Kapitel 39 - Moritz -

Das schönste Wesen, das je die Welt geschaffen hat, ist die echte Ulmer Dogge, mein »kleines Schoßhündchen«, der »Moritz«. Ich habe ihn in Ostende von einem braven Belgier für fünf Mark gekauft. Die Mutter war ein schönes Tier, einer seiner Väter auch, also ganz »rasserein«. Davon bin ich überzeugt. Ich hatte die Auswahl und suchte mir den niedlichsten heraus. Zeumer nahm sich einen zweiten und nannte ihn »Max«. Max fand ein jähes Ende unter einem Auto, Moritz aber gedieh vortrefflich. Er schlief mit mir im Bett und wurde vorzüglich erzogen. Er hat mich von Ostende ab auf Schritt und Tritt begleitet und ist mir sehr ans Herz gewachsen. Von Monat zu Monat wurde Moritz groß und größer, und es entwickelte sich so allmählich aus dem zarten Schoßhündchen ein ganz ungeheuer großes Tier.

Ich habe ihn sogar einmal mitgenommen. Er ist mein erster »Franz« gewesen. Er benahm sich dabei sehr vernünftig, und sehr interessiert beäugte er sich die Welt von oben. Nur meine Monteure schimpften nachher, daß sie das Flugzeug von einigen unangenehmen Dingen reinigen mußten. Moritz war aber nachher wieder sehr vergnügt.


Er ist nun schon über ein Jahr alt und immer noch das kindische Tier von einigen Monaten. Er spielt sehr gut Billard. Leider geht dabei so manche Kugel, besonders aber so manches Billardtuch flöten. Er hat auch eine Riesen-Jagdpassion. Meine Monteure sind darüber sehr glücklich, denn er fängt ihnen so manchen schönen Hasenbraten. Von mir kriegt er immer dafür etwas Senge, denn ich bin weniger erbaut von dieser Passion.

Er hatte eine dumme Eigenschaft. Er liebte es, die Flugzeuge bei jedem Start zu begleiten. Der normale Tod eines Fliegerhundes ist bei dieser Gelegenheit der Tod durch den Propeller. Wieder einmal jagte er vor einem startenden Flugzeug einher, wird natürlich eingeholt und – ein sehr schöner Propeller war hin. Moritz heulte schrecklich, und eine von mir versäumte Maßnahme wurde auf diese Weise nachgeholt. Ich habe mich immer gesträubt, ihn koupieren zu lassen, d. h. im besonderen ihm die Ohren beschneiden zu lassen. Auf der einen Seite hat es nun der Propeller nachgeholt. Die Schönheit hat ihn nie gedrückt, aber das eine Klappohr und das andere halbkoupierte stehen ihm recht gut. Überhaupt, wenn der Ringelschwanz nicht wäre, wäre es eine richtige, echte Ulmer Dogge.

Moritz hat den Weltkrieg und unsere Feinde richtig erfaßt. Wie er zum erstenmal im Sommer 1916 russische Eingeborene sah – der Zug hielt, und Moritz wurde etwas spazieren geführt –, verjagte er die hinzugelaufene russische Jugend mit ungeheurem Gekläff. Auch Franzosen schätzt er nicht, trotzdem er ja eigentlich selbst ein Belgier ist. Ich gab mal in einem neuen Quartier Einwohnern den Auftrag, das Haus zu säubern. Wie ich abends wiederkam, war nichts gemacht. Verärgert lasse ich mir einen Franzosen kommen. Kaum macht er die Tür auf, begrüßt ihn Moritz etwas unliebenswürdig. Nun konnte ich mir erklären, weshalb die Herren mein Château gemieden hatten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der rote Kampfflieger