Des Vollbartes Heiligkeit bei den Moslemimen

Nach der Mitteilung eines Renegaten
Autor: Redakteur: F. v. Suckow, Erscheinungsjahr: 1844
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Moslime, Bart, Araber, Türken, Ritual, Glauben, Religion
Die Araber und Türken hegen eine große Ehrfurcht gegen ihren Bart. Sie sagen, dass sie solchen als ein heiliges Zeichen von Gott erhalten hätten, um sich von dem weiblichen Geschlecht zu unterscheiden. Sie scheren ihn niemals und lassen ihn von Jugend auf beständig wachsen in seiner ganzen Fülle. Es ist unter ihnen kein größeres Merkmal der Unehrlichkeit, als wenn man ihn abschneiden lässt. Er ist ein Hauptzeichen ihrer Religion, weil ihn Mahomet niemals abgeschnitten hat. Der Bart ist ein Zeichen des freien Mannes, und sie halten darum die Perser für Ketzer und Sklaven, weil sie ihn beschneiden und auf den Backen wegscheren.

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Auf des Großtürken oder Altgläubigen Gesicht kommt niemals ein Schermesser. Dagegen müssen sich alle Beamte des Serails den Bart abschneiden, zum Zeichen ihrer Dienstbarkeit. Sie lassen diesen nicht eher wachsen, bis der Sultan ihnen die Freiheit dazu gibt, die als eine Belohnung angesehen wird und jederzeit mit einem Amte außer dem Serail verbunden ist. Der Bostangi Bachi ist der Einzige, welcher die Erlaubnis hat, einen vollen Bart zu tragen. Er ist das Oberhaupt der Gärtner, und muss allezeit um die Person des Sultans sein, wie ein Capitain der Leibgarde um seinen Fürsten. Wenn der Türke und Araber seinen Bart kämmt, legt er jedesmal ein Schnupftuch unter, dass auch kein Härchen auf die Erde fallt, wickelt sie sorgfältig in Papier, und trägt sie auf den Kirchhof und begräbt sie, wenn er eine Anzahl beisammen hat.

Wenn einem Moslemimen der Bart abgeschnitten wird, so ist ihm das eine weit größere Schande, als wenn ein Franke mit Ruthen gestrichen wird oder das Brandmark bekommt. Ein Moslemim wählt lieber den Tod, als dass er sich des Bartes berauben lässt. Ein Beduine hatte im Kampf gegen die Wechabiten einen Schuss in die Backe bekommen. Er wollte lieber sterben, als zulassen, dass ein Wundarzt ihm den Bart abschnitt, um ihn zu verbinden und zu heilen. Endlich, als er Würmer in der Wunde spürte und den Brand fürchtete, ließ er sich das Abscheren gefallen, doch schämte er sich sehr und hielt sich versteckt vor Menschen. Wenn er ins Freie gehen musste, bedeckte er das ganze Gesicht mit einem schwarzen Tuche. Dies trieb er so lange, bis ihm der Bart wieder völlig gewachsen war.

Wenn der Moslemim sich verheiratet hat oder Vater geworden ist, lässt er sich das Haupt scheren, doch der Bart bleibt unangetastet. Nie darf er sich in der Folge auch nur ein Haar von demselben abscheren lassen, will er nicht wider seinen Glauben und seine Ehre handeln, ja, er würde vor Gericht gezogen und wie ein Verbrecher und Abtrünniger bestraft werden, wenn er sich dies erlaubte.
Die Weiber küssen ihren Männern den Bart, und die Kinder ihren Vätern, wenn sie dieselben ehrerbietig grüßen wollen. Männer küssen einander auf den Bart, und zwar auf beiden Seiten, wenn sie einander auf der Straße grüßen oder von einer großen Reise zurückkehren.
Wenn der Moslemim Jemand erblickt, der sich den Bart geschoren hat, so verflucht er ihn mit den Worten: „Du Fluch Gottes sei über Deinen Vater, der ein so unvollkommenes Gesicht erzeugt hat!“ Sie sagen, der Bart mache die Vollkommenheit des Gesichts aus, und dasselbe würde nicht so entstellt, wenn man statt des Bartes die Nase abschnitte.
Wenn der Türke eines alten Franken ansichtig wird, der den Bart geschoren hat, so erzürnt er sich sehr darüber und sagt: „ist das nicht ein Galeerensklave? Er wird m seinem Lande zum Schelm gemacht worden sein, und kommt deshalb zu uns, um seiner Schande zu entfliehen.“ Oder: „seht doch den alten Sünder, der sich wie ein junger Kerl anstellt, damit ihn die Mägdelein lieb haben sollen; man muss sagen: die Sünde währt so lange, wie das Leben; kann wohl etwas in der Welt einem alten Affen ähnlicher sehen, als wie dieses Gesicht?“ u. d. m.
Dagegen verwundert er sich über denjenigen, der einen schönen Bart hat und beneidet ihn. „Ei, seht doch“, spricht er: „man darf nur diesen Bart ansehen, so weiß man schon, dass er ein ehrlicher Mann ist und Gottes Gnade mit ihm sei.“ Begeht ein solcher einen schlechten Streich, so sagt er: „ist es nicht Schade um diesen Bart!“ „Dieser Bart ist zu bejammern!“ Will der Türke jemand einen Verweis geben, so sagt er: „schäme Dich Deines Bartes wegen!“ Wenn er etwas bittet oder beteuert, spricht er: „bei meinem Bart“ — „bei dem Leben Eures Bartes, lasst mir doch dies zu!“ Wenn er dankt, sagt er: „Gott wolle Euren gebenedeiten Bart erhalten“ — „Gott wolle seinen Segen über Euren Bart ausschütten.“ Will er ein Gleichnis machen, so spricht er: „Dies ist mehr wert, als sein Bart“ — „wie der Bart, so der Mann.“
Die Hände haben die Türken und Araber beständig am Bart. Sie kämmen ihn mit den Fingern mit großer Gelassenheit, und reden dabei bedächtig. Wenn in einer Versammlung der Sprecher ein unschickliches Wort vorbringen muss, d. h. wenn er diesen oder jenen Teil des Körpers nennen will (was die Religion verbietet), so spricht er: „mit Erlaubnis, Ihr Herren!“ Dann tut jeder die Hand vom Bart, und er hält so lange mit Reden inne, bis ihm die Versammlung antwortet: „Ifaddal“, was so viel heißt: „fahret fort!“
Bei festlichen Besuchen ist es die vornehmste Zeremonie, dass man dem Gast wohlriechendes Wasser in den Bart spritzt und hernach mit Aloeholz beräuchert, wovon der Dampf in den Bart zieht, und ihm einen angenehmen Geruch gibt.
Wenn ein Moslemim sein Gebet beendigt hat, wird er niemals unterlassen, seinen Bart zu kämmen und mit den Händen zu streichen, bevor er sich erhebt. Es ist dies eine Pflicht, welche er der Ehrfurcht schuldig ist, womit er seinen Bart betrachtet. (Mündlich aus Griechenland)

Marokko. Sultan

Marokko. Sultan

Pilger

Pilger

Handwerker auf dem Bazar

Handwerker auf dem Bazar

arabischer Karawanenführer

arabischer Karawanenführer

auf dem Kamelmarkt

auf dem Kamelmarkt

Beduienenfamilie

Beduienenfamilie

Karawane auf dem Weg

Karawane auf dem Weg

arabisches Ehepaar auf der Reise

arabisches Ehepaar auf der Reise

Zwei stolze Araber.

Zwei stolze Araber.