Der unfehlbare Schuß im Prenzlauer Stadtwald

Autor: Ueberlieferung
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Im großen Prenzlauer Stadtwald war einmal ein Jägersbursche bedienstet, der auch das entfernteste Ziel nie verfehlte. Einst traf er im Wald den Prenzlauer Pfarrherrn, und sie gingen eine Weile mitsammen weiter. Im Gespräch fragte der Pfarrer den Jägersburschen, ob er denn wohl auch ein sicherer Schütze sei.

„Wie ich schieße, will ich Ihnen gleich zeigen“, antwortete der Bursche. „Sehen Sie dort den Raben fliegen?“

Der Pfarrer bejahte, bemerkte aber zum Jäger, daß es doch schier unmöglich sei, aus solcher Entfernung einen Vogel zu treffen. Der Jägerbursche lächelte, murmelte ein paar Worte in fremder Sprache und riß das Gewehr an die Backe. Der Schuß krachte, und der Rabe fiel wie ein Stein zur Erde. Stolz auf sein Werk wandte sich der junge Forstmann wieder zu dem Pastor, gewahrte aber, daß dieser sehr ernst, fast verstört aussah.

„Nun,“ fragte er heiter, „gefiel Ihnen der Schuß?“

„Der Schuß war gut,“ gab der Pfarrer zur Antwort, „aber, mein Sohn, ist dir auch die Bedeutung des Spruches bekannt, den du gebraucht hast?“

„Nein,“ sagte der Forstgehilfe, „was er bedeutet, weiß ich nicht. Ich habe ihn von einem alten Jäger gehört, der ihn wohl selbst nicht verstand.“

„So höre,“ erwiderte der Pfarrherr ernst, „ich werde dir den arabischen Spruch verdeutschen, er lautet:

Teufel, komm, halt mir das Tier;

Ich gebe dir Leib und Seele dafür.“

Als der Jägersbursche das hörte, wurde er leichenblaß. „Bei Gott,“ rief er, „das habe ich nicht gewußt.“ Dann nahm er seine Flinte und zerschlug sie am nächsten Baum. Er hat nie wieder einen Schuß abgegeben.