Sagen von der wilden Jagd. (Wodan u. Frick.)

Die Gestalten, welche wir in Volksglaube, Sage und in den Resten des Kultus weiter verfolgen wollen, sind zunächst die des Wodan oder Gwodan und seiner Gemahlin der Frea oder Frick (8). An sie knüpfen sich noch von allen Göttern die meisten Erinnerungen aus dem alten Heidentum, sie sind es, welche uns ausdrücklich durch die ältesten Zeugnisse als die Hauptgötter des deutschen Festlandes hingestellt werden, wie sie auch an der Spitze des nah verwandten nordischen Götterhimmels erscheinen *). Zunächst ist es aber die weitverbreitete Sage vom wilden Jäger oder der wilden Jagd, welche sich hier der Betrachtung in den Vordergrund drängt, und die auch noch im Glauben des Volkes selbst, zumal in waldreichen Gegenden, am meisten festgehalten wird.

*) Vergl. Grimm, Mythen unter "Wuotan und Frikka. besonders ist hier die Stammsage der Longobarden bemerkenswert, wie sie Paulus Diaconus erzählt, in der Wodan (Wuotan) und seine Gemahlin Frea (Frikka) auftreten, welche ganz dem nordischen Odhin und der Frigg entsprechen.


Wie der griechische Volksglaube die Hekate mit ihren Hunden durch die Wälder ziehen ließ (Lucian Philops. c. 22 sqq.), und auch von den Göttern des homerischen Himmels die ihr nah verwandte Artemis sich als jagende Gottheit bekundet, ihren Bruder Apollo noch Bogen und Pfeil ursprünglich als solchen bezeichnet *): so tritt auch noch jetzt beim deutschen Landvolke fast überall, wenn auch schon im Verbleichen, der Glaube an ein übermächtiges Wesen, das besonders zur Nachtzeit, wenn der Sturm dahinheult, in wilder Jagd mit seinen Hunden durch die Wälder zieht, hervor. Mag auch die Aufklärung dagegen ankämpfen und die Erscheinung aus dem Brausen und Heulen des Windes, so wie aus dem Geschrei der von demselben aufgeregten Vögel, namentlich der Eulen, erklären, das Übrige aber als Visionen deuten, wie sie durch eine in solchen Lagen natürliche Beklommenheit des Gemüts veranlasst werden und sich dann den überlieferten Erzählungen anschließen: der Glaube ist fast nirgends schon ganz ausgerottet, die Vorstellung selbst wenigstens noch allgemein bekannt. Der Name aber sowohl, welcher an den verschiedenen Orten für diese Erscheinung eintritt, als auch die damit verbundenen Sagen zeigen uns ganz deutlich den oben genannten Gott oder die Göttin an der Spitze dieses Zuges in riesenhaft gespenstischer Gestalt, was in allen Mythologien, als der ursprünglichere Charakter der Gottheiten erscheint **).

*) [s. Urspr. der Myth. die Stellen im Register unter „Wilder Jäger."]
**) Auch bei Homer blickt der riesenhafte Charakter der Götter noch hindurch, vergl. Grimm, Myth. 1844, p. 289.


Hat die Mittelmark gleich nur die allgemeine Bezeichnung der wilde Jäger oder die wilde Jagd bewahrt *), so weist die Uckermark schon den Namen der Frick in dieser Beziehung auf, dort heißt es: die olle Frick jage mit ihren Hunden **). In einzelnen Teilen Pommerns, in Mecklenburg und Holstein, so wie in der Priegnitz und dem nördlichen Theile (9) der Altmark lässt man den Wodan selber zu Zeiten noch ziehen ***).

*) Auch in anderen Gegenden, wo sonst noch bestimmtere Namen auftreten, kehrt die Bezeichnung der wilde Jäger oder ewige Jäger wieder.
**) Norddeutsche Sagen
***) Grimm, Mythologie 1844, p. 871, 876 sqq. Müllenhoff, Schleswigholsteinische Sagen, p. 372, vergl. Vorrede p. 45. Mark. Sagen, S. 217, Norddeutsche Sagen S. 2. vergl. Gebr. Kap. XIV. [Niederhöffer Mecklenburger Volkssagen. Leipzig 1858 II. p. 91 f., m. p. 190 f.]


In den verschiedensten Formen hat sich diese Überlieferung dort erhalten. In den ersteren Gegenden tritt noch direkt die Redeweise „de Wode tüt“ oder „jaget“ auf, in den letzteren, so wie auch schon in dem Teile Mecklenburgs, welcher der Elbe zu liegt, erscheint dafür die Form Frau Gauden, Fru Gode u. dergl., was, wie wir weiter unten sehen werden, ebendahin zielt, mag es ursprünglich als ein weibliches Wesen neben dem männlichen gefasst oder nur aus Missverständnis im Laufe der Zeiten so gedeutet sein; wie auch noch neuerdings in Niederhöffers Mecklenburgischen Sagen von einer wilden Jägerin Frau Wauer aus der Gegend von Sukow bei Criwitz berichtet wird. Wenn man dann im übrigen Teil der Altmark und im Hannoverschen zwischen Elbe und Weser, ja noch stellenweise über die Weser hinaus, bei dieser Gelegenheit sagt: „der Helljäger jagt“ *), und südlicher, am Oberharz, im Braunschweigschen und Göttingschen: „der Hackelberg“ **), so sind dies, wie auch J. Grimm namentlich von dem letzteren nachgewiesen, nichts als alte Beinamen oder besondere Bezeichnungen desselben Gottes.

*) Märkische Sagen, S. 23., Norddeutsche Sagen, S. 150, 310, vergl. Anm. und die dort aus Grimm citirten Stellen.
**) Märkische Sagen, S. 17, Norddeutsche Sagen, S. 182, 203, 2G5, 281. Abergl. 248 und Anm. dazu, sowie Grimm, Myth. 1844, p. 873 sqq.


Im Osnabrückschen und im Saterlande endlich taucht der Name des Wodan selber wieder auf, dort heißt es unter Anderem z. B. der Woejäger *), hier der Woiinjäger **) jage. Wie aber oben schon angedeutet, sind stellenweise auch einzelne bedeutende oder eigentümliche Männer, die einen gewaltigen oder wunderbaren Eindruck auf das Volk gemacht und in seiner Erinnerung fortgelebt, an die Stelle des alten Gottes getreten. So lässt man bei Prenden in der Mark den alten Sparr aus der Zeit des großen Kurfürsten mit der wilden Jagd ziehen ***), in der Uckermark einen Grafen Schlippenbach †), in Schleswig-Holstein König Waldemar ††) und König Abel u. s. w. †††) Wenn somit diese Vorstellung sich noch, wenn auch in verschiedener landschaftlicher Gruppierung, über ganz Norddeutschland verbreitet zeigt, so kehren auch überall in den Sagen, welche sich daran reihen, neben Besonderem dieselben Grundzüge wieder und gruppieren sich dann mit jenem vereint zu einem gemeinsamen großen Bilde. Wir werden deshalb die einzelnen Landschaften durchwandern.

