andern Morgen zogen wir mit frisch gefüllten Wasserschläuchen versehen weiter. Bald führte unser Weg in ein enges, etwa drei Stunden langes Tal, dessen einschließende Berge mit Gebüsch bewachsen waren, in dem sich, wegen der Nähe der Quelle Tiere und Vögel aufhielten. Wir stiegen von unsern Kamelen, um Jagd auf sie zu machen. Nach etwa einer Viertelstunde blieb unser württemberger Reisegefährte zurück, um einen geschossenen Vogel im Gebüsch zu suchen. Sein Kameltreiber blieb einige Zeit darauf stehen, um ihn zu erwarten; wir aber gingen weiter in der Hoffnung, dass er uns bald nachkommen würde. Eine halbe Stunde später hörten wir zwei Schüsse, aber wir verfolgten unsern Weg in der Meinung, dass Köllner uns nachfolge. Schon waren wir eine Meile weit geritten, aber er kam immer nicht, auch dann noch nicht, als wir an einem einsamen, mit steilen Felsen umgebenen und mit Gebüsch bestandenen Plätzchen über eine Stunde gewartet hatten. Wir dachten an den Beduinen, der uns gestern Abend die Datteln verkauft hatte, und kamen auf die Vermutung, dass dieser uns gleich verdächtige Mensch vielleicht mit unsern Kameltreibern einverstanden sein könne und auch uns Gefahr drohe. Sogleich nahmen wir unsre Gewehre von den Kamelen, luden sie mit Kugeln, so dass wir 14 Schüsse tun konnten, und ließen die Kameltreiber durch unsern Dolmetscher bedeuten, dass keiner lebend von der Stelle komme, wenn unser Gefährte nicht wiederkehre und sie mit dem Beduinen, der uns die Datteln verkauft, in Verbindung ständen. Zu gleicher Zeit nahmen wir ihnen ihre Gewehre ab, die uns ohnedies nicht viel hätten schaden können, da sie kein Schloss, sondern nur eine Pfanne hatten und mit der Lunte abgefeuert werden mussten. Darüber gerieten sie in großen Schrecken. Sie warfen sich vor uns auf die Knie nieder und flehten Gott um Hilfe an — „Gott weiß es,“ rief der Eine, „wir sind unschuldig.“ Hierauf schickten wir unsern Dolmetscher zurück, um den Verlorenen zu suchen. Wir mochten wohl wiederum eine Stunde in ängstlicher Spannung gewartet haben, als wir abermals einen Schuss hörten. Nun glaubten wir sicherlich, dass wir auch unsern Achmed verloren hätten, und unser Schrecken darüber war nicht gering. Indessen hatte ein Kameltreiber einen Felsen bestiegen, von welchem aus er eine große Strecke des Tals übersehen konnte. Von dort berichtete er, dass der Dolmetscher allein zurückkehre. Und so war es. Achmed verkündete uns, dass er, an der Stelle, wo wir den Kameltreiber des Verlorenen verlassen, seine Pistole abgefeuert habe, um dem Verirrten ein Zeichen zu geben und dann, als auf diesen Schuss keine Antwort erfolgt, umgewandt sei. Doch merkten wir an seinen Worten und vor Allem aus seiner zu schnellen Rückkehr, dass er aus Furcht nicht bis zu dem beschriebenen Platze gekommen war. Unterdessen sahen wir Köllners Hund, der bei ihm zurückgeblieben war, im schnellsten Laufe auf uns los eilen, doch sehr traurig werden, als er, ringsum suchend, seinen Herrn nicht bei uns fand. Dieser Umstand fiel uns sehr auf und machte uns um so unruhiger, je unerklärlicher er uns war. Jetzt blieb uns nichts weiter übrig, als unsre Kameltreiber in die Gegend zurückzuschicken. Sie waren jedoch kaum eine halbe Stunde fort, als sie mit der für uns höchst erfreulichen Nachricht zurückkamen, dass der Verlorene samt seinem Kameltreiber sich auf dem rechten Wege zu uns befände. Bei uns eingetroffen, erzählte er, sogleich nach seinem Zurückbleiben sei er, durch frischen Kamelkot verführt, auf einen falschen Weg geraten. Bald jedoch habe er seinen Irrtum eingesehen und einen Felsen erklimmt, um sich nach uns umzublicken. Durch einen Fehltritt sei er gestürzt, und im Fallen habe sich seine Doppelflinte entladen, deren beide Schüsse uns vermuten ließen, dass er von Räubern angefallen worden sei. Bei diesem Ereignis hatte er seinen Hund verloren, der dem Geruche der Kamele nachgegangen war und etwa nach zwei Stunden zur Gesellschaft kam. Köllner war nun, als er von der Klippe aus nichts von uns gesehen, noch einige Zeit in der Irre gelaufen, bis er an eine einzelne Hütte gelangte, vor welcher ein arabisches Weib saß. Dieser hatte er sich verständlich gemacht und war von ihr auf den rechten Pfad zurückgewiesen worden, woselbst er auch seinen Kameltreiber fand, der ihn in der ganzen Umgegend gesucht hatte. Sein Wiedererscheinen nahm uns eine große Last vom Herzen. Wir verließen nun das Vorgebirge und traten über eine mehrere Stunden breite Sandebene, durch welche es vom Urgebirge getrennt ist, in das letztere, welches meist aus Syenit besteht. Die Berge bauen sich hier hinter und über einander in wahrhaft grausiger Wildheit. Ihre Felsenhörner und Zacken, ihre senkrechten Wände und galerieartigen Absätze üben einen düstern und niederdrückenden Einfluss auf Auge und Gemüt des Reisenden. Die Täler sind oft schaurig eng und steil. Die Nähe des Gebirgsstocks tut sich immer mehr kund. Der Beschwerlichkeit des Weges halber wird in einer Tagereise eine weit geringere Strecke zurückgelegt, als früher. Die Kamele nehmen einen immer trägem Gang an.