Abschnitt 1

fünfter Teil


Die Weiber und Kinder verschonte man mit ähnlichem Geschmeide. Sie wurden vorne in der Schiffsback in ein festes Behältnis eingesperrt, während die erwachsenen Männer ihren Aufenthalt dicht daneben zwischen dem Fock- und dem Großmast fanden. Beide Behälter waren durch ein zweizölliges eichenes Planwerk voneinander gesondert, so daß sich die Weiber und Männer nicht sehen konnten. In diesem engen Verwahrsam brachten sie jedoch nur die Nächte zu. Bei Tage war ihnen gestattet, in freier Luft auf dem Verdeck zu verweilen. Auf ihre Behandlung während der Überfahrt nach Amerika werde ich noch zurückkommen.


Der bedeutendste Handelsartikel an dieser Küste sind hiernach die Elefantenzähne, von welchen auch der ganze Landstrich zwischen Kap Palmas und Tres Puntas den Namen „Zahnküste“ führt. Habe ich die Erzählungen der Eingeborenen recht verstanden, so gehen sie in Rudeln von etwa dreißig Personen in die landeinwärts gelegenen Wälder auf die Elefantenjagd. Ihre Waffen bestehen hauptsächlich in fußlangen zweischneidigen Säbelklingen, die sie auf den Schiffen einhandeln und zu diesen Jagden an langen Stangen befestigen. Haben sie ein solches Tier aufgespürt, so suchen sie es entweder zu beschleichen oder treiben es mit offener Gewalt auf Dann trachten sie einzig dahin, ihm den Rüssel der seine vorzüglichste Schutzwehr ausmacht, an der Wurzel abzubauen. Oder sie zerschneiden ihm die Sehnen an den Füßen, um es so zum Fallen zu bringen. Ist der Feind solchergestalt überwältigt, wird er vollends getötet. Man haut ihm die Zähne aus, und der Rumpf bleibt als willkommene Beute für die Raubtiere und das Gevögel liegen.

In einem anderen Landstrich dieser Negerländer wird auch einiger Handel mit Goldstaub oder vielmehr kleinen Körnern dieses Metalls getrieben. Diesen Landteil nennt man die Goldküste. Das Gold wird entweder aus dem Flußsand gewaschen oder von der reichen Natur dieses heißen Bodens oft dicht unter dem Rasen dargeboten. Dieses Geschäft war jedoch weder beträchtlich noch sonderlich gewinnreich. Es wird deshalb auch dem Obersteuermann bei seinen kleinen Nebenfahrten für eigene Rechnung anheimgestellt. Dafür aber war es ihm gestattet, Waren im Betrage von sechshundert holländischen Gulden mit an Bord zu nehmen. Ich selbst hatte mich zu diesem Privathandel mit allerlei Kurzwaren, etwa fünfhundert Gulden an Wert, versehen.

Denn zu gleichem Handel wie dem an Bord des Schiffes selbst, wurden auch noch mehrere Boote ausgerüstet und abgeschickt, welche sich bis auf fünfzig Meilen und mehr entfernten und oft mehrere Wochen an der Küste umherkreuzten. Sobald die Guineafahrer sich dem wärmeren Himmelsstrich näherten, begannen die Schiffszimmerleute die Schaluppen und Schiffsboote für ihre künftige Bestimmung instand zu setzen. Sie brachten ein Verdeck darauf an und richteten alles so ein, daß sie sich auf See zu halten vermochten. Holz und Planken hierzu wurden schon von Holland mitgenommen und zwischendecks bereit gehalten. Die Besatzung eines solchen Fahrzeugs bestand aus zehn bis zwölf Mann unter Führung des Obersteuermanns oder eines andern Schiffsoffiziers. Auch war so ein Boot mit einigen Drehbassen und kleinerem Handgewehr wohl versehen.

Die Aufgabe dieser Boote war, stets in einiger Entfernung vor ihrem Schiffe zu fahren und möglichst viel einzuhandeln, damit die gewünschte volle Ladung schneller zusammengebracht und der Aufenthalt an diesen ungesunden Küsten um so mehr abgekürzt würde. Sowie nun ein solches Fahrzeug seine mitgenommenen Waren und seine Lebensmittelvorräte erschöpft oder genügend eingetauscht hatte, kehrte es an Bord seines Schiffes zurück, um sofort für eine neue Reise ausgerüstet zu werden. Es war ein sehr anstrengender und beschwerlicher Dienst. Außerdem war er mit mancher Gefahr verbunden. Nicht selten ging ein solches Boot samt der ganzen Besatzung durch einen Überfall der Neger verloren. So war hier höchste Vorsicht erforderlich. Nie wurden mehr als vier Verkäufer zugleich ins Boot gelassen. Auch die übrigen in den Kanus durften nicht zu nahe herankommen. Während der Steuermann mit einem Gehilfen hinten im Fahrzeug den Handel trieb, stand der Rest der Mannschaft vorne mit dem geladenen Gewehr in der Hand.

Noch gefährlicher wäre es gewesen, die Nacht über an dem nämlichen Orte liegen zu bleiben, wo man sich am Abend befunden hatte. Vielmehr mußte man die Ankerstelle immer ändern, um die verräterischen Schwarzen zu täuschen, die unaufhörlich auf einen Überfall sannen. Ebensosehr gebot es die Klugheit, keiner ihrer noch so freundlichen Einladungen zu folgen oder sich etwa in die Mündungen ihrer Flüsse zu wagen.

