Die Tochter eines deutschen Dichters

Mit Wehmut gehe ich daran, die Schicksale einer weiblichen Person in der Kürze niederzuschreiben, deren Vater einer der geistreichsten Dichter seiner Zeit war, dessen markige und lebensfrische Produkte die Lesewelt entzücken werden, so lange man nicht aufhört, der echten Philosophie, dem sprudelnden Humor und der poetischen Gedankenfülle, in den mannigfaltigsten und anziehendsten Formen der Darstellung den gebührenden Tribut zu zollen. Ich will, um sein Andenken zu schonen, ihn W. nennen.

Seine Stellung im Leben und sein poetischer Beruf nahmen ihn zu sehr in Anspruch, als dass er sich viel um die Erziehung seiner zwar durchaus nicht mit körperlichen Vorzügen, aber mit einem desto größeren Leichtsinn ausgestatteten Tochter hätte bekümmern können. Sein früher Tod, nach seiner ihm schon viel eher vorangegangenen Gattin, war für die Hinterlassene ein zweites Unglück, welches dadurch noch mehr gesteigert ward, dass nur weniges Vermögen im väterlichen Nachlass vorhanden war, welches überdies die Schulden absorbierten. So wuchs Auguste unter den schlimmsten Auspizien auf. Sie musste dienen, um zu leben. Einige Zeit ging es leidlich, bei Herrschaften kleiner Nachbarstädte — da man um des Vaters willen ihr Vieles nachsah. Sie war naschhaft, träge, eine Lügnerin, und bis zum Exzess den Männern ergeben, welchen sie, im eigentlichen Wortsinn, nachlief, die aber von ihr Nichts wissen wollten, weil sie bei Weitem mehr hässlich als hübsch war. Doch fanden sich auch zu ihr ab und zu Liebhaber — und wenn es nur Sancho Pansas waren. Endlich konnte sie in ihrer Heimat keinen Dienst mehr finden. Sie ging daher nach Dresden, wo sie in einer Konditorei — eigentlich nur ihrer kuriosen Persönlichkeit und ihrer ungeheuren Suade wegen — als Ladenjungfer gemietet ward. Hier machte sie die Bekanntschaft einer ehemaligen Mätresse eines Fürsten R., welche sich in Dresden nicht mehr halten konnte und daher — weil in Dresden keine derartigen Anstalten existieren — in ein Berliner Bordell gehen wollte, wovon sie der Auguste Wunderdinge erzählte. Die Letztere fand ein solches Verhältnis ihr ganz entsprechend, und machte sich daher — da sie majorenn war — mit ihrer Freundin auf den Weg nach Berlin. Hier ward sie, obschon die Kommissionärinnen der Bordellwirte von ihrer wenig lukrativ scheinenden Körperbeschaffenheit Nichts wissen wollten, dennoch als Lohndirne inskribiert, weil die äußerlich viel versprechende ci-devant fürstliche Mätresse kategorisch erklärte, nur mit ihrer Freundin zusammen in ein Bordell zu treten. Auguste, kaum vier Fuß groß, mit einem breiten Gesicht, worin sich die Spitzen der Nase und des Kinnes diametral berührten, ähnlich der Mont-St.-Jean in den „Mystères de Paris,“ und das reine Ebenbild von jener, jeden Abend in der Ross- und Gertraudenstraße umherwandernden Straßendirne, der Zwieback genannt, fand keinen Beifall, sie wurde vielmehr von den Männern, wie von den Lustdirnen verspottet, und beschloss daher, — weil es gerade die Zeit der Margarethen-Messe war, — nach F. a. d. O. überzusiedeln. Hier trat sie wieder in ein Bordell, jedoch dauerte die Herrlichkeit nicht lange. Sie hatte einem damals in F. lebenden, von hier stammenden liederlichen Schauspieler und Musikus, der sie zum Stichblatt seiner Witze gemacht hatte, eines Tages, als dieser etwas angetrunken war, Teufel und andere Figuren an den Hut gemalt, womit dieser nach Hause getaumelt und Veranlassung zu einem Skandal der Straßenjugend geworden war. Er ergrimmte hierüber und beschloss sich zu rächen. Einige Zeit nachher, während er ein freundliches Betragen gegen Auguste zum Schein angenommen, induzierte er sie, ihm in seine Wohnung zu folgen. Er machte sie total betrunken, zog ihr Schuhe, Strümpfe und andere Kleidungsstücke aus, und warf sie in diesem Zustande auf die Straße, wo sie ein öffentliches Ärgernis erregte und daher verhaftet, bestraft und aus F. verwiesen ward. Durch ihre Freundin, die vorgedachte Mätresse, gelang es ihr, noch ein Mal in Berlin inskribiert zu werden, worauf sie noch eine Zeit lang in den bekannten Bordellen: „der Tuchladen“, „die Rosinentreppe“, „das Brandenburger Thor oder neue Verderben“ vom Volkswitze benannt, figurierte, bis endlich, durch verschiedene, mir nicht speziell bekannte Umstände bewogen, ein alter Freund ihres Vaters beschloss, einen Versuch zu ihrer Rettung zu machen. Er brachte sie in eine Krankenwartschule außer Berlin, um sie zu einer Krankenpflegerin auszubilden, und durch den Anblick des Leidens und Sterbens ihre ganz versunkene Moralität wieder aufzurichten. Sie hat späterhin auch als Krankenpflegerin in einem Spital, fern von hier, Aufnahme gefunden und ist als solche vor etwa acht Jahren — so weit gehen meine letzten Nachrichten — darin noch als solche löblich tätig gewesen.