*) Norddeutsche Sagen, S. 324.
**) Norddeutsche Sagen. Aberglauben 244.
***) Norddeutsche Sagen, S. 76.
†) Norddeutsche Sagen, S. G3.
††) Müllenhoff, Schl.-Holst. Sagen, p. 361.
†††) Ebendaselbst, p. 362.


Die Mittelmark also, um mit dieser anzufangen, kennt die Erscheinung nur unter dem Namen der wilden Jagd oder des wilden Jägers. Bald ist es ein ganzer Geisterzug, an dessen Spitze mir einer hervorragt, bald ein einzelner, gewaltiger-Jäger, der im Geheul des Windes mit seinen Hunden durch die Luft zieht *), und dem der nächtliche Wanderer sich wohl hüten muss, irgendwie zu nahe zu kommen, wenn er nicht übel fahren will. „So“, heißt es, „trieb einmal ein Junge sein Vieh nach dem Renneberg zu, der bei Jänickendorf unweit Luckenwalde liegt, da hörte er plötzlich über sich eine wunderschöne Musik, dazwischen aber ein gewaltiges Brausen, Heulen und Bellen der Hunde und den Ruf der Jäger. Da hat er sich denn, weil er schon von der wilden Jagd gehört, still zur Erde gebückt, und die wilde Jagd ist über ihn fortgezogen, ohne ihm etwas zu Leide zu tun. Schlimm ist's dagegen einem andern ergangen, der auf der Wiese nach Schönfeld zu bei einem Feuer, das er sich angemacht hatte, lag; der hörte nämlich eine Stimme, die ihm zurief: „Steh auf.“ Er aber blieb liegen und regte sich auch nicht, als es zum zweiten und zum (10) dritten Male rief. Da ward er plötzlich, weil er durchaus nicht von selbst gehen wollte, unter den Armen ergriffen und weit fortgeschleudert. Als er sich darauf etwas von seinem Schrecken erholt hatte, ging er zurück und fand nun das Feuer weit auseinander gerissen, so dass er sich die Kohlen erst mühsam wieder zusammen suchen musste.“ **) Nicht viel besser ging es einer Frau im Blumenthal bei Straußberg, die mit andern noch spät Abends im Walde war, wo sie Beeren gesucht.

*) In der nordischen Mythologie begleiten zwei Wölfe den Gott, wie den Hackelberg zwei Hunde.
**) Märkische Sagen, S. 96.


Da hörten sie nämlich, wird erzählt, von fern ein lautes „Hoho“, Peitschengeknall und Hundegebell. Weil ihr nun ein so arger Lärm im Walde noch nie vorgekommen, fragte die Frau die übrigen, was das wäre, und als sie erfuhr, dass es die wilde Jagd sei, ward sie neugierig und wollte doch gern mal den Zug, von dem sie schon so viel hatte erzählen hören, sehen; und wie sie nur wenige Schritte vorgegangen, wird der Lärm immer gewaltiger, und indem sie sich umblickt, sieht sie das Pferd des wilden Jägers dicht an ihrer Schulter; in demselben Augenblick ist sie aber auch schon zu Boden gerannt, und der Topf mit all den schönen Erdbeeren liegt zerbrochen an der Erde *).“ Wenn in diesen und ähnlichen Erlebnissen, wie sie an verschiedenen Orten wiedererzählt werden, der wilde Jäger nur Mangel an heiliger Scheu oder den Vorwitz strafend erscheint, so züchtigt er den Übermut auf derbere Weise. Wer es wagt in das Hallo des mächtigen Geistes irgendwie mit einzustimmen oder seiner gar zu spotten, dem wirft es eine Pferde-, zuweilen auch eine Menschen- oder Rehkeule herab, die ihm durch ihren Geruch eine abscheuliche Last wird und zauberhaft an ihm haftet, dass er sie nicht los werden kann. Gewöhnlich heißt es dabei, der wilde Jäger habe dazu gerufen:

      „Hast du mit helfen jagen,
      Musst du auch mit helfen knagen.“

*) Märkische Sagen, S. 175.

Solches erzählt man auch in der Gegend von Prenden vom alten Sparr, der, wie schon oben erwähnt, dem dortigen Glauben zu Folge, nach seinem Tode mit der wilden Jagd gezogen, d. h. also dort an die Stelle des wilden Jägers getreten ist. Da heißt es nämlich unter Anderem, dass ein Bauer, als er einmal bei Nacht das Hallo und Jagdgeschrei gehört, in seinem Übermut mit eingestimmt habe, aber alsbald sei es still geworden, und eine Stimme habe gerufen:

      „Hast du helfen jagen,
      Sollst du auch helfen tragen.“

Und damit sei ihm auch gleich eine Menschenlende auf den Rücken geflogen, an deren Fuß noch ordentlich der Schuh mit einer Schnalle saß, wo der Name dessen darauf stand, dem sie gehört, und wie sehr er sich auch bemüht, sie wieder los zu werden, es sei ihm dies nicht gelungen, denn so oft er sie auch abgeworfen, sie hätte ihm gleich wieder auf dem Rücken gesessen, bis er sie endlich auf den Rat Jemandes nach dem Sparrschen Wildkeller getragen und sie so glücklich losgeworden sei *). — Ähnlich wie diesem Bauer soll es auch einem Herrn v. Arnstadt auf Groß-Kreutz gegangen sein. Der lag nämlich einst Abends schon im Bett, als er die wilde Jagd vorüberziehen hörte und ihr ein „Halb Part“ nachrief. (11) Am anderen Morgen wird gesagt, habe er zu seinem Schrecken dicht vor seinem Fenster an einem gewaltigen Haken eine große Pferdekeule zu hängen gehabt, und so oft er sie auch fortnehmen, ja den Haken hätte herausreißen lassen, Haken und Keule seien immer wieder da gewesen **). Auch einem Förster bei Blankensee, der Abends im Fenster lag und spottend der wilden Jagd nachrief, warfs eine Rehkeule zum Fenster hinein mitten in das Zimmer, und die hat so übel gerochen, war auch auf keine Weise aus der Stube zu schaffen, dass Alles zuletzt hat hinausgehen müssen, da es vor Modergeruch nicht auszuhalten war ***).

