Drittes Kapitel - Was den jungen Pächter mitten in seiner Rede schreckte, versetzte auf einen ...

Was den jungen Pächter mitten in seiner Rede schreckte, versetzte auf einen Augenblick auch seinen in Vorurteilen weniger befangenen Kameraden in Unruhe. Während ihrer Unterhaltung war der Mond aufgegangen, gleichsam im Kampf mit dem Gewölk, und nur von Zeit zu Zeit ein zerrissenes Licht über das Moor werfend. Ein Strahl desselben traf die hohe, granitne Säule, in deren Nähe sie gerade standen, und nun erblickten sie eine Gestalt, scheinbar ein Mensch, aber von kleinerer Gestalt als bei Menschen die Regel. Langsam bewegte sie sich unter dem grauen Gestein: nicht wie jemand, der einem bestimmten Ziele zustrebt, sondern bedächtig, unsicher, unschlüssig, gleich einem Wesen, das um einen Ort schwebt, an welchem traurige Erinnerung haftet. Hin und wieder drangen von der Gestalt Laute herüber, die sich anhörten wie leises, klapperndes Geflüster. Und was er sah und was er hörte, das glich der Vorstellung, die sich Hobbie Elliot über Geisterspuk und Geister machte, so ganz aufs Haar, daß er stehen blieb, dieweil ihm die Haare zu Berge stiegen.

»Die alte Aillie ist's! Die alte Aillie leibhaftig!« flüsterte er dem Gefährten zu – »soll ich auf sie schießen im Namen Gottes?«


»Nein! Um des Himmels willen nein!« rief sein Gefährte, rasch das Gewehr niederreißend, das schon an des andern Backe lag – »nein! nein! es ist ein armes, wahnwitziges Wesen!«

»Ihr seid selber wahnwitzig, daß Ihr's Euch einfallen laßt, Euch so dicht an das Wesen heran zu wagen!« erwiderte Elliot, den Kameraden am Ärmel festhaltend, als er weiter gehen wollte; »Zeit zu einem kurzen Stoßgebet wird uns hoffentlich bleiben, ehe sie bis zu uns heran ist! Wenn mir nur ein Stoßgebet einfallen wollte!«

»Sicher, Elliot! Sicher!« versetzte Earnscliff; »sie hat ja keine Eile!«

»Nein, das stimmt, lahm wie eine Henne läuft sie, die eine heiße Hühnersteige hinauf will!« meinte Hobbie, den die Ruhe seines Kameraden und die Weise der Erscheinung, die sich um die beiden Jünglinge wenig zu kümmern schien, beherzter machte. Nichtsdestoweniger fuhr er, nach einer Weile umschwenkend, in leisem Flüstertone fort: »Ich möchte doch raten, Earnscliff, wir machen einen Umweg, als suchten wir einem Hirsch den Wind abzugewinnen! Der Sumpf ist nur knietief, und besser ist schließlich ein schlechter Weg noch immer als eine schlechte Gesellschaft!«

Indessen ging Earnscliff, aller Einreden und alles Sträubens von seiten seines Kameraden ungeachtet, auf dem Wege, den er eingeschlagen hatte, weiter und stand dem Wesen, das er zu erforschen trachtete, bald gegenüber.

Die Erscheinung, deren Höhe sich noch zu verringern schien, je näher die Jünglinge kamen, mochte knapp vier Fuß messen. So weit sich ihre Gestalt bei dem unsichern Licht erkennen ließ, war sie fast ebenso breit wie lang oder glich vielmehr einer Kugel, die bloß durch seltsame leibliche Entstellung entstanden sein konnte. Der junge Jäger begrüßte die absonderliche Figur zweimal, ohne Antwort zu erhalten, bekümmerte sich aber nicht im geringsten um seinen Kameraden, der ihm eindringlich zu verstehen geben wollte, am besten sei es weiter zu gehen, ohne sich um ein Wesen von so seltsamem und übernatürlichem Äußern länger zu bekümmern.

