Louise D., die Amazone von Berlin

Eine fast kolossale, dabei die Linien der Schönheit nicht überschreitende Gestalt, mit. schwarzen Augen, schwarzem Haar, und gewöhnlich in schwarze Seide gekleidet, wodurch — man muss es gestehen — ihre Persönlichkeit vorteilhaft gehoben wird, eine geborne Pommerin, in der Mitte der zwanziger Jahre, verdankt sie es einer auffallenden Ähnlichkeit des Gesichts und der Figur mit der bekannten Amazone von Kiß vor dem Museum, dass man ihr — als sie zuerst in einem damals sehr besuchten bayerischen Bierlokale vor etwas länger als 3 Jahren dem größeren Publikum bekannt ward — einstimmig den Namen: „der Amazone von Berlin“ beilegte. Hierzu berechtigte sie um so mehr ein gewisses festes, herausforderndes, ja pommersches Auftreten, — ganz nach dem Muster ihres kriegerischen Vorbildes, — und daher konnte es nicht fehlen, dass sie die Jeanne d'Arc der Studenten, der Handlungsdiener und jener alten Noués geworden ist, die, weil sie den ganzen Tag Nichts zu tun haben, von einer Konditorei, Weinhandlung oder Bierstube in die andere schnüffeln und auf Affaires d’amour ausgehen, die sich zu ihren Glatzköpfen und Perücken verhalten, wie ein öffentliches Heiratsgesuch zur siebenten Bitte.

Louise ist in Pommern erzogen, hat früher in den Gasthöfen kleiner Städte konditioniert, — wobei dem Leumund nach sie mit ihren Herren Prinzipalen etwas zu vertraulich gestanden haben soll, so dass die Mesdames stutzig wurden und sie Knall und Fall verabschiedeten, — und kam dann in eine hiesige Destillation, von welcher sie bald in die beliebten bayrischen Bierhallen überging.


So ist sie etwa drei Jahre lang mit kleinen Unterbrechungen eine fortwährend sehr renommierte Schankmamsell gewesen, und hat eine große Schar von Verehrern gezählt, die ihr bis heut, wo sie sich — wohin? warum? kann ich nicht verraten — zurückgezogen zu haben scheint, immer noch treu geblieben sind.

In vielen Bier-, auch einigen Weinstuben und Konditoreien besteht, namentlich nach Aufhebung der tolerierten Preisgebung, die Einrichtung, dass die weibliche Bedienung — außer Wohnung und Essen — sonst keinen Gehalt u. s. w. bekommt, sondern auf die Tasche der männlichen Besucher angewiesen ist. Dabei verdienen die Schankmädchen mehr, als der Wirt ihnen geben könnte, — wofür sie natürlich auch zu jeder Zeit, bei Tage und bei Nacht, beliebig aus gehen dürfen, — der Wirt hat unendgeldliche Gehilfinnen, welche überdies durch ihre Zuvorkommenheit gegen Männer von Kasse gute Gäste anziehen, und endlich sind die Frauenzimmer durch das scheinbare Dienstverhältnis gegen die Einschreitungen der Polizei gesichert, welchen die Alleinstehenden in jedem Augenblick unterworfen sind. Auch die Gäste finden ihr Vergnügen, mithin gewinnen ja alle Teile bei einem solchen Kontrakt!

In solchen Verhältnissen befand sich Louise recht wohl, — jedoch wurde zwei Mal ihr Glück etwas getrübt.

Das erste Mal vor etwas über zwei Jahren, zur Zeit des Karnevals. Ein Ökonom von außerhalb, ein Schwindler, hatte sich mit ihr bekannt gemacht, ohne dass sie jedoch wusste, was an ihm war. Dieser hatte einen Reisenden, welcher sich auf einem Maskenballe in einem jener Ballsäle, wo die Prostitution die Hauptrolle spielt, total betrunken hatte, nach seinem Hotel begleitet, und ihm dabei Börse, Uhr, Ringe u. s. w. gestohlen. Der Dieb ward ermittelt, und räumte ein, vom gestohlenen Gelde der Louise ein Paar goldene Ohrringe gekauft und geschenkt zu haben, welche sie herausgeben musste.

Das zweite Mal aber, wo sie in eine noch ernstere Differenz mit der Polizei geriet, drehte es sich, da sie dienstlos war und mancherlei Anschuldigungen gegen ihren etwas zu freien Lebenswandel erhoben wurden, darum, sie in ihre Heimat zurückzuweisen. Diesem Schicksal entging sie jedoch, da sie nachwies, dass sie auf Kosten eines sich für ihr ferneres Fortkommen interessierenden Herrn kochen lerne, und sie dürfte auch für die Folge in dieser Hinsicht keine Anfechtungen mehr zu besorgen haben, da inzwischen ihre Mutter sich hierher verheiratet, und auch ihr das hiesige Einwohnerrecht verschafft haben soll.