Wenigstens eins dieser Fahrzeuge hatte zudem die Nebenbestimmung, den aus Europa mitgebrachten Briefsack nach dem holländischen Hauptfort St. George de la Mina zu befördern. Da die ankommenden Schiffe ihre Handelsgeschäfte gewöhnlich bei Sierra Leona anfingen und nur gemächlich längs der Küste weiterfuhren, so währte es oft sechs bis acht Monate, bevor sie selbst dieses Fort erreichten. Dieser Unbequemlichkeit zu begegnen, waren die Schiffer angewiesen, mit den Regierungsdepeschen auch die anderweitige Korrespondenz ohne Aufenthalt in St. George de la Mina abzuliefern.

Diesen Auftrag erhielt demnach auch ich, sobald wir in den ersten Tagen des Jahres 1772 an der Küste von Guinea angelangt waren. Die Barkasse war mit zehn Mann unter meinen Befehlen ausgerüstet und mit Frachten aller Art beladen, besonders aber mit solchen, welche in dem heißen Klima einem schnellen Verderb ausgesetzt waren. So steuerte ich, nachdem ich auch die Vorräte für meinen eignen kleinen Handel eingenommen hatte, bereits am vierten Tage nach unsrer Ankunft dem Schiffe vorausgehend gegen Osten.

Auf dieser Küstenfahrt führte mich mein Weg zunächst nach dem holländischen Fort Axim. Ich hatte dort einen Pack Briefe, europäische Zeitungen und andere Kleinigkeiten abzugeben. Der Befehlshaber des Forts, ein geborener Hannoveraner namens Feneckol, war auf Neuigkeiten aus dem gemeinschaftlichen Vaterlande sehr begierig. Als ich ihm erzählte, daß ich Preuße sei, machte er mich darauf aufmerksam, daß Fort Axim früher eine Besitzung unseres Großen Kurfürsten gewesen und erst im Jahre 1718 durch Kauf an Holland übergegangen sei.

Mein Geschäft an diesem Platze war beendigt. Ich hatte den nötigen Ballast eingenommen und machte mich auf den Rückweg nach Westen. Meinen Kapitän mit dem Schiffe fand ich noch bei Kap Mesurado.

Bevor ich nun zu einer neuen Handelsfahrt abgehen konnte, mußten neue Vorräte von Wasser eingenommen werden. Dieses Geschäft wurde mir übertragen. Bei dem gegenseitigen Mißtrauen aber, welches zwischen den europäischen Schiffen und den Eingeborenen herrscht, ist ein solcher Auftrag ebensowohl mit Beschwerde als mit Gefahr verknüpft. Es erfordert die genaueste Vorsicht, um nicht von den treulosen Afrikanern überwältigt, ausgeplündert und ermordet zu werden.

Das Wasser, dessen man bedarf, muß jedesmal von ihnen am Land erhandelt werden. Man versieht sich hierzu an Bord mit allerlei Kleinkram an Spiegeln, Korallen, Messern, Fischangeln, Nähnadeln, Zwirn und anderm. Dicht am Strande wartet man wohlbewaffnet auf ein zufälliges Zusammentreffen mit den Eingeborenen, um mit ihnen den Preis für jedes Faß Wasser zu verabreden. Das hierzu bestimmte Boot bleibt bis hundertzwanzig Klafter weit vom Lande vor Anker liegen. Die leeren Wassertonnen werden über Bord geworfen, und die Neger stürzen sich in die Brandung, um sie schwimmend an Land zu bringen und nach ihren Brunnen und Wasserstellen zu rollen. Sind sie hier gefüllt und verspundet, so werden sie wieder an den Strand gewälzt. Von dort werden sie von je zwei Negern in die Mitte genommen und schwimmend an Bord gebracht.

Als ich in solcher Expedition zum ersten Mal das Ufer betrat, standen bereits zwölf oder vierzehn Schwarze unseres Empfanges gewärtig. Ihr Anführer kam mir entgegen, bot mir die Hand und sagte zu mir: „Amo King Gorgo!“ (Ich bin der König Georg.) Daß er für irgend etwas Besonderes angesehen sein wollte, gab schon sein ganzer Aufzug zu erkennen. Er war mit einer alten, zerrissenen linnenen Pumphose und einer weißen ärmellosen Kattunweste bekleidet. Sein noch größerer Schmuck aber bestand in einer roten und weißen Schminke, womit er sich Gesicht und Hände scheußlich bemalt hatte. Mit diesem Narren und seinen Untertanen wurden wir über den Preis für das Wasserfüllen einig und hielten uns auch des nächsten Tages wacker zu unsrer Arbeit.

Bei dieser Gelegenheit nahm ich am Strande eine Menge Feldsteine wahr, die uns als Ballast für Boot und Schaluppe vielfach nötig waren. Ich schloß also mit den Negern einen neuen Handel über eine Bootsladung solcher Steine ab. Sie suchten sich den Transport zu erleichtern, indem sie ein Kanu dicht auf den Strand zogen und es füllten, soviel es bequem tragen konnte. Dann traten je vier von ihnen an jede Seite des Fahrzeuges. Allesamt warteten sie eine niedrige Welle ab und schoben es schnell in die See, während einer behende hinein hüpfte, um es vollends an unser Boot zu leiten und dort auszuladen.

Noch waren wir mit unsern Stein- und Wassertransporten beschäftigt, als ich eines Morgens mit dem Boot unweit des Strandes zu Anker kam. Da in dieser Weltgegend die Nächte stets zwölf Stunden währen, so kühlt sich binnen dieser Zeit die Temperatur merklich ab, und es weht bis acht und neun Uhr morgens eine ziemlich frische Luft, gegen die die völlig nackt einhergehenden Neger so empfindlich sind, daß sie nicht gerne früher aus ihren Hütten kommen. Wir mußten also geduldig warten.