Des Wagnergesellen G. Ch. Döbel Wanderungen im Morgenlande. Band 2

Reise nach dem Sinai
Autor: Storch, Ludwig (1803-1881) deutscher Dichter, Schriftsteller und Herausgeber, Erscheinungsjahr: 1834
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reisen, Wanderungen, Orient, Morgenland, Alexandrien, Sinai, Kairo, Niel, Rotes Meer, Pyramiden, Sittenbild, Sehenswürdigkeiten, Sinai, Berg Moses
Die Reisegefährten. — Der Kanal Mahmudie. — Der Nil. — Nackte Männer und Kinder. — Langsamer Gang des Schiffes. — Jagd. — Die neue Nilbrücke. — Bulak. — Kairo. — Ein Thüringer aus Waltershausen. — Physiognomie von Kairo. — Gedränge und Getöse in der Stadt. — Die Zitadelle und das Schloss des Vizekönigs. — Der Josephsbrunnen. — Aufbruch. — Die Wüste. — Suez. — Das rote Meer. — Das steinige Arabien. — Der Mosesbrunnen. — Der Brunnen Howara. — Wadi Charendel. — Wadi Ossayta. — Wadi Mokkateb. — Der dritte Brunnen. — Verirrung eines Reisegefährten. — Das Hauptgebirge. — Anblick des Sinai und des St. Katharinenklosters. — Guter Empfang von den griechischen Mönchen. — Das Kloster. — Der Garten. — Marsch um den Sinai. — Der Horeb und der Sinai. — Das Bostantal. — Der Katharinenberg. — Abreise vom Kloster, — Der wallachische Mönch. — Wadi Slaf. — Der Serbal. — Tor. — Das Wadi. — Jagd-Ungeschicklichkeit des schwedischen Naturforschers. — Ein Unglück. — Sammeln von Naturmerkwürdigkeiten. — Krankheit des Württembergers. — Schlechtigkeit und Unwissenheit des Schweden. — Rückreise von Tor und Suez. — Backkunst der Beduinen. — Ebene Kaa. — Wadi Nasseb. — Der Wasserbeutel. — Sandsturm. — Überfahrt über den Meerbusen. — Kriegsschiffe, — Suez. — Ägyptische Militärzüge in der Wüste. — Das Kamel. — Versteinertes Holz. — Heftiger Streit zwischen dem Schweden und dem Württemberger. — Ankunft in Kairo.
Die mir vorgeschlagene Reise nach dem Sinai war ganz nach meinem Geschmacke, und ich verließ deshalb sehr vergnügt in Gesellschaft des Württembergers Köllner, des schwedischen Naturforschers und eines Dolmetschers, Namens Achmed, Janitschaaren des österreichischen Generalkonsuls, am 3. Oktober 1833 Alexandrien, indem wir uns auf dem Kanal Mahmudie einschifften. Dieser berühmte und großartige Kanal ist ein Werk Mehmed Alis, bei dessen Bau mehr als 50.000 Menschen teils durch die Hitze, teils durch Anstrengung und Misshandlung ihr Leben verloren haben. Er ist etwa 12 Fuß tief und acht deutsche Meilen lang und bestimmt, Alexandrien mit Kairo in Verbindung zu bringen.

Nach einer sehr langsamen Fahrt langten wir in einem kleinen an einem Arme des Nil gelegenen Dörfchen an, wo die Schiffe gewechselt wurden. Das neue Schiff brachte uns auf den Nil, in welchem nackte Menschen und gewaltige Büffel in zahlloser Menge mit einander badeten. Die Jugend beiderlei Geschlechts lief auch nackt an den Ufern umher; sie zieht erst mit dem Antritte des fünfzehnten Jahres Kleider an. Unser Schiff geriet öfter auf Sandbänke, wurde aber sogleich wieder von den Matrosen, die nackt in den Fluss sprangen, befreit. Die auf unserm Schiff befindlichen Frauen schienen an den Anblick nackter Männer gewöhnt zu fein. Öfter hatten wir gar keinen Wind, so dass die Matrosen das Schiff stromauf ziehen mussten. Wir stiegen unterdessen ans Land und machten im Uferschilfe Jagd auf Wasservögel und andre Tiere. Gegen Abend erhob sich der Wind, wir gingen wieder unter Segel und entfernten uns immer weiter aus der anmutigen Gegend, die einem Getreidemagazine glich, das auch noch mit verschiedenen andern Früchten reichlich angefüllt ist. Am vierten Tage kamen wir in eine unübersehbare Ebene. An den Ufern des Nil lagen etwa zwölf ärmliche Dörfer, in deren Nähe wir die Maschinen sahen, welche das Wasser aus dem Nil pumpen, um das von Gräben durchschnittene Land zu bewässern. Sie werden teils durch Ochsen oder Maultiere, teils durch nackte Menschen getrieben, die zu arm sind, um sich Vieh für die Besorgung dieses Geschäftes zu halten.

Am fünften Tage erblickten wir in weiter Ferne am Horizonte die Pyramiden von Gizeh gleich kleinen Bergen, und landeten noch einmal am linken Nilufer, um aus einem Dörfchen die Schwester unsres Kapitän an Bord zu nehmen. Über die beiden Nilarme, die hier das sogenannte Delta bilden, und von denen einer bei Damiette, der andre bei Rosette mündet, wurde eben eine Brücke gebaut, die wenn sie nach der Angabe vollendet wird, ein Wunderwerk der neuem Zeit genannt werden dürfte. Den Plan dazu hat ein Franzose, ein St.-Simonist, dem Pascha vorgelegt, und dieser hat ihn nach London geschickt, um ihn von zwölf der berühmtesten Ingenieurs prüfen zu lassen. Die eine Hälfte derselben hielt die Ausführung für möglich, die andere für unmöglich, und der Pascha ließ rüstig fortarbeiten. Wir sahen eine ungeheuere Menschenmenge eben mit der Ausführung beschäftigt.

Nachmittags liefen wir in den Hafen von Bulak ein, einem etwa eine kleine Stunde von der Hauptstadt entfernten und als Vorstadt derselben betrachteten Flecken, der sich durch die schöne europäische Bauart seiner Häuser auszeichnet. Auf vorzüglich starken und rührigen Eseln, die hier wie in Alexandrien die Stelle der Fuhrwerke ersetzen, ritten wir in die Tore Kairos und kehrten in der Wohnung eines Griechen ein. Abends bei Tische fand ich hier zu meiner freudigsten Überraschung einen thüringischen Landsmann, den Direktor der Musikchöre des Vizekönigs, Herrn Hempel aus Waltershausen, dem mir durch Freud und Leid so lieb gewordenen freundlichen Bergstädtchen am nördlichen Fuße des malerischen nordwestlichen Thüringerwaldes. Unsre beiderseitige Freude war sehr groß, und die teuere Heimat, die natürlich den ganzen Abend über Gegenstand unsrer Unterhaltung blieb, trat in hellen süßen Bildern vor unsre Seele. In Hempels Begleitung besah ich mir am folgenden Tage die Merkwürdigkeiten der Stadt.
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