*) Norddeutsche Sagen S. 76.
**) Märkische Sagen, S. 63.
***) Märkische Sagen, S. 102.


— Wir werden nachher noch auf diese Keule, welche der wilde Jäger dem Spötter zuwirft, zurückkommen, hier sei nur so viel bemerkt, dass, wenn es gewöhnlich eine Pferdekeule ist, dies noch recht deutlich ein heidnischer Zug zu sein scheint, denn der Genuss des Pferdefleisches war heidnisch, wie er überhaupt ja in Deutschland erst unter Einwirkung der Geistlichkeit abgekommen ist*). In allen diesen Sagen erscheint aber der alte Gott mehr von finsterer und böser Seite, nur selten ist er gnädig; dann wandelt sich die Pferdekeule, oder was er sonst reicht, am anderen Morgen in Gold.

*) Grimm, Mythol. p. 41.

Wenn aber die bisherigen Sagen ihn mehr in seinem Verhältnis zu den Menschen, welche ihm zufällig begegneten, schilderten, so bietet uns eine Havelländische Sage noch gradezu einen alten Mythos, in dem sich die Natur des Gottes noch genauer entfaltet, und der uns auch noch in anderer Beziehung weiter führen wird. Wie im griechischen Heidentum Apoll, dann aber auch Hermes die Nymphen oder nach einer Sage die Hekate selbst auf der Jagd verfolgt, wie man in Attica erzählte, der Nordwind Boreas habe die Oreithyia als Braut sich entfahrt: so jagt auch bei uns der wilde Jäger im -Windsgebraus einem geisterhaften Weibe nach. Die hierher schlagende Sage tritt freilich in einer Gestalt auf, die nichts von der Schönheit ähnlicher griechischer Sagen an sich trägt, so dass also die Vergleichung von der verschiedenen Szenerie absehen muss. Hier heißt es nämlich, zu einem Pferdeknecht, der mal des Nachts draußen in der Koppel bei den Pferden gewesen, die grade an einem Kreuzweg lag, sei eine Frau eilig gelaufen gekommen und habe ihn gebeten, sie doch über den Weg zu bringen. Erst hätte er es nicht tun wollen, endlich aber hätte er sich doch bereit dazu gefunden, da sie so flehentlich ihn gebeten, und hätte sie hinübergebracht. Sogleich sei sie, so schnell sie nur konnte, weiter gelaufen, sei aber wunderbarer Weise immer kleiner und kleiner geworden, dass sie zuletzt nur noch auf den Knien zu laufen schien. Gleich darauf sei auch ein kopfloser Reiter, der wilde Jäger nämlich, mit seinen Hunden angejagt gekommen und habe verlangt von dem Hirten ebenfalls über den Kreuzweg gebracht zu werden, denn er jage nun schon seit sieben Jahren nach jener Frau, und wenn er sie in dieser Nacht nicht bekomme, so sei sie erlöst. Da brachte denn der Hirt ihn samt seinen Hunden hinüber, und es dauerte auch nicht lange, so kam der wilde Jäger zurück und hatte die Frau, welche ganz nackt war, quer vor sich auf dem Pferde zu liegen *). — Eine ähnliche Sage finden wir in Mecklenburg **) und im Magdeburgischen ***)(12), hier heißt es geradezu, der wilde Jäger jage „seiner Buhle“ nach. †) Die Bedeutsamkeit dieser Sage selbst in den einzelnen Zügen tritt noch mehr hervor, sobald man nur ihr einfach eine gegenüber stellt, die Grimm vom Grönjetten auf der Insel Möen anführt ††).

*) Norddeutsche Sagen, S. 115. **) Ebendaselbst. ***) Ebend. S. 151. †) Auch in Mittel- und Süddeutschland jagt der wilde Jäger allerhand gespenstischen Weibern, den sogen. Moosleuten oder Holzweibchen der Sage gemäß nach. Vergl. Grimm, Myth. p. 881 sqq. ††) Grimm, Myth. p. 896.

Der Grönjette, „der bärtige Riese“, der jede Nacht das Haupt unter dem Arm durch den Grünewald zu Pferde, seine Meute um sich, jagt, dem zur Erntezeit die Bauern ein Bund Haber für sein Pferd hinlegen, dass er des Nachts nicht ihre Saaten zertrete; gerade wie dem Wodan es im nördlichen Deutschland geschah und, wie wir weiter unten sehen werden, noch bis in die neuesten Zeiten oft unbewusst geschieht; derselbe Grönjette also, in dem J. Grimm auch an der angeführten Stelle den Wodan erkennt, jagt nach der Meerfrau; ein Bauer sah ihn zurückkehren, wie er die Meerfrau tot quer über seinem Pferde zu liegen hatte: „sieben Jahr“, meinte er, „jagte ich ihr nach, auf Falster habe ich sie erlegt“. Die Übereinstimmung der Sagen fällt in die Augen. Wem aber ist nicht schon, wenn der im Tosen und Heulen des Sturmes dahinjagende Geist oder Gott, der Wodan, seiner Buhle nachjagend gedacht wird, der deutsche Ausdruck „die Windsbraut“ (venti conjux) eingefallen, der auch in älteren Dialekten vorkommt und mehr den einzelnen Windstoß, den Wirbelwind, welcher dem Sturm vorangeht, bezeichnet, während im wilden Jäger mehr ein größeres Unwetter hervortritt? *) und so erscheint denn auch in einer märkischen Sage die Windsbraut ganz in ähnlicher Weise persönlich aufgefasst, wie sonst der wilde Jäger **). „Es war“, heißt es, ?ein Edelfräulein, welches die Jagd über Alles liebte und die Saaten des Landmannes verheerte, dafür ist sie nun verwünscht mit dem Sturm in alle Ewigkeit dahinzufahren.“

*) Grimm, Myth. p. 598. **) Märkische Sagen, S. 167.

Noch mehr Halt gewinnt diese Vorstellung durch den Glauben, den Wolf aus den Niederlanden berichtet. „Wenn Wirbelwinde“, heißt es dort, „auf Erden wüten und Alles mit sich fortreißen, so ist das nichts Anderes, als die fahrende Mutter, welche ihre Umzüge hält, gerade wie auch sonst Hexen im Wirbelwind fahren oder nach Schwedischem Volksglauben durch einen Wirbelwind sich die Waldfrau ankündigt*)“. Es tritt hier also eine zwiefache Auffassung des Unwetters uns entgegen, neben einander erscheint im Sturmesbrausen ein männliches und weibliches Wesen, und wenn „die "Windsbraut“ dahergejagt kommt, und ihr nach „der Sturm“ tost, so ist es nichts anderes als der Sturmesgott Wodan, der seine Buhle, sein Weib, die fahrende Mutter verfolgt. **)

*) Wolf, Niederländische Sagen, 1843, Nr. 518. Grimm, Myth. p. 599 [vergl. Kuhn's neue Westph. Sagen 1859 II. p. 92].
**) So tritt auch im Griechischen neben dem männlichen ... ein weibliches ... (und ... ist in dem Neugriechischen der Teufel. Grimm, Myth. p. 295, worin auch persönliche Auffassung durchblickt).


