Abschnitt 1

sechster Teil


Ist der Eimer leer, so wird er mit Seewasser gefüllt, damit sie sich Mund, Brust und Hände abwaschen. Zum Abtrocknen gibt man ihnen ein Ende aufgetriebenes Tau. Danach ziehen sie paarweise zu der Süßwassertonne, wo ein Matrose jedem ein Gemäß, etwa ein halb Quart enthaltend, reicht, um ihren Durst zu stillen.


Nach der Mahlzeit und nachdem das Verdeck mit Seewasser angefeuchtet worden ist, kauert sich das ganze Völkchen reihenweise und dicht nebeneinander nieder. Jeder bekommt einen holländischen Ziegelstein in die Hand, womit sie das Verdeck nach dem Takt und von vorn nach hinten scheuern. Unaufhörlich wird ihnen dabei Seewasser über die Köpfe und auf das Verdeck gegossen. Diese etwas anstrengende Übung währt gegen zwei Stunden und hat bloß den Zweck, sie zu beschäftigen, ihnen Bewegung zu verschaffen und sie desto gesünder zu erhalten.

Darauf müssen sie sich in dichte Haufen zusammenstellen, und noch dichtere Wassergüsse strömen auf sie herab, um sie zu erfrischen und abzukühlen. Dies ist ihnen eine wahre Lust. Sie jauchzen dabei vor Freude. In der brennendschwülen Sonnenhitze, der sie ohne alle Bedeckung den ganzen Tag ausgesetzt sind, muß es ihnen auch wirklich für eine wahre Erquickung gelten. Noch mehr aber freuen sie sich, wenn danach einige Eimer, halb mit frischem Wasser angefüllt und mit Zitronensaft, Branntwein und Palmöl durchgerührt, aufs Verdeck gesetzt werden. Mit diesem Gemisch waschen sie sich den ganzen Leib und reiben ihn ein, weil sonst das scharf gesalzene Seewasser die Haut zu hart angreifen würde.

Für die männlichen Sklaven sind ein paar besonders lustige und pfiffige Matrosen ausgewählt, welche für ihren Zeitvertreib zu sorgen und sie durch allerlei Spiele zu unterhalten haben. Dabei werden auch Tabakblätter an sie verteilt, welche in lauter kleine Fetzen zerrissen als Spielmarken dienen und ihre Gewinnsucht mächtig reizen. Aus gleichen Gründen erhalten die Weiber allerlei Korallen, Nadeln, Zwirnfäden, Bandenden und bunte Läppchen. Und auch hier wird alles aufgeboten, um sie zu zerstreuen und keine schwermütigen Gedanken in ihnen aufkommen zu lassen.

Spiel, Possen und Gelärm währen bis um drei Uhr nachmittags fort, wo eine zweite Mahlzeit eingenommen wird. Diesmal gibt es große Saubohnen, welche zu einem dicken Brei gedrückt und gleichfalls mit Salz, Pfeffer und Palmöl gewürzt sind. Die Art der Abspeisung, des Waschens, des Trinkens und Abräumens bleibt die nämliche. Nur wird mit allem noch mehr geeilt, weil unmittelbar darauf die Trommel zum lustigen Tanze gerührt wird. Alles ist dann wie elektrisiert. Das Entzücken spricht aus jedem Blicke; der ganze Körper gerät in Bewegung, und Verrenkungen, Sprünge und Posituren kommen zum Vorschein, daß man ein losgelassenes Tollhaus vor sich zu sehen glaubt. Die Weiber und Mädchen sind indes am versessensten auf dieses Vergnügen. Um die Lust noch zu mehren, springen mitunter selbst der Kapitän, die Steuerleute und die Matrosen mit den leidlichsten von ihnen herum - sei es auch nur, damit die schwarze Ware desto frischer und munterer an ihren Bestimmungsort gelangt.

Gegen fünf Uhr geht der Ball endlich aus. Wer sich dabei am meisten angestrengt hat, empfängt wohl noch einen Trunk Wasser zu seiner Labung. Wenn sich dann die Sonne zum Untergang neigt, heißt es: „Macht euch fertig zum Schlafen unter Deck!“ - Dann sondert sich alles nach Geschlecht und Alter in die ihnen unter dem Verdeck angewiesenen Räume. Voran gehen zwei Matrosen, und hintendrein ein Steuermann. Sie haben acht, daß die nötige Ordnung genau beobachtet werde. Der Raum ist nämlich dermaßen eng zugemessen, daß sie schier wie die Heringe zusammengeschichtet liegen. Damit die Hitze dort unten nicht bis zum Ersticken steigt, sind die Luken mit Gitterwerk versehen, um frische Luft zur Abkühlung zuzulassen.

Eine Leiter führt zu einer Öffnung in diesem Gitter, die gerade nur weit genug ist, daß zwei Menschen passieren können. Ein Matrose hält mit blankem Haumesser die ganze Nacht die Wache. Er läßt immer nur paarweise aus und ein, was durch irgendein Bedürfnis hervorgetrieben wird. Da jedoch die Rückkehrenden ihre Schlafstelle selten so geräumig wiederfinden, als sie sie verlassen haben, so nehmen Lärm und Gezänke die ganze Nacht kein Ende. Noch unruhiger geht es begreiflicherweise bei den Weibern und Kindern zu. Gewöhnlich muß zuletzt noch die Peitsche den Frieden wieder herstellen.

