Die verehelichte W.... r., geborne B......s.

Es ist Schade, wenn man diese junge, niedliche Person betrachtet, dass sie eine so schlechte Erziehung genossen bat, dass sie — bei anscheinend ganz guten Gemütsanlagen — der Prostitution und dem Verbrechen zugleich verfiel. Sie ist ein uneheliches Kind und ward als solches von ihrem Stiefvater und ihrer Mutter von Kindheit an vernachlässigt. Überhaupt scheint sie auch im häuslichen Wesen nicht viel Gutes gesehen zu haben und soll von ihrer eigenen Mutter zum Stehlen verleitet worden sein. Wenigstens wird, nach ihrer spätern Verlobung mit ihrem jetzigen Manne, W., eine Äußerung von ihr erzählt, die sie bei einem Wortwechsel gegen ihre Mutter gemacht haben soll und welche für meine Behauptung spricht. Sie soll nämlich ihrer Mutter ins Gesicht die Weigerung erklärt haben, mit ihr stehlen zu gehen, mit dem Zusatz: wenn sie dies wolle, so würde sie es in Zukunft für sich und ihren Bräutigam tun. Es konnte nicht ausbleiben, dass üble Bekanntschaft, die sie bei Gelegenheit einer Kriminaluntersuchung im Gefängnis machte, sie zur Prostitution verführte. Jedoch hat sie sich immer moderat gehalten und scheint mehr durch sinnliche Antriebe bestimmt worden zu sein. Nach ihrer Verheiratung hat sie allerdings die Prostitution einstellen müssen. Ihr Mann ist Taschendieb. Er gehört mit zu der Klasse jener feinen Taschendiebe, jener Dandys, Elegants und Gentlemans unter den Spitzbuben, die im feinen Spanier, Wellington oder Phantasiefrack, mit Polkahut oder Rongemütze, goldener Uhr und Kette einhergehen und namentlich das Theater, die Ausstellungen, die Museen, die Perrons der Eisenbahnen, überhaupt die Orte, wo anständige Fremde anzutreffen sind, besuchen. Denn der Berliner ist schon durch Schaden gewitzigt, er trägt keine Börsen und Brieftaschen im Schoß des Rocks. W. hat sich, wie seine Kollegen R., C. u. a. verheiratet und eine anständige Wirtschaft vom Verdienst seiner Hände eingerichtet. Doch scheint neuerdings das Schicksal den Taschendieben nicht hold zu sein, denn viele derselben sind — durch die große Aufmerksamkeit des im vorigen Jahre und früher so arg geplünderten Publikums — vor Kurzem in flagranti ergriffen und ziemlich streng bestraft worden.

Die W. soll ihrem Manne bei seinen Taschenexpeditionen helfend zur Seite stehen und man versichert sogar, dass sie selbst auf dergleichen Geschäfte — wie es der Taschendieb nennt — ausgeht, eine Seltenheit bei Frauenspersonen, die in der Regel den Laden- und Budendiebstahl mehr exerzieren. Doch besitzt Berlin mehrere gewandte Taschendiebinnen unter den Prostituierten, — ich will nur an die Pl.....g erinnern. W. ist bereits bestraft und wegen einer Reise nach Potsdam, wo er mit den Taschendieben N: und F. bei einer Theatervorstellung im neuen Palais verhaftet ward, im vorigen Jahre im Arbeitshause gewesen. Neuerlich hat man ihn aus einer Kirche arretiert, in welcher einen Sonntag vorher ein bedeutender Taschendiebstahl vorgefallen war. Es ist die Frage, ob man Jemanden, welcher wegen Taschendiebstahls bestraft ist, — auf die subjektive Überzeugung hin, dass er die Kirche in diebischer Absicht besuche, — von dort arretieren darf? Nach meinem Erachten mag man auf ihn aufpassen, ohne dass die Andacht gestört wird, aber herausholen aus dem Gotteshause, aus dem Asyl der Kirche, auf Meinungen hin, darf man gewiss nicht. Welch ein ungeheurer Widerspruch! In den Zuchthäusern werden die Sträflinge fast zum Besuch der Kirchen gezwungen und die Polizei straft einen Observaten mit Arbeitshaus, welcher freiwillig in die Kirche gegangen ist!