Falls man aber noch zweifeln könnte, dass in folgerechter Entwicklung des Mythus dies die Frigg gewesen, welche auch in der nordischen Mythologie mit edlerem Ausdruck als seine Gemahlin erscheint, und die auch, wie die vorher in den Anmerkungen erwähnte Stammsage der Longobarden zeigt, in Deutschland es gewesen, so tritt die Uckermark mit ihren Sagen von der Frick dafür ein. Denn nicht allein, dass sie überhaupt hier gleich dem Gotte, wie schon oben bemerkt, im Sturmesgebraus mit ihren Hunden durch die Luft ziehend gedacht wird, eine Sage knüpft sich noch an ihren Namen, in welcher sie recht eigentlich als Windgöttin und somit auch hierin als des (13) Wodan Genossin, als Windsbraut auftritt *). „Vor Jahren,“ wird erzählt, „als noch der Mahlzwang herrschte, und die Naugartner noch nach der Boitzenburger Mühle mussten, um dort ihr Mehl mahlen zu lassen, fuhr einmal ein Bauer erst spät Abends mit seinem mit Säcken beladenen Wagen heim. Da hörte er plötzlich ein gewaltiges Toben, und gleich darauf kommt auch die alte Frick mit ihren Hunden daher gestürmt. Der Bauer in seiner Herzensangst wusste nicht anders sich zu helfen, als dass er seine Mehlsäcke den Hunden dahinschüttete, die auch sogleich gierig darüber herfielen und alles Mehl auffraßen; hätte er das nicht getan, so wäre es ihm schlecht ergangen. Betrübt kam er nun mit seinen leeren Säcken nach Hause und sagte zu seiner Frau: „Mutter, mir ist es schlimm ergangen, mir ist die alte Frick begegnet, und da hab ich nur eiligst ihren Hunden das Mehl vorgeschüttet, um sie los zu werden.“ „Nun“, sagte die Frau, „sind die Säcke leer, so wirf die auch nur hin.“ Das tat der Mann, aber wie verwundert war er, als er am andern Morgen an der Stelle alle seine Säcke wieder wohlgefüllt dastehen sah“ **). — Wie der Wind sonst selbst als gefräßig und hungrig dargestellt wird, so sind es hier die Hunde der im heulenden Gebraus dahin ziehenden Göttin, und wie ihnen jener Bauer seine Mehlsäcke hinschüttete, um sie zu beschwichtigen, so schüttete nach Prätorius Weltbeschr. bei Grimm M., p. 602, zu Bamberg, als starker Wind wütete, ein altes Weib ihren Mehlsack aus dem Fenster in die Luft und sprach: „Lege dich, lieber Wind, bring das deinem Kind.“

*) Welche Bedeutung übrigens die Vorstellung von einem Verfolgtwerden der Frick durch den Wodan im gesamten Mythenkreise beider Götter erhält, werden wir weiter unten sehen.
**) Norddeutsche Sagen, S. 70.


„Sie wollte damit,“ heißt es weiter, „den Hunger des Windes, als eines gefräßigen Tieres, stillen“ *). Und wenn noch ein Zweifel übrig bliebe, dass die Sage und die Erscheinung der Frick in ihr auf demselben Glauben und derselben Anschauung beruhe, dass nämlich, wenn der Wind das Mehl zerführt, er seine oder seiner heulenden Hunde Gefräßigkeit sättige, man ihn demnach durch hingeschüttetes Mehl beschwichtigen könne; so stellt sich zur Bestätigung noch ein Norwegisches Märchen, das Grimm ebendaselbst zitiert, vom Nordwind ein, der dreimal einem Kerl das Mehl wegnimmt, ihn aber hernach dafür durch kostbare Geschenke begütigt. Wenn aber Grimm hinzusetzt, der Nordwind erscheint hier ganz als ein grober, gutmütiger Riese, so möchte ich das nun doch nicht in dieser Weise auf die Frick angewendet wissen, vielmehr dürfte das Verzehren des Mehls durch die Hunde, aus der Natur der Gottheit, das Erstatten aber aus dem Charakter derselben überhaupt als eines göttlichen und deshalb auch gütigen Wesens zu erklären sein. Wir hätten dann hier einen deutlichen Übergang aus der an die Naturerscheinung gebundenen Göttergestalt zum freien, göttlichen Wesen, das mehr aus Charakter gnädig ist; und wenn Letzteres, wie auch schon oben erwähnt, in den Sagen vom wilden Jäger seltener hervortritt, so findet das eben seine Erklärung darin, dass in denselben die Gottheit überhaupt noch an der bestimmten, meist wilden Naturerscheinung gebunden ist, und sie sich also, (14) so lange sie sich in diesem Kreise bewegt, nur dem Charakter desselben gemäß zeigen kann.

*) Auch nach der Chemnitzer Rockenphilosophie muss man dem Sturmwind einen Mehlsack ausstäuben und dazu sprechen: „Siehe da, Wind, koch ein Muss für dein Kind." Grimm, Myth. 1835, Abergl. 282, vergl. Kuhn in Haupts Zeitschrift VI. p. 131.

Diesen Charakter bestätigen nun aber die entsprechenden Sagenkreise der übrigen Landschaften, auf welche wir schon oben hingedeutet, teils bieten sie uns neue Gesichtspunkte. Überwiegend zeigen uns aber diese den männlichen Gott in der Naturerscheinung, nur erwähnten wir schon oben für Mecklenburg jene auch auf das weibliche Wesen hindeutende Sage, und auch sonst finden sich hier noch Spuren der weiblichen, durch die Luft hinziehenden Göttin. Zunächst ist es aber der Wodan, der Wod, welcher hier jagt. „Oft bellen die Hunde in der Luft,“ sagt J. Grimm *), in finsterer Nacht auf den Haiden, in Gehölzen und Kreuzwegen.

*) Grimm, Myth. p. 876 sqq. nach Lisch, Mecklenb. Jahrb.

