Offizier-Jette
In einer kleinen, unansehnlichen Gasse Berlins steht ein kleines, unansehnliches Haus, dessen Dachziegel man im Vorbeigehen auf dem kaum 12 Zoll breiten, schmutzigen Bürgersteige bequem mit der Hand ablangen kann.
Vor diesem Hause steht Abends oft ein kleines geputztes Mädchen, zwar körperlich zurückgeblieben, aber listig und eingeweiht in die Mysterien der Sünde, welches den vorübergehenden galanten jungen Herren — die sie mit der Miene einer Kennerin mustert — zuflüstert: „Schöner Herr, kommen Sie herein, meine hübsche Schwester Auguste ist jetzt ganz allein zu Hause.“
Aus diesem kleinen, unansehnlichen Gebäude stammt unsere Offizier-Jette, die dritte und älteste der Schwestern, welche ich soeben dem Leser vorgeführt habe.
Jette ist im Konkubinat gezeugt, ihre Mutter ist eine gestrafte Person, der häusliche Verkehr ist nicht lauter. Sie ist im Grunde genommen nie schön gewesen, jetzt neigt sie, noch keine 30 Jahre alt, zur Hässlichkeit.
Von Jugend auf hat sie nur Diebe und Dirnen in ihrer Umgebung gesehen, daher ist sie mit der Kriminaljustiz ebenso wie mit den Maßregeln der Sittenpolizei bekannt.
Nachdem sie durch die Hände einiger Liebhaber gegangen — und man muss gestehen, dass sie die eigentliche Prostitution weniger liebt, als dauernde Verhältnisse, — besuchte sie eine Zeit lang die Kavallerie-Kaserne, wo sie sich jenen Beinamen geholt haben soll. Ich glaube jedoch, dass sie mehr mit gemeinen Soldaten, als mit Offizieren verkehrt hat, daher würde sie richtiger Soldaten-Jette heißen. Man muss sie übrigens nicht verwechseln mit einer feinen Judendirne, welche den Namen „Tochter des Regiments“ führt, weil ihre Figur viel Ähnliches mit einer bekannten Sängerin in der gleichnamigen Oper hat. Letztere beschäftigt sich, wie es scheint, vorzugsweise mit dem Offizier-Vergnügen.
Jette hat sich vielfach zu polizeilichen Vigilanten-Diensten hergegeben — natürlich für Geld oder um bei vorkommenden Fatalitäten bei der Polizei einen Stein im Brette zu haben. Namentlich ist sie sehr bekannt geworden in der vielfach beschriebenen Untersuchung zum Zweck der Ermittelung der Täter, welche vor 3 1/2 Jahr Abends in der Wohnung des Maurermeisters Sabbath, Lietzmannsgasse Nro. 10a., einen Raub ausgeführt und dabei dessen Dienstmädchen, Christel Colbatz, — jetzt verheiratete Maurergesell Schneider — auf eine empörende Weise genotzüchtigt und fast tödlich misshandelt hatten, so dass die Unglückliche die Folgen davon noch in einem kranken und hinsiechenden Körper zur Schau trägt.
Bekanntlich hatte man das bedauernswerte Frauenzimmer zur Lügnerin gestempelt und gefänglich eingezogen. (Wann werden die Justizmorde endlich einmal aufhören!) Die, welche die Räuber nach vorheriger Verabredung in das verschlossene Haus gelassen, jedoch sich durch den Beweis des Alibi zu reinigen suchte, die unverehelichte Minna Bandolin, eine Winkeldirne, saß damals mit der vorhin erwähnten Franzisca Braun, der Offizierjette und der berüchtigten M.........r in einem Gefängnis zusammen. Auf die bekannte Geschicklichkeit jener drei Frauenzimmer baute der einer richtigern Meinung folgende spätere Inquirent seinen Plan in Bezug auf die Bandolin. Er gelang ihm, denn jene drei Frauenzimmer entlockten ihr das Geständnis der eigenen Schuld und die Angabe der Komplizen. Die Bandolin, mit ihnen konfrontiert, leugnete auch vor Gericht nicht länger, und so wurden jene Räuber einzeln ermittelt und überführt, oder zum Eingeständnis bewogen. Ohne jenes Manöver wäre heut vielleicht noch kein Licht in jene Untersuchung gebracht worden, die Täter gingen frei herum und auf der Gemisshandelten ruhte ein unverdienter Makel.
Von diesem Augenblicke an scheint Offizier-Jette zur Besinnung gekommen zu sein. Sie hat sich mit einem Tischlergesellen verheiratet und lebt häuslich und zurückgezogen. Ich wünsche, dass sie sich ganz umgeändert haben möge, denn Verstand besitzt sie genug, um die Folgen jedes Fehltritts einzusehen, und ihr persönliches Auftreten und Benehmen ist von der Art, dass, wenn sie Farbe hält und keine Rezidive eintreten, sie dermaleinst ihre Vergangenheit vergessen machen kann. Dazu ist vor Allem nötig, dass sie sich von ihrer Familie zurückzieht, — was sie auch bisher getan haben soll, und wovon ihr Ehemann vermutlich die Ursache ist. Ihre Schwester Auguste — welche man nach ihr Offizier-Guste nennt — ist zu leichtsinnig, um umzukehren; und was aus dem kleinen Mädchen werden soll, — das mögen die Götter wissen, ich weiß es nicht!
