Bademinna

Wilhelmine A. — früher eine der schönsten, aber auch leichtfertigsten Dirnen — gehört einer Familie an, deren Glieder fast sämtlich mit der Kriminaljustiz in Berührung gekommen sind. Sie selbst hat sich davon rein erhalten, dagegen von frühester Jugend an auf die Prostitution gelegt. Da sie — im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleginnen, welche sehr auf ihr Äußeres halten — unbekümmert und leichtsinnig in die Welt hineinlebt, so ist es gekommen, dass sie — obschon noch jung — doch, ihrer wirklichen frühern Reize ungeachtet, schnell abgelebt hat. Sie hat mitunter halbe Jahre lang sich nicht anmelden lassen, sondern von einer Dirne und Kupplerin zur andern herumgetrieben, weshalb die Polizei, wenn sie dann wieder ermittelt und verhaftet ward, sie öfter auf längere Zeit — ja bis zu neun Monaten — nach dem Arbeitshause bringen ließ. Vielleicht hat auch diese öftere und längere Detention viel zu ihrem frühen Verblühen beigetragen. Sie ist eine fleißige Besucherin der Tanzlokale, jedoch verhindert ihre gewöhnlich sehr mangelhafte Garderobe sie am Auftreten an denjenigen Orten, wo die galantern Phrynen zusammen kommen. Daher hat sie auch weniger reussiert, als man erwarten sollte, und hauptsächlich sich in den Badeanstalten umhergetrieben. Es existieren hier nämlich in einer Straße zwei Badehäuser, in deren Nähe sich in der Regel Dirnen befinden, welche es mit den Badedienern halten und durch deren Vermittelung die Badegäste, unter der Firma der Frau, in die Badestuben begleiten. Beide Stuben sind zwar zum Schein durch eine Tür getrennt, diese ist aber nicht verschlossen. Mehr brauche ich nicht zu sagen. Die Badediener werden natürlich, wie die Dirnen, gut gelohnt, und man kann annehmen, dass die Eigentümer der Bäder um jene Kuppelgeschäfte in ihren Lokalen regelmäßig wohl Nichts wissen. Vor zwei Jahren, als mehrere jener Badedirnen sich im Arrest oder im Arbeitshause befanden, wurde der unsaubere Verkehr — welcher, beiläufig bemerkt, vor 130 Jahren, namentlich in Schweden und merkwürdiger Weise unter dem Weiberfeind Carl XII. im Schwunge war — ermittelt, und mehrere der weiblichen Besucherinnen, unter andern unsere daher sogenannte Bademinna, legten offene Bekenntnisse ab, um eine frühere Entlassung dadurch zu erwirken. Die Folge war die Verhaftung und kriminelle Bestrafung der Badediener, als Kuppler, während die prostituierten Frauenzimmer straflos ausgingen, ja sogar ihnen noch die anderweit verwirkte Polizeistrafe erlassen ward! Inwiefern dieses Verfahren gerecht und billig ist, braucht wohl nicht erst untersucht zu werden! —

Nach ihrer Entlassung aus dem Arbeitshause setzte Bademinna ihren vagabundierenden Wandel, nicht als Land-, so doch als Stadtstreicherin, fort, ward syphilitisch, infizierte mehrere Männer, und als diese sie deshalb bei der Polizei denunzierten, machte diese ernstliche Jagd und verhaftete sie endlich in einer bekannten Tabagie der Louisenstadt, worin nebenbei ein kleines Privatbordell gehalten ward.


Jetzt kam sie auf sechs Monate nach dem Arbeitshause und war nach ihrer im vorjährigen strengen Winter erfolgten Freilassung in der ersten Zeit so von Kleidungsstücken entblößt, dass sie in der grimmigen Nachtluft im dünnen weißen Kleide, ohne Mantel, ohne Kopfbedeckung, ja ohne ein wärmendes Tuch die F......sche Tanzhalle betrat, um dort Männer zu angeln und sich durch Preisgebung ihres Körpers kümmerlich zu nähren. Sie trank Abends Champagner, und hatte früh oder Mittags vielleicht nicht ein Stück Brot gehabt. So berühren sich im Leben der Prostituierten verschwenderischer Überfluss und der drückendste Mangel! Später fand sie einen etwas beständigen Liebhaber, der sie schicklich einkleidete. Gegenwärtig soll sie wieder fleißig die Badeanstalten besuchen, deren heutige Diener das Schicksal ihrer Vorgänger vergessen zu haben scheinen. —

Man darf sie nicht verwechseln mit einer andern, ebenfalls der Prostitution in jenen Bädern ergebenen Dirne, der sog. Badeguste, einem Frauenzimmer, die als Kind auf dem Köpenicker Felde gefunden und von einem Sporenmacher erzogen ward, weshalb sie auch die „Sporenmacherguste“ genannt wird. Auch diese ist keine unansehnliche Dirne und war, wie die schöne Male und die Feldlotte, früher eine in und um die Kasernen am Hallischen Tore sehr gern gesehene Dirne. Die Badeguste, obschon weniger persönlich unordentlich, und wirtschaftlicher als die Bademinna, steht jedoch auch mit Dieben in Verbindung und ist namentlich in der neuesten Zeit vielfach solchen Umganges angeschuldigt worden, ohne dass man jedoch ihr bisher eine nach den Kriminalgesetzen strafbare Handlung nachzuweisen im Stande gewesen ist.