Auf die dritte Frage, die Earnscliff stellte: »Wer seid Ihr? Und was treibt Ihr hier zu solcher nächtlichen Stunde?« gab eine Stimme Antwort, deren geller, widerwärtiger Klang Hobbie Elliot so in Furcht jagte, daß er um ein paar Schritte zurückwich:

»Geht Eures Wegs und fragt Leute nicht aus, die nichts von Euch zu wissen begehren!«

»Was treibt Ihr hier, so fern von allem Obdach? Habt Ihr Euch verspätet auf der Wanderung? Wollt Ihr uns heimbegleiten, sollt Ihr gern ein Obdach haben!«

»Behüte Gott!« rief Hobbie Elliot unwillkürlich, »da möcht' ich mich schon lieber tief unten im Tarrasflusse verkriechen!«

»Geht Eures Wegs!« rief die Gestalt wieder, deren Stimmklang durch den Zorn, die sie erfüllte, noch geller und häßlicher klang als vordem, »Eurer Wohnung bedarf ich nicht! Fünf Jahre ist es her, seit mein Haupt in einer menschlichen Behausung geruht hat, und hoffentlich war dies das letzte Mal!«

»Er ist von Sinnen,« sprach Earnscliff.

»Er sieht ganz so aus, wie der alte Klempner Humphrey Ettercap, der vor etwa fünf Jahren hier im Moor umkam,« meinte sein abergläubischer Gefährte, »bloß war Humphrey Ettercaps Leib nicht so dick.«

»Geht Eures Wegs!« rief die Gestalt abermals, »Atem aus Menschenleib verpestet die Luft, die mich umgibt, und menschlicher Stimmenschwall sticht mir gleich scharfen Nadeln in die Ohren.«

»Gott nehme uns in seinen Schutz!« flüsterte Hobbie, »wie kommt es, daß ein Toter solch' schreckliche Bosheit hegt gegen Lebende! Seine Seele muß sich in gar kläglichem Stande befinden!«

»Kommt, Freund,« sprach Earnscliff, »es scheint, Euch quält gar herber Kummer! Daß wir Euch hier allein zurücklassen, verbietet uns menschliches Gefühl.« »Menschliches Gefühl!« rief mit höhnischem Lachen das Wesen, »woher habt Ihr das Wort, andre zu locken? diese Schlinge für Schnepfen? diese blöde Menschenfalle? diesen Köder, den der unglückliche Tor hinunterschluckt, um dann zu spüren, daß er an einer Angel hängt, mit zehnmal spitzigerem Widerhaken im Halse? daß es ihm geht gleich wie dem Tiere, das der Mensch mordet, um seiner Üppigkeit zu frönen?«

»Freund, Freund! Ich sage Euch, Ihr ermangelt der Fähigkeit, Eure Lage zu fassen! Ihr werdet umkommen in der Wildnis, und Mitleid gebietet uns, Euch mit uns zu nehmen!« »Damit mag ich nichts zu schaffen haben,« sprach Hobbie. »um Gotteswillen, laßt dem Gespenst Weg und Willen!«

»Mein Blut komme über mein Haupt, wenn ich hier umkomme,« schrie die Gestalt; und als sie merkte, daß Earnscliff mit sich zu Rate ging, ob er Hand an sie legen solle, setzte sie hinzu: »Und über Euer Haupt komme Euer Blut, wenn Ihr den Saum meiner Kleider antastet und mich mit dem Schmutz der Sterblichkeit besudelt!«

Als die Gestalt diese Worte sprach, warf der Mond helleren Schein und Earnscliff sah, daß sie in der hochgehaltenen Rechten eine Waffe hielt, glitzernd gleich der Klinge eines langen Messers oder dem Lauf eines Terzerols.

