Abschnitt 3

Erster Teil


Gerade in dieser Gegend war auch Kapitän Gruben bei den hier ansässigen reichen Sklavenhändlern seit Jahr und Tag wohl bekannt und gern gelitten. Dennoch war es ihm schon auf seiner vorigen Reise nicht gelungen, sich an diesem wohlgelegenen Platz unvermerkt fester einzunisten. Er hatte mit den reichen Negern verabredet, ein hölzernes, nach europäischer Art gebautes Haus zerlegt mitzubringen und dort aufzurichten. Darin sollten zehn bis zwanzig Weiße wohnen können, und durch dort aufgestellte Kanonen sollte es geschützt werden. Als es aber fertig aufgebaut worden war, kam dies den guten Leutchen doch ein wenig bedenklich vor. Sie bezahlten dem Kapitän lieber das Häuschen, das einer kleinen Festung glich, mit reichlich Goldstaub. Als ich dort war, wurde es schon von einem reichen Kaffizier bewohnt.


Nachdem wir von hier noch eine Bootsreise mit ebenso gutem Erfolg gemacht hatten, gingen wir nach vier bis fünf Wochen mit dem Schiffe weiter nach Axim, dem ersten holländischen Kastell an dieser Küste. Hier hatte der Schaluppenhandel ein Ende. Wir steuerten an Cabo tres Puntas vorbei nach Accada, Boutrou, Saconda, Chama, St. Georg de la Mina und nach Moure. Überall wurden Einkäufe gemacht. Endlich hatten wir unsere volle Ladung beisammen; das waren vierhundertzwanzig Neger jeden Geschlechts und Alters.

Nunmehr ging die Reise von der afrikanischen Küste nach Surinam, quer über den Atlantischen Ozean, wo unsere Schwarzen verkauft werden sollten. Nach neun bis zehn Wochen, in denen wir weder Land noch Strand sahen, erreichten wir glücklich unseren Bestimmungsort und tauschten unsere unselige Fracht gegen eine Ladung Kaffee und Zucker. Sodann traten wir die Rückreise nach Holland an. Wir brauchten wiederum acht bis neun Wochen, bis wir endlich wohlbehalten im Hafen von Amsterdam die Anker fallen ließen. Es war im Juni 1751. Die ganze Reise hatte einundzwanzig Monate gedauert. Elf Leute unserer Mannschaft waren während dieser Zeit gestorben.

In Amsterdam war es mein erstes, nach Kolberg an meine Eltern zu schreiben und ihnen Bericht von meiner abenteuerlichen Reise zu erstatten. Man kann sich ihr freudiges Erstaunen beim Empfang dieser Nachricht denken. Ich war tot und war wiedergefunden! Ihre Empfindungen drückten sich in den Briefen aus, die ich unverzüglich von dort erhielt. Segen und Fluch wurden mir versprochen. Ich Unglückskind wäre ja noch nicht einmal eingesegnet! Augenblicklich sollte ich mich aufmachen und nach Hause kommen.

Zufällig traf ich in Amsterdam einen Landsmann, den Schiffer Christian Damitz. Auf seinem Schiffe fuhr ich nach Kolberg zurück. Von meinem Empfange daheim aber will ich besser schweigen.

Ich blieb nun in meiner Vaterstadt und nahm auch am Schulunterricht teil, bis ich das vierzehnte Lebensjahr erreicht hatte und konfirmiert wurde. Dann aber war mit mir kein Halten; ich wollte und mußte wieder auf die See. So übergab mich mein Vater Ostern 1752 dem Schiffer Michel Damitz, der soeben von Kolberg nach Memel und von da nach Liverpool abgehen wollte und in den mein Vater ein besonderes Vertrauen setzte. Beide Fahrten verliefen glücklich. Wir gingen weiter nach Dünkirchen, wo wir eine Ladung Tabak einnahmen; dann über Norwegen nach Danzig. So kam ich kurz nach Neujahr zu Lande nach Kolberg zurück. Ich war um neunzehn Taler Löhnung reicher und glaubte Wunder, was ich in diesen neun Monaten verdient hätte. Jetzt bringen es unsere Matrosen wohl auf fünfzehn und mehr Taler monatlich. So ändern sich die Zeiten.

In den beiden nächsten Jahren fuhr ich auf mehr als einem Kolbergschen Schiffe und unter verschiedenen Kapitänen auf der Ost- und Nordsee umher. War bald in Dänemark und Schweden, bald in England und Schottland oder in Holland und Frankreich zu finden. Auf all diesen Reisen ist nichts vorgefallen, was hier erwähnt zu werden verdiente. Sturm und gut Wetter und was sonst so dazu gehört, sind für einen Seemann etwas Alltägliches. Es ist nicht meine Art, davon viel Aufhebens zu machen.

Aber dieses einförmige Leben paßte mir nicht länger. Der alte Hang zum Abenteuern erwachte. Kein Wunder, daß ich, sobald sich die Gelegenheit bot, der Versuchung zu einer großen Reise nicht widerstehen konnte. In Amsterdam traf ich Kapitän Joachim Blank, einen alten, lieben Kolberger Landsmann und Verwandten, dessen Schiff „Christina“ nach Surinam gehen sollte. Ohne weitere Erlaubnis von Hause verdang ich mich flugs und freudig bei ihm als Konstabler. Als auf der Hinfahrt jedoch unser Steuermann über Bord fiel und unglücklicherweise dabei ertrank, rückte ich zum Unter-Steuermann auf.