Der Landmann kennt ihren Führer, den Wod, und bedauert den Wanderer, der seine Heimat noch nicht erreichte, denn oft ist der Wod boshaft, selten mildtätig. Nur wer mitten im Wege bleibt, dem tut der raue Jäger nichts, darum ruft er auch den Reisenden zu: „Midden in den Weg.“ Ein Bauer kam einst trunken in der Nacht von der Stadt; sein Weg führte ihn durch einen Wald, da hörte er die wilde Jagd und das Getümmel der Hunde und den Zuruf des Jägers in hoher Luft. „Midden in den Weg! Midden in den Weg!“ ruft eine Stimme, allein er achtet ihrer nicht. Plötzlich stürzt aus den Wolken, nahe vor ihm hin, ein langer Mann auf einem Schimmel. „Hast Kräfte?“ spricht er, „wir wollen uns beide versuchen, hier die Kette, fasse sie an, wer kann am stärksten ziehen?“ Der Bauer fasste beherzt die schwere Kette, und hoch auf schwang sich der wilde Jäger. Der Bauer hatte sie um eine nahe Eich e geschlungen, und vergeblich zerrte der Jäger. „Hast gewiss das Ende um die Eiche geschlungen?“ fragte der herabsteigende Wod. „Nein“, versetzte der Bauer, welcher sie eiligst losgewickelt, „sieh, so halt ich's in meinen Händen.“ „Nun so bist du mein in den Wolken“, rief der Jäger und schwang sich empor. Wieder schürzte schnell der Bauer die Kette um die Eiche, und es gelang dem Wod nicht. „Hast doch die Kette um die Eiche geschlungen!“ sprach der niederstürzende Wod. „Nein“, erwiderte der Bauer, der sie wieder schon in den Händen hielt, „sieh, so halt ich sie in meinen Händen.“ „Und wärst du schwerer als Blei, so musst du hinauf zu mir in die Wolken.“ Blitzschnell ritt er aufwärts, aber der Bauer half sich auf die alte Weise. Die Hunde bellen, die Wagen rollten, die Rosse wieherten dort oben, die Eiche krachte an den Wurzeln und schien sich zu drehen. Dem Bauer bangte, aber die Eiche stand. „Hast brav gezogen,“ sprach der Jäger, „mein wurden schon viele Männer, du bist der erste, der mir widerstand! Ich werde dir's lohnen!“ Laut ging die Jagd an: Hallo! Hallo! Wohl! Wohl! Der Bauer schlich seines Weges, da stürzt aus ungesehenen Höhen ein Hirsch ächzend vor ihm hin, und Wod ist da, springt vom weißen Rosse und zerlegt das Wild. „Blut sollst du haben und ein Hinterteil dazu!“ „Herr“, sagt der Bauer, „dein Knecht hat nicht Eimer noch Topf.“ „Zieh den Stiefel aus!“ ruft Wod. Er tat's. „Nun wandere mit Blut und Fleisch zu Weib und Kind.“ Die Angst erleichterte anfangs die Last, aber allmählich ward sie schwerer und schwerer, kaum vermochte er sie zu tragen. Mit krummem Rücken, von Schweiße triefend, erreichte er endlich seine Hütte und siehe (15) da, der Stiefel war voll Gold, und das Hinterstück ein lederner Beutel voll Silber.“ Die Sage klingt altertümlich und großartig. Schon die Kette, an welcher der Gott seine Kraft den Bauer versuchen heißt, erinnert an die Stelle im Homer, wo Zeus alle Götter und Göttinnen, um seine Macht zu erproben, an einer Kette anfassen heißt und versuchen, ob sie ihn herabzögen; ihm würde es ein Leichtes sein, sie mit Erde und Meer in die Höh' zu ziehen und die Kette dann um des Olympos Gipfel zu schlingen, dass Alles in der Luft schwebe. *) Unsere Sage ist aber noch charakteristischer durch den natürlichen Hintergrund, welchen sie bietet.

*) Horn. II. VIII. 20 sqq. [Vergl. Urspr. d. Myth. p. 45.]

Es ist deutlich der hoch oben in den Wolken dahin fahrende Sturmesgott, der ebenso wie er aus der Höhe herniederstürzt, so auch Alles zu sich hinaufreißen will, dass die Erde wankt, und die Bäume sich in ihren Wurzeln drehen. Furchtbar in der Erscheinung, ist er nur gnädig, weil er einen Ebenbürtigen glaubt gefunden zu haben, denn Stärke achtete die alte Zeit selbst am Gegner. Es ist das aber noch besonders hervorzuheben, dass, während wir bisher nur den Gott gleichsam in den niederen Luftschichten sein Wesen treibend, in wilder Jagd einherjagend oder der Windsbraut nacheilend sahen, er durch die ganze Schilderung dieser Sage in die höheren Luftschichten, in die Wolken entrückt wird. Das weiße Ross, was er hier und auch sonst reitet (der nordische Sleipnir, dessen wunderbare Schnelligkeit gefeiert wird), ist darnach wohl nichts anderes als die Wolke selbst, auf der er einherjagt, ähnlich wie es in der Bibel von Gott heißt, „der du dahinfährst auf den Wolken“, und auch sonst bei den an Naturanschauungen reicheren Dichtern die Vorstellung von Wolkenrossen etwas ganz Gewöhnliches ist. Wir gehen aber noch weiter. Wenn es von des Wod Zuge, welcher sich oben in den Wolken fortbewegt, heißt: „die Hunde bollen, die Wagen rollten, die Rosse wieherten,“ so ist das nicht bloß, der Sturm, der mit seinen Hunden dahinheult, sondern er ist zum größeren Unwetter angeschwollen, mit einem Wort, der Wod tritt hier in der Erscheinung des Gewitters auf, seine Gestalt geht in die des Gewittergottes über. Der Unterschied ist nur der, dass während sonst Donner und Blitz, für sich bestehend, als persönliche Wesen aufgefasst erscheinen, wie auch noch die Erinnerung an den alten Donar sich in dem ihm geheiligten Donnerstag erhalten hat; hier Donner und Blitz, wie wir gleich sehen werden, nur als mit dem Auftreten des Sturmesgotts verbundene Erscheinungen und somit als Äußerungen seiner oder der ihn umgebenden Tätigkeit angesehen werden. Während nämlich sonst Wodan dem Zuge auf weißem oder, wie wir gleich hier hinzusetzen können, auch öfters auf schwarzem Wolken-Rosse — nur das weiße ist besonders an seiner Gestalt haften geblieben. — voran eilend erscheint *), tönt durch das Geheul der Hunde das Rollen der nachfolgenden Wagen, wie auch sonst beim Umzug namentlich der Göttin Wagen erwähnt wird. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich schon dies auf das Rollen des Donners beziehe, wie auch sonst die Ähnlichkeit namentlich des fernen, dumpf dahinrollenden Donners mit einem auf einem Gewölbe dahin rollenden Wagen eine derartige Anschauung bei Griechen sowohl als Deutschen hervorgerufen hat, dass man ganz gewöhnlich den Donner dem Wagen des Gewittergottes zuschrieb, sich diesen stets in (16) einem solchen dahinfahrend dachte**).

