Merkwürdige Geschichten mit des Verfassers Wirtin

In dem Hause, in welchem ich mit dem Obersten logierte, hörte ich eine merkwürdige Geschichte, welche sich zwischen unsrer Wirtin und ihrem ersten Manne zugetragen hatte, welcher aus dieser Stadt gebürtig gewesen war. Er hieß Niepels, war Hauptmann in einem Holländischen Dragoner-Regiment, und ward mit ihr im Haag bekannt, wo sie eines Kaufmanns Tochter war, da er sie unter dem Versprechen der Ehe verführte, und sie schwanger verließ. Ihr Vater war so aufgebracht über sie, dass er sie aus dem Hause stieß; allein eine Tante hatte Mitleid den mit ihr, behielt sie bei sich, bis sie niedergekommen war, und gab ihr hernach ein wenig Geld, mit welchem sie sich, ohne von jemand erkannt zu werden, Männerkleider und ein Pferd kaufte, und sich als einen Freiwilligen bei des Capitän Niepels Compagnie annehmen ließ.

Hier blieb sie eine Zeitlang, und der Capitän sagte mehrmals zu seinem unbekannten Freiwilligen, dass er einer seiner alten Liebsten sehr ähnlich sähe, ohne den geringsten Verdacht zu haben, dass er es selbst war. Sie blieb bei der Compagnie bis zu Ende des Feldzuges, da der Capitän nach seines Vaters Tode seinen Abschied, und sein väterliches Haus und Vermögen in Besitz nahm. Hierdurch verlor sie nun alle Gelegenheit, den Capitän zur Rechenschaft zu fordern, welches die einzige Absicht ihrer Verkleidung war. Sie legte also wieder weibliche Kleidung an, und folgte ihm nach Mastricht, wo sie seine Magd mit ein wenig Geld bestach, dass sie selbige in einem abgelegenen Zimmer in dem Hause eine Nacht beherbergte, damit sie als ein fremdes Frauenzimmer nicht in einem öffentlichen Gasthofe einkehren dürfte. Nachdem sie es so weit gebracht hatte, besichtigte sie das Haus, und besonders das Schlafzimmer des Capitäns, welcher den ganzen Tag abwesend war, und nur Abends spät nach Hause kam. Sie hielt sich still, bis sie glaubte, dass alles im Hause zu Bette sei, da sie denn mit einem Lichte in der einen, und einem Dolche in der andern Hand vor sein Bett trat, ihn ausweckte, und ihn fragte, ob er sie kenne. Als er nun wissen wollte, was sie hier zu suchen hatte, erklärte sie ihm, dass er sich jetzt entschließen müsse, entweder ihr sein Wort zu halten, oder zu sterben. Der Capitän suchte Ausflüchte, und rief zugleich seine Leute; aber ehe noch jemand herbei kommen konnte, stieß sie ihn in die Brust, und gab ihm, so sehr er sich auch wehrte, noch verschiedene Stiche an andern Orten seines Leibes. Endlich kamen seine Leute ihm zu Hilfe, und da sie ihren Herrn in seinem Blute schwimmen sahen, so schickten sie nach der Wache, sich ihrer zu versichern. Sie machte indessen keine Mine, zu entfliehen, sondern fuhr fort, ihm seine Niederträchtigkeit vorzuwerfen, ob er gleich selbst sie bat, auf ihre Sicherheit zu denken, indem er sich für tödlich verwundet hielt. Endlich kam die Obrigkeit mit einer Wache, sie in das Gefängnis zu führen, welches aber der Capitän nicht zugeben wollte, sondern bat, einen Priester hohlen zu lassen, welchem er bei dessen Ankunft gestand, wie sehr er dieses junge Frauenzimmer beleidiget habe, und ihn bat, ihn ohne Zeitverlust in Gegenwart der Obrigkeit mit ihr zu kopulieren, welches auch geschah. Da nun auch der Wundarzt versicherte, dass keine der Wunden tödlich sei, so ging die Wache ab, und durch die Sorgfalt des Wundarztes und der zärtlichen Pflege seiner Gattin ward der Capitän sehr bald wieder hergestellt.


Sie lebten hierauf verschiedene Jahre in dem besten Vernehmen, bis ihn endlich ein unglücklicher Zufall um das Leben brachte. Als er eines Abends mit ihr vor dem Trowen-Tore spazieren ging, und sich bei einem Zeughaus befand, wo eine Menge alter unbrauchbarer Gewehre lag, kam ein Frauenzimmer aus ihrer Nachbarschaft zu ihnen, mit welchem sie in großer Vertraulichkeit lebten, nahm eine alte verrostete Pistole, und sagte im Scherze zu dem Capitän Niepels, es sei beschlossen, dass er von der Hand eines Frauenzimmers sterben sollte, welches denn auch so gleich eintraf, indem die Pistole los ging und ihn aus der Stelle tötete. Er hinterließ drei Töchter, welche jetzt mannbar waren; seine Witwe, unsere Wirtin aber, heiratete einige Zeit nach seinem Tode seines Bruders Sohn.