Sich um einen Menschen zu bekümmern, der Waffen und solch' grobe Sprache führte, wäre wahnsinnigem Bemühen gleichgekommen. Zudem wurde Earnscliff inne, daß er von seiten seines Gefährten auf Hilfe nicht zu rechnen habe; denn er war, der Erscheinung den Rücken gewandt, nach der Heimat unterwegs. So drehte auch Earnscliff um, nachdem er dem seltsamen Wesen noch einen Blick zugeworfen, und ging Hobbie hinterher. Das seltsame Wesen aber jagte um die granitne Säule herum, wie wenn das kurze Gespräch seine Raserei auf den Gipfel getrieben hätte, und schrie sich heiser in wilden Verwünschungen, die schrecklich in der öden Heide klangen.

Eine Zeitlang schritten die beiden Jäger schweigend nebeneinander her, bis sie die gellen Töne nicht mehr hörten. Aber nicht eher war dies der Fall, als bis sie ein beträchtliches Stück von der granitnen Säule weg waren, von welcher das Moor seinen Namen entlehnt hatte. Jeder zog über den Auftritt, dessen Zeugen sie gewesen waren, still für sich seine Schlüsse, bis plötzlich Hobbie Elliot ausrief:

»Wißt, Earnscliff! Ich möchte behaupten, wenn es ein Geist ist, was wir sahen, so muß es der Geist eines Menschen sein, der Böses getan und Böses gelitten hat und den dieses zwiefache Böse nach seinem leiblichen Tode auf solch' schlimme Weise zu rasen zwingt!«

»Mir scheint es, als sei dies unglückliche Wesen vom Wahnsinn des Menschenhasses befallen!« meinte Earnscliff, der Richtung folgend, in welcher seine Gedanken sich bewegten.

»Also seid Ihr der Meinung nicht, daß es ein Gespenst war, was wir sahen?« fragte Hobbie den Kameraden.

»Nein! Ganz sicher nicht!«

»Nun ja, ich bin wohl selber auch der Meinung, daß es ein lebendiges Ding sein kann, meines Wissens aber kann einem Kobold kein lebendig Ding ähnlicher sehen als dieses!«

»Auf alle Fälle will ich morgen zurückreiten und nachsehen, was aus dem armen, unglücklichen Wesen geworden ist,« sagte Earnscliff.

»Bei hellem Tage?« fragte der Reitersmann, »dann will ich Euch begleiten mit Gottes gnädigem Schutz. Jetzt aber sind wir meinem Pachtgut zwei volle Meilen näher als Eurem Hause! Ihr tut also besser, mit mir zu gehen. Ich kann ja meinen Burschen auf dem Klepper hinüberschicken, daß er Euren Leuten melde, wo Ihr seid. Außer dem Bedientenvolke und Eurem Kater erwartet Euch, wie ich mir denke, ja doch niemand!«

»Gut, Freund Hobbie, ich gehe mit!« erwiderte der junge Jäger, »und da ich nicht Ursache sein möchte, daß meine Bedienten sich über mein Ausbleiben ängstigen oder mein Kater sein Futter nicht bekommt, so soll es mir lieb sein, wenn Ihr, wie Ihr gesagt, Euren Burschen hinüber schicken wollt.«

»Ein freundlicher Bescheid! Das lasse ich gelten! Also heim nach Heugh-foot! Die Meinigen werden sich freuen, Euch zu sehen.«

