Kapitel 16 - Mein erster Luftkampf (1. September 1915)

Zeumer und ich hätten zu gerne mal einen Luftkampf gehabt. Wir flogen natürlich unser Großkampfflugzeug. Schon allein der Name des Kahnes gab uns einen solchen Mut, daß wir es für ausgeschlossen hielten, ein Gegner könnte uns entgehen.

Wir flogen am Tage fünf bis sechs Stunden, ohne je einen Engländer gesehen zu haben. Schon ganz entmutigt begaben wir uns eines Morgens wieder auf Jagd. Mit einemmal entdeckte ich einen Farman, der ungeniert seine Aufklärung fliegen wollte. Mir pochte das Herz, wie Zeumer auf ihn zuflog. Ich war gespannt, was sich nun eigentlich abspielen würde. Ich hatte nie einen Luftkampf gesehen und machte mir nur ganz dunkle Vorstellungen, so etwa wie du, mein lieber Leser.


Ehe ich mich versah, waren wir beide, der Engländer und ich, aneinander vorbeigesaust. Ich hatte höchstens vier Schuß abgegeben, während der Engländer plötzlich hinter uns saß und uns den ganzen Laden voll schoß. Ich muß sagen, ich hatte nicht das Gefühl der Gefahr, weil ich mir auch gar nicht vorstellen konnte, wie nun eigentlich das Endresultat so eines Kampfes aussehen würde. Wir drehten uns noch einige Male umeinander, bis schließlich der Engländer zu unserem größten Erstaunen ganz vergnügt kehrtmachte und weiterflog. Ich war stark enttäuscht, mein Führer auch.

Zu Hause angekommen, waren wir beide sehr schlechter Laune. Er machte mir Vorwürfe, ich hätte schlecht geschossen, ich machte ihm Vorwürfe, er hätte mich nicht recht zum Schuß gebracht – kurz und gut, unsere Flugzeugehe, die sonst so tadellos war, hatte mit einemmal einen Knacks.

Wir beschauten uns unsere Kiste und stellten fest, daß wir eigentlich eine ganz anständige Zahl von Treffern drinnen hatten.

Noch am selben Tage unternahmen wir einen zweiten Jagdflug, der aber ebenso ergebnislos blieb. Ich war sehr traurig, denn ich hatte es mir bei einem Kampfgeschwader ganz anders vorgestellt. Ich glaubte immer, wenn ich mal zum Schuß käme, dann müßte der Bruder auch fallen. Bald mußte ich mich aber davon überzeugen, daß so ein Flugzeug ungeheuer viel verträgt. Schließlich gelangte ich zu der Überzeugung, ich könne noch so viel schießen und würde doch nie einen ’runterbekommen.

An Mut hatten wir es nicht fehlen lassen. Zeumer konnte fliegen wie selten einer, und ich war ein ganz leidlicher Kugelschütze. Wir standen also vor einem Rätsel. Es ging nicht bloß mir alleine so, sondern es geht noch heute vielen anderen ebenso. Die Geschichte will eben wirklich verstanden sein.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der rote Kampfflieger