Kapitel 4 - Erste Offizierszeit (Herbst 1912)

Endlich bekam ich die Epaulettes. So ungefähr das stolzeste Gefühl, was ich je gehabt habe, mit einem Male »Herr Leutnant« angeredet zu werden.

Mein Vater kaufte mir eine sehr schöne Stute, »Santuzza« genannt. Sie war das reinste Wundertier und unverwüstlich. Ging vor dem Zuge wie ein Lamm. Allmählich entdeckte ich in ihr ein großes Springvermögen. Sofort war ich dazu entschlossen, aus der guten braven Stute ein Springpferd zu machen. Sie sprang ganz fabelhaft. Ein Koppelrick von einem Meter sechzig Zentimeter habe ich mit ihr selbst gesprungen.


Ich fand große Unterstützung und viel Verständnis bei meinem Kameraden von Wedel, der mit seinem Chargenpferd »Fandango« so manchen schönen Preis davongetragen hatte.

So trainierten wir beide für eine Springkonkurrenz und einen Geländeritt in Breslau. »Fandango« machte sich glänzend, »Santuzza« gab sich große Mühe und leistete auch Gutes. Ich hatte Aussichten, etwas mit ihr zu schaffen. Am Tage, bevor sie verladen wurde, konnte ich es mir nicht verkneifen, nochmals alle Hindernisse in unserem Springgarten mit ihr zu nehmen. Dabei schlitterten wir hin. »Santuzza« quetschte sich etwas ihre Schulter, und ich knaxte mir mein Schlüsselbein an.

Von meiner guten dicken Stute »Santuzza« verlangte ich im Training auch Leistungen auf Geschwindigkeit und war sehr erstaunt, als von Wedels Vollblüter sie schlug.

Ein andermal hatte ich das Glück, bei der Olympiade in Breslau einen sehr schönen Fuchs zu reiten. Der Geländeritt fing an, und mein Wallach war im zweiten Drittel noch ganz und munter, so daß ich Aussichten auf Erfolg hatte. Da kommt das letzte Hindernis. Ich sah schon von weitem, daß dies etwas ganz Besonderes sein mußte, da sich eine Unmenge Volks dort angesammelt hatte. Ich dachte mir: »Nur Mut, die Sache wird schon schief gehen!« und kam in windender Fahrt den Damm heraufgesaust, auf dem ein Koppelrick stand. Das Publikum winkte mir immer zu, ich sollte nicht so schnell reiten, aber ich sah und hörte nichts mehr. Mein Fuchs nimmt das Koppelrick oben auf dem Damm, und zu meinem größten Erstaunen geht’s auf der anderen Seite in die Weistritz. Ehe ich mich versah, springt das Tier in einem Riesensatz den Abhang herunter, und Roß und Reiter verschwinden in den Fluten. Natürlich gingen wir »über Kopf«. »Felix« kam auf dieser Seite raus und Manfred auf der anderen. Beim Zurückwiegen nach Schluß des Geländerittes stellte man mit großem Erstaunen fest, daß ich nicht die üblichen zwei Pfund abgenommen hatte, sondern zehn Pfund schwerer geworden war. Daß ich glitschenaß war, sah man mir Gott sei Dank nicht an.

Ich besaß auch einen sehr guten Charger, und dieses Unglückstier mußte alles machen. Rennen laufen, Geländeritte, Springkonkurrenzen, vor dem Zuge gehen, kurz und gut, es gab keine Übung, in der das gute Tier nicht ausgebildet war. Das war meine brave »Blume«. Auf ihr hatte ich sehr nette Erfolge. Mein letzter ist der im Kaiserpreis-Ritt 1913. Ich war der einzige, der die Geländestrecke ohne Fehler überwunden hatte. Mir passierte dabei eine Sache, die nicht so leicht nachgemacht werden wird. Ich galoppierte über eine Heide und stand plötzlich Kopf. Das Pferd war in ein Karnickelloch getreten, und ich hatte mir beim Sturz das Schlüsselbein gebrochen. Damit war ich noch siebzig Kilometer geritten, hatte dabei keinen Fehler gemacht und die Zeit innegehalten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der rote Kampfflieger