Schnellen Schrittes gingen sie weiter. Auf den Rücken eines ziemlich steilen Hügels gelangt, rief Hobbie Elliot: »Wißt, Earnscliff, mich freut's immer, wenn ich auf diesen Fleck hier komme! Seht Ihr dort unten das Licht? Das kommt vom Fenster der großen Stube herüber, in der die alte, geschwätzige Urahn das Spinnrad schnurren läßt. Und das andere Licht dort, das an den Fenstern rück- und vorwärts tanzt? Seht Ihr's! Das ist meine Base, die Grace Armstrong, doppelt so geschickt in der Hauswirtschaft wie meine Schwestern. Das lassen die auch selber gelten, denn es sind so gutmütige Dinger, wie nur je eins den Fuß auf die Heide gesetzt hat! Und die Urahn, die sagt's auch, daß die Base weit flinker und rühriger ist als die andern und am besten in der Stadt auf dem Markte einkauft, nachdem die Urahn das Haus nicht mehr verlassen darf. Von meinen Brüdern ist der eine unterwegs, dem Lord Kammerherrn die Aufwartung zu machen, ein andrer ist in Moßphadraig, dem andern Pachthofe von uns, den wir weiter verpachtet haben. Er versteht mit dem Rindvieh genau so umzugehen wie ich.«

»Mein Lieber! Ihr seid gut daran, soviel tüchtige Verwandte zu besitzen!«

»Fürwahr! Das ist auch der Fall! Grace macht mich zum dankbaren Menschen: ich werde es nie leugnen! Aber, Earnscliff, Ihr seid ja auf hohen Schulen, in Edinburg auf der Universität, gewesen und habt überall dort gelernt, wo sich's am besten lernen läßt – sagt mir doch – nicht daß die Frage mich besonders anginge – aber ich hörte einen Diskurs über die Frage zwischen dem Prediger von Saint-John und unserm eignen Pfarrer auf dem Wintermarkte darüber, und sie redeten beide sehr gut – der Priester meinte, es sei wider das Gesetz, seine Base zu ehelichen; ich kann aber nicht sagen, daß mir seine Bibelsprüche auch nur halb so gut gefallen hätten wie die von unserm Pfarrer, der ja für den besten Gottesmann und Prediger zwischen hier und Edinburgh gehalten wird ... unser Pfarrer bewies ihm das Gegenteil ... glaubt Ihr, Earnscliff, daß der unsrige im Recht war?«

»Alle Christen protestantischen Glaubens, Hobbie, halten die Ehe ganz so frei, wie sie Gott der Herr durch das mosaische Gesetz eingesetzt hat. Darum, Hobbie, kann zwischen Euch und Miß Armstrong keine Rede sein von einem Hindernis, weder einem gesetzlichen noch einem religiösen.«

»Laßt doch den Scherz beiseite, Earnscliff!« antwortete sein Kamerad; »trifft Euch jemand an wundem Fleck, so fehlt's ja bei Euch am Zorn auch nicht. Wenn ich die Frage stellte, so geschah es ganz ohne Bezug auf Grace; denn Ihr müßt wissen, daß sie bloß die Tochter ist von meines Oheims Frau aus erster Ehe, also gar nicht leiblich mit mir verwandt, sondern nur in weitem Grade verschwägert... Ei! Jetzt sind wir aber am Shellnig-Hill. Ich will die Büchse abfeuern, den Leuten im Hause zum Zeichen meiner Ankunft. Das ist stets Brauch bei mir! Habe ich ein Stück Rotwild geschossen, dann gibts einen Doppelknall: einen für das Wildpret, den andern für mich!«

Alsbald knallte der Schuß und alsbald fingen die Lichter im Hause an zu wandern, sogar bis vor das Tor hinaus. Hobbie machte seinen Gefährten aufmerksam auf eines der Lichter, das aus dem Hause nach einem Wirtschaftsgebäude zu schweifen schien.

»Das ist Grace selber,« meinte Hobbie, »die kommt mir nicht an der Tür entgegen, darauf wette ich. Aber hinausgegangen sein wird sie, um zu sehen, ob das Futter fertig ist für meine Hunde, die armen Tiere.«

»Liebst du mich, dann lieb' auch meinen Hund! Nicht wahr, Hobbie?« meinte Earnscliff; »Ihr seid ein glücklicher Jungmann, Hobbie!«

