Die geschiedene Tapeziererfrau G.......k, geborne F.....i.

Sie ist eine der unmoralischsten Auswüchse der Berliner Bevölkerung: gleichzeitig Hure, Kupplerin, Diebin.

Ihre Mutter lebt noch heut und ist eine rechtschaffene Frau, welche das Unglück heimsucht, allemal, wenn ihre Tochter nach dem Zuchthause gebracht wird, während der Dauer der Strafzeit die Wirtschafts- und andere Sachen derselben aufbewahren zu müssen. Von Jugend auf war die G. eine ganz liederliche Person. Herumtreiberin, Straßendirne, Stammgast in den ordinärsten Tanzkneipen — was Wunder, wenn sie in keinem Dienst, in keiner Arbeit, welche ihre Mutter ihr verschaffte, aushielt, und fortwährend mit der Polizei oder der Administration des Arbeitshauses zu tun hatte? Dabei hatte sie einen unüberwindlichen Hang zum Stehlen, welcher sich recht deutlich in der Gemeinheit und Eckigkeit ihrer Physiognomie ausprägt. Nachdem sie früher kleinere Diebstahlsstrafen erlitten, ist sie in der Folge, da sie dieses Verbrechen immer wieder fortsetzte, — namentlich Ladendiebstahl, zu welchem Frauenspersonen wegen ihrer weiten Überröcke und Mäntel besonders geschickt sind — ein Mal mit drei, das andere Mal mit vier Jahren Zuchthaus bestraft worden. Man kann nur annehmen, dass die Furcht vor einer bis auf zehn Jahre zu steigernden Strafe sie endlich von der ferneren Wiederholung der Dieberei abgeschreckt hat.


Jetzt steht sie hoch in den vierziger Jahren. Aber sie ist ebenso dem liederlichsten Wandel und den geschlechtlichen Ausschweifungen ergeben, wie in ihrer Jugend.

Da der Mangel körperlicher Reize sie von Jugend an verfolgte, so blieb ihr Nichts übrig, als ihre Galans durch Geschenke zu fesseln, und zu diesem Zweck eine einträgliche Kuppelwirtschaft zu betreiben. Diese setzte sie fort, obschon sie sich mit einem Tapezierer G. verheiratet hatte. Nachdem sie lange Jahre dieses schändliche Gewerbe betrieben, ward sie endlich dessen überführt und verhaftet. Obschon ihr Mann weniger beteiligt erschien, so gab sie doch — wegen ihrer bevorstehenden Bestrafung eine Ehescheidungsklage befürchtend — an, dass derselbe jenes Treiben gefördert, und wissentlich an den Vorteilen desselben Teil genommen habe. Beide wurden mit Zuchthausstrafe belegt. Nach verbüßter Strafe erfolgte dennoch ihre Scheidung — auf Grund wechselseitiger Einwilligung, da ihre Ehe kinderlos war. Jetzt wechselte die G. klüglich alle Viertel- oder halbe Jahre ihre Wohnung, damit ihr fortgesetzt betriebenes Kuppelgewerbe nicht zu auffällig würde, und hielt sich für Geld junge, ehrlose Männer, mit welchen sie die Nächte hindurch auf der F.....schen Halle schwelgte und tanzte, und welche sie nach Hause begleiten mussten. Überhaupt war dies Lokal ihr liebstes Terrain: hier überließ sie sich der ungezügeltsten Ausschweifung, namentlich versuchte sie mit ihren Liebhabern sich in dem sittenlosen Cancantanz, obschon der Wirt und die Polizei dergleichen Unschicklichkeiten sofort unterdrücken müssen, und war mehr als ein Mal in Schlägereien mit andern Dirnen verwickelt.

Zuletzt — im Frühjahr v. J. — wohnte sie in der Mauerstraße. Eine gewisse Z...a, — eine der verworfensten Dirnen Berlins, welche sich unausgesetzt liederlich umhertreibt, und gewöhnlich von ihrer eigenen Mutter der Polizei zur Verhaftung nachgewiesen wird, — hatte das Absteigequartier der G. fleißig frequentiert, und davon schon früher der Polizei Anzeige gemacht. Der Zufall wollte, dass sowohl die Z...a, als eine andere Hauptbesucherin der G., die jetzt in Hamburg befindliche Albertine S., gleichzeitig in Polizeiarrest waren. Die Z... a wiederholte ihre Denunziationen gegen die G. Ein Polizeibeamter hörte darüber auch die Albertine S., indem er nach dem beliebten Manöver ihr für das Geständnis die Freiheit, für das Leugnen das Arbeitshaus in der Vogelperspektive zeigte. Dies entschied. Die Albertine S. räumte den Verkehr bei der G. unumwunden ein, und machte die dort abgestiegenen Lustdirnen namhaft.

Bei sämtlichen nunmehr abgehörten geständigen Dirnen sprach sich — was in der Regel in Betreff ihrer Kupplerinnen nicht der Fall ist — eine entschiedene Verachtung, ein entschiedener Hass gegen die G. aus. Es ist nämlich in Berlin in den Winkelwirtschaften 2. Klasse, wozu die der G. gehörte, üblich, dass die Dirnen für jeden Herrenbesuch 10 Sgr. an die Kupplerin abgeben, bei welcher sie obendrein noch Essen, Kaffee, Schlafmiete u. s. w. bezahlen. Hiermit war die G. nicht zufrieden, sie verlangte streng ein Drittel der Gesamteinnahme, und um diese zu kontrollieren, lag sie wie ein Luchs vor der verriegelten Stubentür, um durch das Schlüsselloch zu lauern. Wenn dessen ungeachtet eine der Dirnen versuchte, ein Mal einen mehr empfangenen Thaler zu verschweigen, wehe ihr! es gab dann eine blutige Katzbalgerei.

Auf Grund der Bezüchtigung vieler Prostituierten ward die G. verhaftet und legte ein Geständnis ab, welchem nach sie zu 22monatlicher Zuchthausstrafe verurteilt ward, welche sie noch abbüßt. Eine ihrer Hauptfeindinnen, die Kupplerin Wittwe M....r, — deren verstorbener Mann, ein vormaliger Buchhalter, durch seine enormen Betrügereien berüchtigt ist — hatte schon vor ihr das Zuchthaus in Brandenburg bezogen. Jetzt kam die G. mit ihr zusammen in eine Zelle. Schon der erste Abend führte zwischen beiden Weibspersonen eine grimmige Schlägerei herbei, in welcher sie sich so heftig zerbissen und zerkratzten, dass sie noch in der nämlichen Nacht getrennt werden mussten. Also nicht einmal in der Absperrung des Zuchthauses ruhen die Leidenschaften der Außenwelt!