Wenn dies aber nur ein Moment in der das Auftreten des Gottes begleitenden Schilderung ist, welches auf das Gewitter hinzudeuten scheint, so bieten sich in der Natur des Wodan selbst, wie sie uns in den Sagen vorliegt, einige Züge dar, die das Hinübergreifen desselben in den Gewittergott ziemlich außer Zweifel setzen: es ist zunächst der schon oben erwähnte, auch in Mecklenburg, kurz überall, wo der Wodan oder der wilde Jäger in Norddeutschland auftritt, in derselben Weise hervortretende Glaube, dass der Gott eine Keule herabwerfe und sie mit seinem Nachruf begleite, eine Keule, die meist stinkend, selten nur, wenn der Gott gnädig, in Gold oder, wie in der letzten Sage, in Silber sich wandle. Beides bietet nämlich auffallende Anlehnungspunkte an die den Sturm oft begleitende Erscheinung des Blitzes und Donners. Wenn man nämlich mehr in der Nähe einen Blitz herniederfahren sieht, so sieht es aus, als ende er in einen dicken Tropfen, einen Klumpen, eine Keule. Dazu stimmen nun mannichfache mythische Vorstellungen.

*) Z. B. Harrys bei Grimm, Myth. 1842, p. 881.
**) Grimm, Myth. p. 151. [Ursp. d. Myth. S. 5. 6. 67.] [Den Übergang der Gestalt des wilden Jägers in das Gewitter bestätigt auch K. Seifart in seinen hildesheimischen Sagen. Göttingen 1854. p. 6 u. 7. „Der wilde Jäger fährt dort in einer glühen den Kutsche. Die Pferde speien Feuer und Flammen und auch der Kutscher ist ein ganz glühender Mann, der links und rechts mit der Peitsche, aus welcher die Funken fliegen, um sich schlägt. Neugierigen, welche aus den Fenstern sehen, schlägt er die Augen aus." Die Peitsche, welche blendet, ist hier nach einer oft wiederkehrenden Vorstellung die Blitzespeitsche, welche der homerische Zeus noch führt.]


Ich will den ähnlichen Ausdruck „Donnerkeil“ ganz bei Seite lassen, so schleudert doch der nordische Donnergott Thor im Blitz einen wunderbaren Hammer, den Miölnir, nieder, der von selbst in seine Hand zurückkehrt *), und dies findet, wie auch J. Grimm anführt, seine Ergänzung in der noch später auch in Deutschland hervortretenden Vorstellung eines vom Himmel herabgeworfenen Hammers **) oder Schlegels ***) oder feurigen Axt.

*) Grimm, Myth. p. 164.
**) Ebendaselbst p. 105. Auch den Griechen ist die Vorstellung eines vom Himmel herabgeworfenen Hammers ursprünglich wohl nicht fremd gewesen. Und wenn Zeus bei Homer, wie bekannt, der Here droht, ihr ... an die Füße zu hängen, wenn er sie zur Strafe zwischen Himmel und Erde schweben ließe, so scheint dies auch in denselben Anschauungskreis zu gehören. — Personifiziert übrigens, wie „der Hammer" bei den Deutschen (Grimm, Myth. 166), ist ... der Vater des ....
*** ) Grimm, Myth. 1844. Nachtrag zu p. 125: „Der vom Himmel geworfene Schlegel wird also nichts als ein Donnerkeil sein."


Wenn aber Grimm weiter sagt: „Saxo p. 41 stellt den Miölnir als eine Keule (clava) ohne Griff dar, was zu der eddischen Erzählung von der Verfertigung des Hammers stimmt, wo ihm als einziges Gebrechen angerechnet wird, dass sein Schaft zu kurz sei, so stellt sich das ganz zu der Vorstellung einer im Blitz herniederfahrenden Keule, von der wir geredet*). Diese Keule erscheint dann natürlich (17) aus der Hand des jagenden Gottes geschleudert als Jagdstück, als Pferde-, Reh- oder Menschenkeule, wie sie in der Hand des die Riesen bekämpfenden Thor mehr als Streithammer galt. Dazu scheinen auch bestätigend die sie begleitenden nähern Umstände zu stimmen. Der stinkende Geruch nämlich, welcher mit dem Wurf oft verbunden, würde auf den Schwefelgeruch, welcher den einschlagenden Blitz begleiten soll, gehen, während der dem Blitz nachhallende Donner sich zu dem nachfolgenden Ruf des wilden Jägers stellt, mit dem er seinen Wurf in stereotyper Weise begleitet. Nennt ja doch auch die Bibel den Donner in poetischer Anschauung Gottes Stimme und Gottes Brüllen, wie auch der Graf v. Württemberg, in dessen Liedern oft volksthümliche Naturanschauungen anklingen, ein Lied »Gewitter« überschrieben mit den Worten anfängt:

      Des Himmels Jägerruf erscholl
      In fernen Donnerschlägen u. s. w.

*) Auch für die anderen oben angeführten Erscheinungen, als ende der Blitz in einen Klumpen oder dicken Tropfen (Knäul), finde ich in ähnlicher Weise mythische Belege. Auf Ersteres z. B. beziehe ich den von Grimm, Myth. 1835, Anh. P. XXIV. angeführten Aberglauben, dass die Esthen in älterer Zeit meinten, „Gott werfe den Wölfen Klumpen aus den Wolken herab, wenn sie heulten, um ihren Hunger zu beschwichtigen; sie riefen ihn dann nämlich um Nahrung an." Es sind die den Sturmesgott umheulenden Wölfe, (die wie die Hunde ja auch den "Wodan begleiten,) denen Gott aus den Wolken (im Blitz) Klumpen zuwirft. — Was aber das Letztere, die Vorstellung der Blitzknäul, anbetrifft, so scheint darauf zu gehen, wenn der Teufel, der vielfach an die Stelle des alten Donnergotts getreten, sich aus einem Knäul entwickelt, oder nach einer schwedischen Volkssage die Riesen, welche Thor im Gewitter verfolgt, sich in Gestalt eines Knäuls oder einer Kugel auf die Wiesen herabrollen, um ihm zu entgehen. [verg. ursp. d. Myth. S. 49. 136.]