Ein Seufzer oder doch ein ihm ähnlicher Ton begleitete diese Äußerung und dem Ohr des Kameraden entging das nicht. »Hm! Es können doch andre ganz ebenso glücklich sein wie ich! Hab' doch auch beim Wettrennen in Carlisle gesehen, wie Miß Isabel Vere den Kopf nach jemand hin drehte! Wer weiß, was für Dinge in dieser Welt vorgehen können!«

Earnscliff murmelte etwas wie eine Antwort, ob er damit aber den Worten des Kameraden beipflichten oder sich gegen dergleichen Anspielungen verwahren wollte, ließ sich nicht heraushören. Wahrscheinlich war sein Wunsch, seine Stellung zu dieser Frage möglichst zweifelhaft und dunkel zu lassen. Die beiden Jünglinge waren nun den breiten Pfad hinunter geschritten, der sich am Fuß einer steilen Höhe entlang zog und nach der Vorderseite des mit Stroh gedeckten, behaglichen Pachtgebäudes führte, in welchem Hobbie mit seiner Sippe wohnte.

Vergnügte Gesichter drängten sich an der Tür. Aber als man sah, daß Hobbie nicht allein kam, sondern einen fremden Mann mitbrachte, unterblieb manche spöttische Bemerkung, die Hobbie wegen seines magern Jagderfolges zu hören bekommen sollte. Unter den drei hübschen jungen Mädchen kam es zu manchem Hin und Her, weil jede von ihnen der andern das Amt zuschieben wollte, den fremden Jüngling in die Gast- oder Fremdenstube zu führen; wahrscheinlich aber drehte es sich darum, daß sich keine im Hauskleide hübsch genug vorkam, um einem andern Jüngling, als dem eigenen Bruder, sich zu zeigen.

Unterdes kanzelte Hobbie sie alle zusammen – bloß Grace nicht, denn die war nicht dabei – auf herzliche, aber ziemlich resolute Weise ab, nahm der einen von diesen Dorfschönen das Licht aus der Hand, mit dem sie nicht ungeschickt spielte, und führte seinen Gast zuvörderst in die Familienstube oder »Halle«. Das Pachthaus war nämlich in früherer Zeit eine Art Bollwerk gewesen, eingerichtet zur Verteidigung gegen Grenzer und Wegelagerer, deshalb war die große oder Familienstube gewölbt und gepflastert, zufolgedessen freilich auch feucht und im Vergleich mit den Bauernhäusern unserer Tage nichts weniger als heimlich oder gemütlich. Immerhin meinte Earnscliff, gegen die Dunkelheit und den rauhen Wind draußen mit dem durch ein helles, mächtiges Feuer von Torfstücken und Erlenscheiten gut durchwärmten Raume keinen schlechten Tausch gemacht zu haben. Die alte würdige Dame in dem engen, saubern Rock aus hausgesponnener Wolle, mit der großen, goldenen Halskette und den schweren goldnen Ohrbommeln und dem Käppchen mit Flügelhaube auf dem greisen Haupte, die Herrin über Haus und Sippe und einer Edeldame nicht minder gleich als der Frau eines Pächters, zumal sich in ihr ja beides verkörperte, hieß den Jüngling wiederholt mit freundlichem Worte willkommen; sie saß an der Ecke des großen Kamins in einem geflochtenen Lehnstuhl und überwachte von hier aus die abendlichen Arbeiten der Mädchen und der Hausmägde, die hinter ihren jungen Herrinnen saßen, emsig die Spindel drehend.

Als man sich der Pflichten gegen Earnscliff durch freundlichen Willkommen entledigt und Weisung gegeben hatte zur Herrichtung des Abendtischs, kam Hobbie an die Reihe, gegen den von der Urahn sowohl wie von den Schwestern ein spöttisches Kleingewehrfeuer wegen seines mäßigen Jagdglückes eröffnet wurde.

»Für das bißchen Wildpret, das Hobbie mit heim gebracht hat, brauchte Jenny wahrlich das Küchenfeuer nicht in Glut zu halten!« sagte die eine der Schwestern.

