Kapitel 37 - Erste Dublette

Der 2. April 1917 war wieder einmal ein heißer Tag für meine Staffel. Von meinem Platze aus konnten wir deutlich das Trommelfeuer hören, und gerade heute war es mal wieder sehr heftig.

Ich lag noch im Bett, da kommt mein Bursche zu mir hereingestürzt mit dem Ausruf: »Herr Leutnant, die Engländer sind schon da!« Noch etwas verschlafen gucke ich zum Fenster ’raus, und tatsächlich, da kreisen über dem Platz bereits meine lieben Freunde. Ich ’raus aus meinem Bett, die Sachen angezogen, war eins. Mein roter Vogel stand zur Morgenarbeit am Start. Meine Monteure wußten, daß ich diesen günstigen Augenblick wohl nicht ungenützt vorübergehen lassen würde. Alles war fertig. Schnell noch die Warmpelze, dann geht’s los.


Ich war als letzter gestartet. Meine anderen Kameraden waren dem Feind viel näher. Ich fürchtete schon, daß mir mein Braten entgehen würde, so daß ich von weitem zusehen müßte, wie vor meinen Augen sich einige Luftkämpfe abspielen. Da plötzlich fällt einem der frechen Kunden ein, auf mich herunterzustoßen. Ich lasse ihn ruhig herankommen, und nun beginnt ein lustiger Tanz. Bald fliegt mein Gegner auf dem Rücken, bald macht er dies, bald jenes. Es war ein zweisitziges Jagdflugzeug. Ich war ihm über, und so erkannte ich denn bald, daß er mir eigentlich nicht mehr entgehen konnte. In einer Gefechtspause überzeugte ich mich, daß wir uns alleine gegenüberstanden. Also, wer besser schießt, wer die größere Ruhe und den besseren Überblick im Augenblick der Gefahr hat, der gewinnt.

Es dauerte nicht lange, da hatte ich ihn ’runtergedrückt, ohne ihn wirklich ernstlich angeschossen zu haben, mindestens zwei Kilometer von der Front entfernt. Ich denke, er will landen, aber da habe ich mich in meinem Gegner verrechnet. Mit einem Male sehe ich, wie er, nur wenige Meter über dem Erdboden, plötzlich wieder geradeaus fliegt und mir zu entkommen sucht. Das war mir doch zu bunt. Ich griff ihn nochmals an und zwar so niedrig, daß ich fast fürchtete, die Häuser eines unter mir liegenden Dorfes zu berühren. Der Engländer wehrte sich bis zum letzten Augenblick. Noch ganz zum Schluß spürte ich einen Treffer in meiner Maschine. Nun ließ ich aber nicht mehr locker, jetzt mußte er fallen. Er rannte mit voller Fahrt in einen Häuserblock hinein.

Viel war nicht mehr übrig. Es war wieder ein Fall glänzenden Schneids. Er verteidigte sich bis zum Letzten. Aber meiner Ansicht nach war es zum Schluß doch mehr Dummheit von ihm. Es war eben mal wieder der Punkt, wo ich eine Grenze zwischen Schneid und Dummheit ziehe. Runter mußte er doch. So hatte er seine Dummheit mit dem Leben bezahlen müssen.

*

Sehr vergnügt über die Leistungen meines roten Stahlrosses bei der Morgenarbeit kehrte ich zurück. Meine Kameraden waren noch in der Luft und waren sehr erstaunt, als wir uns beim Frühstück trafen und ich ihnen von meiner Nummer Zweiunddreißig erzählen konnte.

Ein ganz junger Leutnant hatte seinen Ersten abgeschossen, wir waren sehr vergnügt und bereiteten uns für neue Kämpfe vor.

Ich hole meine versäumte Morgentoilette nach. Da kommt ein guter Freund – Leutnant Voß von der Jagdstaffel Boelcke – zu mir, um mich zu besuchen. Wir unterhalten uns. Voß hatte am Tage vorher seinen Dreiundzwanzigsten erledigt. Er stand also mir am nächsten und ist wohl zurzeit mein heftigster Konkurrent.

Wie er nach Hause fliegt, wollte ich ihn noch ein Stückchen begleiten. Wir machen einen Umweg über die Front. Das Wetter ist eigentlich sehr schlecht geworden, so daß wir nicht annehmen konnten, noch Weidmannsheil zu haben.

Unter uns geschlossene Wolken. Voß, dem die Gegend unbekannt war, fing es schon an, ungemütlich zu werden. Über Arras traf ich meinen Bruder, der gleichfalls bei meiner Staffel ist und sein Geschwader verloren hatte. Er schließt sich uns auch an. Er wußte ja, daß ich es bin (roter Vogel).

Da sehen wir von drüben ein Geschwader ankommen. Sofort zuckt es mir durch den Kopf: »Nummer Dreiunddreißig!« Trotzdem es neun Engländer waren und auf ihrem Gebiet, zogen sie es doch vor, den Kampf zu meiden. (Ich werde nächstens doch mal die Farbe wechseln müssen.) Aber wir holten sie doch ein. Schnelle Maschine ist eben die Hauptsache.

Ich bin dem Feind am nächsten und greife den hintersten an. Zu meinem größten Entzücken merke ich, daß er sich gleich in den Kampf mit mir einläßt, und mit noch viel größerem Vergnügen, daß ihn seine Kameraden im Stich lassen. Ich habe ihn also bald allein vor. Es ist wiederum derselbe Typ, mit dem ich es vormittags zu tun hatte. Er machte es mir nicht leicht. Er weiß, worauf es ankommt, und besonders aber: der Kerl schoß gut. Das konnte ich zu meinem Leidwesen nachher noch ziemlich genau feststellen. Der günstige Wind kommt mir zu Hilfe und treibt uns beide Kämpfenden über unsere Linien. Der Gegner merkt, daß die Sache doch nicht so einfach ist, wie er sich wohl gedacht hat, und verschwindet in einem Sturzflug in einer Wolke. Beinahe war es seine Rettung. Ich stoße hinter ihm her, komme unten heraus und – Anlauf muß eben der Mensch haben – ich sitze wie durch ein Wunder genau hinter ihm. Ich schieße, er schießt, aber kein greifbares Resultat. Da – endlich habe ich ihn getroffen. Ich merke es an dem weißen Benzindunst, der hinter seinem Apparat zurückbleibt. Er muß also landen, denn sein Motor bleibt stehen.

Er war aber doch ein hartnäckiger Bursche. Er mußte erkennen, daß er ausgespielt hatte. Schoß er nun noch weiter, so konnte ich ihn sofort totschießen, denn wir waren mittlerweile nur noch dreihundert Meter hoch. Aber der Kerl verteidigte sich genau wie der von heute morgen, bis er unten gelandet war. Nach seiner Landung flog ich nochmals über ihn hinweg in zehn Metern Höhe, um festzustellen, ob ich ihn totgeschossen hatte oder nicht. Was macht der Kerl? Er nimmt sein Maschinengewehr und zerschießt mir die ganze Maschine.

Voß sagte nachher zu mir, wenn ihm das passiert wäre, hätte er ihn nachträglich noch auf dem Boden totgeschossen. Eigentlich hätte ich es auch machen müssen, denn er hatte sich eben noch nicht ergeben. Er war übrigens einer von den wenigen Glücklichen, die am Leben geblieben sind.

Sehr vergnügt flog ich nach Hause und konnte meinen Dreiunddreißigsten feiern.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der rote Kampfflieger