Der Gegensatz endlich, dass sich, was der Wodan im Blitz herabwirft, in Gold oder Silber verwandelt, passt auch dazu, indem, wenn der Gott gnädig ist, der Übergang des Herabgeworfenen in Gold oder Silber beim Leuchten des Wurfs erklärlich ist. [Alle drei Anschauungen übrigens: den stinkenden Geruch des Blitzes oder sein Erscheinen als goldigen Inhalts, wie anderseits den Donner als hallenden Ruf habe ich in vielen Beispielen deutscher und griechischer Sage inzwischen im Ursp. der Mythol. nachgewiesen, namentlich ist in ersterer Hinsicht charakteristisch, wenn der im Gewitter so vielfach auftretende Teufel auch durch Gestank sich bemerkbar macht, wie schon der Ausdruck Teufelsdreck zeigt.] Wenn übrigens eine Sage, welche der höllische Proteus *) uns aufbewahrt, einen Studenten, — denn auf einen solchen ist es dort übertragen, — dem der wilde Jäger eine Keule mit dem erwähnten Zuruf her abgeworfen, um seine Vernunft kommen lässt, so kann das nur die aufgestellte Behauptung bestätigen, indem es noch auf die mit dem Blitz verbundene lähmende Kraft geht **).

*) Der höllische Proteus oder tausendkünstige Versteller, vermittelst Erzählungen der vielfältigen Bild-Verwechslungen erscheinender Gespenster usw. Nürnberg 1695.
**) [Andere Momente der furchtbaren Wirkung, die Wodan als Gewittergott auf den Menschen ausübt, habe ich Ursp. d. Myth. p. 6 zusammengestellt; vergl. auch weiter unten bei der Hackelberg-Sage.]


Es kann dies Alles freilich nur die Vorstellung und den Glauben, dass der in den Wolken vorüberjagende Gott eine Keule herabwerfe, die meist gewaltigen Gestank mit sich bringe, und dem Wurf noch einen drohenden Nachruf hinzufuge, dass ferner der, welchen es treffe, gelähmt werde, oder im andern Fall der Wurf eigentlich gold- oder silberreich gewesen sei, im Allgemeinen erklären wollen: wie das dann im Einzelnen ausgemalt worden, ist Sache der Phantasie, ist Szenerie, welche sich nach den Beziehungen, in denen man das Ganze fasst, richtet. So hat z. B. der Nachruf: „Hast du mit helfen jagen, sollst du auch mit helfen knagen“, welcher dem zugesandt schien, der dem jagenden Gewittergott nachgebölkt oder „Halb part“ gerufen hatte, sein Entstehen zunächst zwar in dem Glauben eines erfolgten Nachrufs überhaupt, die bestimmte Form aber in Beziehung auf den Spötter gefunden, der gleichsam mitzujagen gewagt. Die Vorstellung aber, dass gerade ein Spötter dem Gewitter gegenübertritt und durch den heruntergeschleuderten Blitz oder mit Bezug auf unsere Darstellung durch den mit demselben verbunden gedachten Wurf gestraft wird, findet seine Analogie auch in dem Teil des spätem Volksglaubens, der sich an die christlichen Anschauungen anlehnt, so dass beide Sagen nicht nur in ihrer steten Wiederkehr an den verschiedensten Orten, sondern auch in ihrem Grundgedanken übereinstimmen und sich nur durch die verschiedene Anschauung, (18) welche in ihnen obwaltet, unterscheiden. Ein Paar Beispiele von letzterem werden genügen, dies zu beweisen. Zu Alt-Barnim bei Wrietzen, heißt es, saßen einmal die Bauern in der Schenke, da erhob sich ein gewaltiges Gewitter, und es donnerte und blitzte fürchterlich. Einer der Bauern aber war ein gar frecher Gesell, der sprach zu den andern: „Ich will einmal hinausgehen und ihm eins schenken, da wird er sich wohl beruhigen!“ Sprachs und trat mit dem vollen Glase hinaus vor die Tür, aber kaum hatte er den Fuß hinausgesetzt, so fuhr ein gewaltiger Blitz vom Himmel und schlug ihn, dass er nimmer wieder erwachte. Ein anderer bei Päwesin, wo sie grade während eines Gewitters beim Tanz waren, wollte dem lieben Gott oder Petrus ein Prosit zutrinken. Auch ihn traf eine ähnliche Strafe *). Der Gott des christlichen Volksglaubens also erschlägt einfach mit dem Blitz den Spötter, der heidnische wirft eine stinkende Keule demselben herab als Anteil an seiner Jagd, und begleitet den Wurf mit höhnendem Donnerruf, auch lähmt er dabei.

So weit die Mark und Mecklenburg, auf welches letztere wir hernach jedoch noch einmal zurückkommen müssen. In Holstein und Schleswig jagt nun der Wode, Wohljäger, Wau oder Au **), auch schlechtweg der wilde Jäger genannt oder an einzelnen Stellen unter historischem Namen König Abel, König Waldemar ***) oder der bischöfliche Jagdmeister Blohm, welcher bei Lebzeiten die Jagd über Alles liebte.

*) Norddeutsche Sagen, S. 123, Nr. 1 und 2.
**) „Stufenweise Verderbnisse des Namen des Gottes". S. die oben angeführten Sagen von Müllenhof, Vorrede p. 45 und p. 369 sqq.
***) S. die oben aus Müllenhof ang. Stellen.


Er jagt auf weißem Pferde unter Jagdgeschrei, Peitschenknall und Pferdegewieher. Hallo! Hallo! Hop! Hop! ist sein Jagdruf. Es ist der Sturmesgott, wenn es von seinem Zuge heißt: „wo er entlang zieht, da stürzen die Zäune krachend zusammen, und der Weg ebnet sich ihm.“ Mit dem Gewitter erscheint er in Verbindung, wenn er bei Meinsdorf einem Bauer, der mit eingestimmt in das Jagdgeschrei, eine Pferdekeule mit den Worten herunterwirft: „Hest du mit jaegt, schast du oek mit fräten“; nur selten wandelt sich die so gebotene Gabe in Gold, meist ist es stinkend wie Aas. Aber ein neuer Bezug tritt hervor. „Unter furchtborem Rametern“, heißt es, „keem Künig Abel dahäer mit syne Jagd. Tein Hunde harr he by sik, ganz witte, de harrn fürige Tungen uet den Hals hengen“; Dampf und Feuer speien sie aus. Auch die Hunde des wilden Jägers im Sundewittschen haben feurige Augen und Zungen. — Bei dem Anschauungskreise, in welchen diese Sagen nach den oben gewonnenen Grundlagen übergehen, glaube ich nicht zu fehlen, wenn ich die feurigen Zungen der Hunde, welche den Wodan im Unwetter umheulen, in Beziehung bringe zu den züngelnden Blitzen; wie nämlich die Erscheinung selbst sich darnach modifiziert, so nüanciert sich auch vielfach die Anschauung. [Ebenso wie die göttlichen Wesen aus dem Sturmesgebraus in das Gewitter übergehen, werden auch die heulenden, gefräßigen Sturmeshunde mit der feurigen Erscheinung des Gewitters ausgestattet. Diese ganze entwickelte Vorstellung des Hundes in den Mythen hat übrigens inzwischen Mannhardt (German. Mythenforsch. 1858. p. 217 f.) weiter verfolgt und namentlich auch für die nordische Mythologie durch ein Volksrätsel bestätigt, welches den Wind als einen Hund darstellt, der auf der Wolke steht und in den Himmel., hinaus bellt.]