»Die glimmende Torfasche hätte, ein bißchen derb angeblasen, wohl ausgereicht, um Hobbies Wildpret gar zu rösten,« meinte eine andre.

»Ein Lichtstumpf, in den der Wind sich gesetzt hatte, möchte es wohl auch getan haben!« bemerkte eine dritte; »ich an seiner Stelle hätte mich doch noch mit einer Krähe oder Dohle dick getan, statt mich dreimal ohne Hirschgeweih nach Hause zu trollen!«

Hobbie blickte von der einen zur andern, die Stirne runzelnd und schelmisch dabei lächelnd. Er suchte sogar dadurch, daß er des Geschenks Erwähnung tat, das ihm sein Kamerad machen wollte, bei den Frauen eine günstigere Meinung von sich zu wecken.

»Als ich jung war,« mischte die alte Dame sich in das Gespräch, »hätte sich jeder Mann geschämt, der nicht, einem Krämer gleich, der mit Kalbfellen handelt, mit einem Rehbock auf jeder Pferdseite nach Haus gekommen wäre.«

»Wenn uns die Jäger früherer Jahre bloß noch Wild übrig gelassen hätten,« versetzte Hobbie; »aber Eure Altersgenossen haben, wie mir scheint, ratzekahl damit aufgeräumt!«

»Du siehst aber doch, Hobbie,« meinte die älteste Schwester mit einem Seitenblick auf Earnscliff, »daß andre Leute Wild finden! So unmöglich, wie Ihr es darstellen wollt, ist's doch wohl nicht!«

»Schon gut, Mädel! Schon gut!« rief Hobbie lachend, »hat denn nicht jeder Hund seinen guten Tag? ... Mag mir Earnscliff nicht übel nehmen, daß ich das alte Sprichwort zitiere! ... Kann ich nicht ein andermal sein Glück und er mein Pech haben? Den ganzen Tag auf den Beinen und auf dem Heimwege von Kobolden heimgesucht zu werden, ist kein Spaß, auch für einen Mann nicht; über sich dann abends noch von Weibsvolk aufziehen und ausschelten zu lassen, das den ganzen Tag nichts weiter zu tun hat als die Spindel zu drehen oder ein paar Lumpen zu flicken, das kann einem erst recht nicht passen!«

»Von Kobolden heimgesucht!« riefen wie aus einem Munde Urahn, Mädchen und Mägde; denn damals spielten in Schottlands Tälern und Schluchten Gespenster eine gar wichtige Rolle, wie schließlich wohl auch heute noch!

»Nun, ein Kobold war es wohl nicht grade, was uns an der granitnen Säule in den Weg kam! Ihr habt's ja auch gesehen, Earnscliff, so gut wie ich!«

Und nun erzählte er, ohne zu übertreiben, wie er zu erzählen gewohnt war, die Begegnung mit dem geheimnisvollen Wesen im Mucklestane-Moor, und als er auserzählt hatte, da setzte er noch bei, was es hätte sein können, das er gesehen, wisse er nicht zu sagen, außer daß er vermute, wenn es der böse Feind nicht selbst gewesen, so könne es wohl bloß einer von den alten Pikten gewesen sein, die vor langer, langer Zeit des Landes Herren waren.