Daß ich mich hier auf eine ausführliche Beschreibung der Kolonie Surinam einlasse, wird wohl nicht von mir erwartet werden. Man weiß, daß sie ihren Namen von dem Flusse Surinam hat, an dem auch dritthalb Meilen aufwärts die Hauptstadt Paramaribo gelegen ist. An seiner Mündung ist der Fluß wohl zwei Meilen breit und bleibt bis gegen sechzig Meilen landeinwärts auch bei der niedrigsten Ebbe für kleinere Fahrzeuge schiffbar. Auch der mit dem Surinam verbundene Fluß Comandewyne kann bis gegen fünfzig Meilen aufwärts befahren werden. Mit beiden Gewässern steht noch eine Menge toter Arme in Verbindung, und an allen Ufern drängen sich die Zucker- und Kaffeeplantagen. Alles übrige Land aber wird von fast undurchdringlichen Wäldern bedeckt. Und dadurch ist diese Kolonie eine der ungesundesten der Welt. Wenn eine Schiffsmannschaft von vierzig Leuten in den vier Monaten, welche man hier gewöhnlich verweilt, nur acht bis zehn Tote zählt, so wird dies für ein außerordentliches Glück gehalten.

Diese große Sterblichkeit hat aber zum Teil auch wohl ihren Grund in den anstrengenden Arbeiten, wozu die Schiffsmannschaften nach hiesigem Brauch angehalten werden. Sie müssen sowohl den Transport der mitgebrachten Ladung an europäischen Gütern nach den einzelnen Plantagen besorgen, als auch die Rückfracht von diesen Plantagen an Kolonialwaren. Man bedient sich dazu einer Art von Fahrzeugen, die man Punten nennt. Sie sind wie Prahme gebaut und tragen ein zugespitztes, mit Schilf gedecktes Wetterdach. So sehen sie beinahe aus wie ein auf dem Wasser schwimmendes deutsches Bauernhaus. Zwei solcher Punten werden jedem Schiffe beigegeben. Mir als Unter-Steuermann kam es zu, mit Hilfe von vier Matrosen die Fahrten auf den Strömen damit zu machen. Diese Reisen dauern oft vierzehn Tage oder noch länger.

Surinam hätte man damals eher eine deutsche als eine holländische Kolonie nennen können. Auf den Plantagen wie in Paramaribo traf man unter hundert Weißen immer ungefähr neunundneunzig an, die aus allen Gegenden Deutschlands hierher gefunden hatten. Von diesen lernte ich auch zwei Brüder Kniffel kennen, die aus Belgard in Pommern gebürtig, also meine nächsten Landsleute waren. Sie hatten sich in früherer Zeit als einfache holländische Soldaten hierher verirrt, aber Glück, Fleiß und Rechtlichkeit hatten sie seither zu Millionären gemacht, und sie genossen hier ein wohlverdientes Ansehen. Am Comandewyne besaßen sie zwei Kaffeeplantagen. Die eine hieß Friedrichsburg, und eine andere dicht daneben, welche von ihnen selbst angelegt worden war, hatten sie ihrer Vaterstadt zu Ehren Belgard genannt. In Paramaribo war eine Reihe von Häusern ihr Eigentum. Sie bildeten eine vierhundert Schritt lange Straße, die nach ihnen den Namen Kniffels-Loge führte. Ebendaselbst hatten sie eine lutherische Kirche gebaut und zu ihrer Erhaltung für ewige Zeiten die Einkünfte der Plantage Belgard bestimmt.

Unsere Heimfahrt nach Amsterdam, die sechs Wochen währte, verlief glücklich. Wir waren vierzehn Monate abwesend gewesen. Unser Schiff bedurfte einer völlig neuen Verzimmerung, die sich bis in den November 1755 zu verzögern drohte. Da mir dies zu lange dauerte, ging ich in einen anderen Dienst unter Kapitän Wendrop über. Sein Schiff war nach Curaçao bestimmt. Auf der Rückreise ergänzten wir bei St. Eustaz unsere Ladung, und nach neun Monaten warfen wir wiederum vor Amsterdam wohlbehalten die Anker.

Hier warteten Briefe auf mich von meinen Eltern. Diese Briefe enthielten soviel Drohungen und gerechte Vorwürfe, daß ich mich wiederum wohl als der verlorene Sohn reuig auf den Weg nach Hause machen mußte. Einigen Trost fand ich darin, daß ich mit einem Schiff fahren sollte, das meines Vaters Bruder führte.

Im Monat August traf ich in Kolberg ein. Meines Oheims Schiff fand ich bereits in der Ausrüstung. Wir fuhren auf die Rügenwalder Reede, wo wir unsere Ladung Holz einnahmen. Mit mir fuhr mein jüngerer, sechzehnjähriger Bruder als Kajütenwärter. Auch hatte mein Oheim seinen eigenen vierzehnjährigen Sohn mitgenommen. Alles in allem befanden sich dreizehn Menschen an Bord. Gleich der Anfang der Fahrt versprach wenig Gutes. Wir wurden durch Sturm und widrige Winde dergestalt aufgehalten, daß wir erst Ausgang Oktober im Sunde anlangten.