Vor diesem Hause steht Abends oft ein kleines geputztes Mädchen, zwar körperlich zurückgeblieben, aber listig und eingeweiht in die Mysterien der Sünde, welches den vorübergehenden galanten jungen Herren — die sie mit der Miene einer Kennerin mustert — zuflüstert: „Schöner Herr, kommen Sie herein, meine hübsche Schwester Auguste ist jetzt ganz allein zu Hause.“
Aus diesem kleinen, unansehnlichen Gebäude stammt unsere Offizier-Jette, die dritte und älteste der Schwestern, welche ich soeben dem Leser vorgeführt habe.
Jette ist im Konkubinat gezeugt, ihre Mutter ist eine gestrafte Person, der häusliche Verkehr ist nicht lauter. Sie ist im Grunde genommen nie schön gewesen, jetzt neigt sie, noch keine 30 Jahre alt, zur Hässlichkeit.
Von Jugend auf hat sie nur Diebe und Dirnen in ihrer Umgebung gesehen, daher ist sie mit der Kriminaljustiz ebenso wie mit den Maßregeln der Sittenpolizei bekannt.
Nachdem sie durch die Hände einiger Liebhaber gegangen — und man muss gestehen, dass sie die eigentliche Prostitution weniger liebt, als dauernde Verhältnisse, — besuchte sie eine Zeit lang die Kavallerie-Kaserne, wo sie sich jenen Beinamen geholt haben soll. Ich glaube jedoch, dass sie mehr mit gemeinen Soldaten, als mit Offizieren verkehrt hat, daher würde sie richtiger Soldaten-Jette heißen. Man muss sie übrigens nicht verwechseln mit einer feinen Judendirne, welche den Namen „Tochter des Regiments“ führt, weil ihre Figur viel Ähnliches mit einer bekannten Sängerin in der gleichnamigen Oper hat. Letztere beschäftigt sich, wie es scheint, vorzugsweise mit dem Offizier-Vergnügen.
Jette hat sich vielfach zu polizeilichen Vigilanten-Diensten hergegeben — natürlich für Geld oder um bei vorkommenden Fatalitäten bei der Polizei einen Stein im Brette zu haben. Namentlich ist sie sehr bekannt geworden in der vielfach beschriebenen Untersuchung zum Zweck der Ermittelung der Täter, welche vor 3 1/2 Jahr Abends in der Wohnung des Maurermeisters Sabbath, Lietzmannsgasse Nro. 10a., einen Raub ausgeführt und dabei dessen Dienstmädchen, Christel Colbatz, — jetzt verheiratete Maurergesell Schneider — auf eine empörende Weise genotzüchtigt und fast tödlich misshandelt hatten, so dass die Unglückliche die Folgen davon noch in einem kranken und hinsiechenden Körper zur Schau trägt.
Bekanntlich hatte man das bedauernswerte Frauenzimmer zur Lügnerin gestempelt und gefänglich eingezogen. (Wann werden die Justizmorde endlich einmal aufhören!) Die, welche die Räuber nach vorheriger Verabredung in das verschlossene Haus gelassen, jedoch sich durch den Beweis des Alibi zu reinigen suchte, die unverehelichte Minna Bandolin, eine Winkeldirne, saß damals mit der vorhin erwähnten Franzisca Braun, der Offizierjette und der berüchtigten M.........r in einem Gefängnis zusammen. Auf die bekannte Geschicklichkeit jener drei Frauenzimmer baute der einer richtigern Meinung folgende spätere Inquirent seinen Plan in Bezug auf die Bandolin. Er gelang ihm, denn jene drei Frauenzimmer entlockten ihr das Geständnis der eigenen Schuld und die Angabe der Komplizen. Die Bandolin, mit ihnen konfrontiert, leugnete auch vor Gericht nicht länger, und so wurden jene Räuber einzeln ermittelt und überführt, oder zum Eingeständnis bewogen. Ohne jenes Manöver wäre heut vielleicht noch kein Licht in jene Untersuchung gebracht worden, die Täter gingen frei herum und auf der Gemisshandelten ruhte ein unverdienter Makel.
Von diesem Augenblicke an scheint Offizier-Jette zur Besinnung gekommen zu sein. Sie hat sich mit einem Tischlergesellen verheiratet und lebt häuslich und zurückgezogen. Ich wünsche, dass sie sich ganz umgeändert haben möge, denn Verstand besitzt sie genug, um die Folgen jedes Fehltritts einzusehen, und ihr persönliches Auftreten und Benehmen ist von der Art, dass, wenn sie Farbe hält und keine Rezidive eintreten, sie dermaleinst ihre Vergangenheit vergessen machen kann. Dazu ist vor Allem nötig, dass sie sich von ihrer Familie zurückzieht, — was sie auch bisher getan haben soll, und wovon ihr Ehemann vermutlich die Ursache ist. Ihre Schwester Auguste — welche man nach ihr Offizier-Guste nennt — ist zu leichtsinnig, um umzukehren; und was aus dem kleinen Mädchen werden soll, — das mögen die Götter wissen, ich weiß es nicht!
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der sittliche Zustand von Berlin nach Aufhebung der geduldeten Prostitution des weiblichen Geschlechts