»Einer von den alten Pikten!« widerholte die Urahn; »nicht doch, nicht doch! Gott halte seine Hand über dich, mein Kind! Ein Pikte war das nicht, das war das braune Moormännchen! Daß Unglück komme über die böse Zeit! Wie kann es geschehen, daß böse Wesen erscheinen zur Qual unsers armen Landes, wo sich ja jetzt alles in Ruhe und Frieden befindet und in Liebe lebt unter dem Schutze des Rechts? O daß Unglück über ihn komme! Nimmer brachte er Gutes dem Land und seinen Bewohnern. Mein Vater hat mir oft erzählt, daß das Moorgespenst gesehen wurde im Jahre der blutigen Schlacht von Marston-Moor, und dann wieder bei den Unruhen des Marquis von Montrose, und vor der schweren Niederlage von Dunbar, und meiner Lebtage, als die Schlacht an der Bothwellbrücke geschlagen wurde. Auch sagt man, daß der Laird von Benarbuck mit der Prophetengabe, kurz vor der Landung des Herzogs von Argyle, eine Zeitlang mit ihm Unterredungen gepflogen hätte. Allein darüber kann ich nichts Genaues sagen; denn es ist geschehen im fernen Westen. Ach, Kinder, das graue Moormännchen darf nie erscheinen außer in schlimmer Zeit. Drum bete ein jedes von euch zu Ihm, dem Allmächtigen, der allein helfen kann zur Zeit der Wirrsal und Bedrängnis!«

Jetzt mischte Earnscliff sich ein, um seiner festen Überzeugung Ausdruck zu geben, daß die Person, die er gesehen habe, ein armer, mit Wahnsinn geschlagener Mensch gewesen sei, der keinen Auftrag aus der unsichtbaren Welt besessen habe, Krieg oder Unheil zu künden. Aber seine Meinung fand keine willigen Ohren; es vereinigten sich vielmehr alle in der inständigen Bitte, er möge seine Absicht, am folgenden Tage zu dem Platze zurückzukehren, fallen lassen.

»O, mein liebes Kind,« nahm die Urahn wieder das Wort, die in ihrer Herzensgüte das Elternwort für alle brauchte, zu denen sie Liebe fühlte, »Ihr solltet Euch mehr schonen als andere! Denn Euer Haus hat schwerer Verlust betroffen durch Eures Vaters vergossenes Blut und durch Prozesse, auch sonst mancherlei Schaden gelitten! Ihr seid die Blume der Herde, das junge Reis, das den alten Stamm wieder aufrichten soll, und eine Feste für alle die Euren! Ihr vor allem habt Ursache, Euch zu hüten vor Abenteuern; war doch Euer Geschlecht immer verwegen und kühn und ist doch deshalb viel Unglück über Euch gekommen!«

»Aber, meine liebe Urahn und Freundin! Daß ich mich fürchten soll am hellen Tage ins offene Moor zu gehen, das wollt doch auch Ihr nicht!«

»Ich weiß nicht,« lautete die Antwort der wackern alten Frau, »ich würde nimmer einem Sohn von mir oder einem Freunde von mir raten, die Hand von einer guten Sache zu ziehen, gleichviel ob es die eigene sei oder die eines Freundes. Zu dergleichen würde ich niemals auffordern, so wenig wie sonst wer aus edlem Geschlecht! Aber ein graues Haupt wie das meine kann sich des Gedankens nicht erwehren, daß es wider das Gesetz sei und wider die Heilige Schrift, wenn jemand ausgeht, Böses zu suchen, mit dem er nichts zu schaffen hat!«

Earnscliff sah, daß ihm keine Hoffnung winke, der Ansicht, die er von dem Vorfall hatte, andere teilhaftig zu machen. Drum verzichtete er auf weitere Erörterung hierüber. Zudem machte das Herrichten des Abendtisches der Unterhaltung ein Ende. Inzwischen war auch Grace in die Stube getreten. Hobbie führte sie zum Tische hin und setzte sich neben sie, nicht ohne einen bezeichnenden Blick auf seinen Kameraden zu werfen. Auf die Wangen der jungen Dirnen führte die Lustigkeit, die wieder einkehrte, und die muntere Unterhaltung, an der die Urahn mit jenem Frohsinn sich beteiligte, der dem Greisenalter so wohl ansteht, die Rosen wieder, die des Bruders Spukgeschichte verscheucht hatte; und eine ganze Stunde lang nach dem Essen wurde von dem jungen Volk in der großen Hausstube getanzt und gesungen, als ob es Kobolde in der ganzen großen Welt nicht gebe.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der schwarze Zwerg