Aus Gründen, auf die hier nicht näher einzugehen ist, werden meistenteils sechs bis acht junge Negerinnen von hübscher Figur zur Aufwartung in der Kajüte ausgewählt. Sie erhalten ihre Schlafstelle in ihrer Nähe. Begünstigt vor ihren Schwestern sammeln sie allerlei Geschenke an Kattunschürzchen, Bändern, Korallen und Kleinkram, womit sie sich wie die Affen putzen. Der Matrosenwitz gibt ihnen den Ehrennamen „Hofdamen“ und hat für die einzelnen noch diese oder jene spaßhafte Benennung. Bei Tage aber mischen sie sich gerne unter ihre Gefährtinnen auf dem Deck. Man kann dann beobachten, wie jede sofort einen bewundernden Kreis um sich versammelt, in dessen Mitte sie stolziert und sich den Hof machen läßt.

Bekanntlich kommen alle diese unglücklichen Geschöpfe beiderlei Geschlechts splitternackt an Bord. Wie sehr nun auch sonst der Anstand auf diesen Sklavenschiffen verletzt werden mag, so gebietet er doch ihre notdürftige Bedeckung. Die Weiber und Mädchen empfangen daher einen baumwollenen Schurz, der bis an die Knie reicht. Die Männer erhalten einen Leinwandgurt, der eine Elle lang und acht Zoll breit ist und den sie zwischen den Beinen durchziehen und hinten und vorne an einer Schnur um den Leib befestigen.

Ohne widrige Zwischenfälle langten wir Mitte Dezember in dem Flusse Surinam an, wo wir jedoch in einer Entfernung von vier bis fünf Meilen vor Paramaribo ankerten, um die Gesundheitskommission von dorther zu erwarten. Diese muß untersucht haben, ob nicht etwa ansteckende Krankheiten an Bord herrschen, bevor die Einfahrt gestattet werden kann. Bei uns war alles in Ordnung. Wir hatten, was verhältnismäßig wenig ist, in den vier Monaten, die ich mich nunmehr auf diesem Schiffe befand, nicht mehr als vier von unsern Matrosen und sechs Sklaven verloren. Als uns daher jene Herren am nächsten Tage besuchten, fanden sie auch kein Bedenken, uns in die Kolonie zu lassen.

Gewöhnlich schickte der Kapitän solcher Sklavenschiffe bei seiner Ankunft in der Kolonie ein Rundschreiben an die Plantagen-Besitzer und -Aufseher, worin er ihnen seine mitgebrachten Artikel anempfiehlt und die Käufer zu sich an Bord einladet. Bevor diese jedoch anlangen, wird eine Auswahl von zehn bis zwölf Köpfen getroffen, die die Erlesensten unter dem ganzen Sklavenhaufen darstellen. Man kennzeichnet sie durch ein Band, das man ihnen um den Hals schlingt. Sooft ein Besuch sich naht, müssen sie unter das Verdeck kriechen und unsichtbar bleiben. Denn die Politik des Verkäufers erfordert, daß nicht gleich im Anfang das beste Kaufgut herausgesucht werde, und dann der Rest als bloßer Ausschuß gelte.

Haben sich nun kauflustige Gäste eingefunden, so müssen sich die männlichen wie die weiblichen Sklaven in zwei abgesonderten Haufen aufstellen. Jeder sucht sich darunter aus, was ihm gefällt, und führt es zur Seite. Dann erst wird gehandelt, wie hoch der Kopf durch die Bank gelten soll. Gewöhnlich kommt dieser Preis für die Männer auf vierhundert bis vierhundertfünfzig Gulden zu stehen. Auch junge Burschen von acht bis zehn Jahren und darüber erreichen diesen Preis so ziemlich. Ein Weibsbild wird je nach ihrem Aussehen für zweihundert bis dreihundert Gulden losgeschlagen, hat sie aber noch Jugend, Fülle und Schönheit, so steigt sie im Werte bis auf achthundert und tausend Gulden und wird oft von Kennern noch ausschweifender bezahlt.

Der Preis wird entweder sofort bar entrichtet, meist aber durch Wechsel ausgeglichen, oder es findet auch ein Tausch mit Kolonieerzeugnissen wie Zucker, Kaffee und dergleichen statt.

Nachdem allmählich auch die erlesene Ware zum Vorschein gekommen ist, bleibt dann wirklich nur der schlechtere Bodensatz zurück. Dieser wird gewöhnlich ausgeboten. Dazu werden diese Neger an Land auf einen eigenen Platz gebracht, wo ein Arzt jeden Sklaven einzeln auf seine Tauglichkeit untersucht. Der Neger muß auf einen Tisch treten, und der Arzt legt Zeugnis ab, daß er fehlerfrei sei oder daß sich dieser oder jener Mangel an ihm finde. Nun wird geboten und nach erfolgtem Zuschlag bis zu dem letzten aufgeräumt.

Wir hatten indes diesmal bei unserm Handel nur wenig Glück. Es waren nämlich kurz zuvor zwei Sklavenschiffe hintereinander hier gewesen, die den Markt überfüllt hatten. Wir mußten einen vorteilhafteren Platz aufsuchen und unsre Wahl fiel auf die benachbarte Kolonie Berbice.

In Berbice fanden wir leider einen ebenso schlechten Markt. Es lagen dort bereits zwei Sklavenschiffe vor Anker. Wir hielten uns also nur drei Tage auf und steuerten nach St. Eustaz. Diese Insel erreichten wir Mitte Februar. Wir hatten das Glück, hier verschiedene Sklavenkäufer von den spanischen Besitzungen auf der Terra firma anzutreffen, an welche wir unsre Ladung samt und sonders mit Vorteil losschlugen.

Mitte April warf ich vor Vlissingen, wohin das Schiff gehörte, glücklich die Anker. Die Reeder bewilligten mir außer der mir gebührenden Gage noch ein besonderes Geschenk von hundert Gulden.