Kehren wir aber noch einmal nach Mecklenburg zurück, woran sich auch im Folgenden die Priegnitz und der nördliche Teil der Altmark schließt, so begegnen wir also dort noch neben dem schon Erwähnten dem nächtlichen Umzüge der Frau Gauden, Gode usw. *) „Es war einmal“, heißt es, „eine reiche vornehme Frau, die hieß Frû Gauden; so (19) heftig liebte sie die Jagd, dass sie das sündliche Wort sprach: „dürfe sie immerfort jagen, wolle sie nie zum Himmel ein.“ Frau Gauden hatte 24 Töchter, die gleiches Verlangen trugen.

*) Die Belegstellen hierzu, wie zu den folgenden Sagen sind oben p. 17 angegeben.

Als nun einmal Mutter und Töchter in wilder Freude durch Wälder und Felder jagten, und wieder das ruchlose Wort: „die Jagd ist besser als der Himmel!“ von ihren Lippen erscholl, siehe, da wandeln sich plötzlich vor den Augen der Mutter die Kleider der Töchter in Zotten, die Arme in Beine, und vier und zwanzig Hündinnen umkläffen den Jagdwagen der Mutter, vier übernehmen den Dienst der Rosse, die übrigen umkreisen den Wagen, und fort geht der wilde Zug zu den Wolken hinauf, um dort zwischen Himmel und Erde, wie sie gewünscht hatten, unaufhörlich zu jagen, von einem Tage zum andern, von einem Jahr zum andern. Längst schon sind sie des wilden Treibens überdrüssig und beklagen den frevelhaften Wunsch, aber sie müssen die Folgen ihrer Schuld tragen, bis die Stunde ihrer Erlösung kommt. Noch immer aber jagt sie mit ihren kleinen Hunden und Mancher hat sie gehört.“ Ich habe diese Sage ausführlich wiedergegeben, einmal zur Vergleichung mit der oben angeführten märkischen Sage von der Windsbraut, dann auch weil sie trotz der Ähnlichkeit durch das ihr Eigentümliche, im Zusammenhang mit den übrigen Sagen von Frau Gauden, es wahrscheinlich macht, dass auch in Mecklenburg neben dem männlichen umziehenden Gott, ebenso wie in der Uckermark die Frick, so auch hier eine weibliche Gottheit gestanden habe, wenn auch der Name Frô Gode oder Gauden selbst nur als ein Missverständnis und demnächstige Übertragung aus Frô Gwode, d. h. Herr Wodan anzusehen sein sollte. Es heißt nämlich, was für die Meinung besonders spricht, in dem angrenzenden Teil der Altmark der Büschel Roggen, der noch heut zu Tage auf dem Acker stehen bleibt, Vergodendeel, d.h. Frô Goden Deel, das für den Frô Gwodan bestimmte Teil, denn Ver ist gewöhnliche Abkürzung für das alte Fro, „Herr“, das dem weiblichen „Frau“ gegenüberstand, aber im Lauf der Zeiten verloren gegangen ist *). —

*) Siehe Märkische Sagen, p. VI. sq. und 337 sq., vergl. Norddeutsche Sagen, Anm. zu Gebr. 174 — 178. Grimm, Myth. p. 142 Anm. und 232. Die Form Gwodan ist schon oben p. 15 Anm. erwähnt.

Wenn aber im Übrigen die Sagen, welche noch von der Frû Gauden oder Gode erzählt werden, den bisher vom Wodan und der Frigg erwähnten sich anschließen, sie z. B. dem, welcher ihr nachjucht, ein Bein herunterwirft und ruft: „Heste met jûcht, müste ôk met frêten“, so ist es doch noch ein öfter wiederkehrender neuer Zug, der unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Wie in den märkischen Sagen der wilde Jäger sowohl, als das Weib, was er verfolgt, also die Windsbraut, nicht leicht über den Kreuzweg können, so sind diese auch der Frû Gauden, — wir behalten den Namen bei, — ein Stein des Anstoßes, und so oft sie sich auf einen solchen verirrt, zerbricht sie etwas an ihrem Wagen, das sie selbst nicht wiederherzustellen vermag. In solcher Verlegenheit kam sie einmal, als stattliche Frau gekleidet, einem Knechte zu Boek vor sein Bett, weckte ihn auf und bat ihn flehentlich um Hilfe in ihrer Not. Der Knecht ließ sich erbitten, folgte ihr zum Kreuzwege und fand da, dass das Rad von ihrem Wagen abgelaufen war. Wie Frau Gauden ihn beschenkte, als er ihr geholfen, so beschenkte sie ein andermal einen Mann zu Conow, der eine Deichsel an ihren Wagen setzte, und noch ein andermal eine Frau zu Göhren, die ihr den hölzernen (20) Stecken in die Deichsel schnitt, über welchem die Wage hängt. Beide erhielten für ihre Mühe, dass die von der Deichsel und dem Wagenhalter abgefallenen Spähne sich in schieres, prächtiges Gold verwandelten. Aehnliches wird in der Priegnitz von Frau Gode berichtet, und auch im mittleren Deutschland kehrt bei den Waldweibchen, welche, wie schon oben angedeutet, in denselben Sagenkreis gehören, der Zug wieder, dass ihnen etwas an ihrem Schubkarren zerbricht und sie um Ausbesserung des Rades bitten *).

*) Grimm, Myth. p. 452.

Halten wir den diesen Sagen zu Grunde liegenden Glauben und die Anschauung fest, — und um Erklärung beider handelt es sich ja nur wieder, — so zerbricht der dahinziehenden Göttin etwas, wie z. B. ein Rad, an ihrem Wagen, sie muss daran arbeiten lassen, ehe sie weiter kann, und die Späne, die dabei abfliegen, werden zu Gold. Wenn die her unterfahrende Keule, die der Gott oder die Göttin entsendet und mit ihrem hallenden Nachruf begleitet, eine Auffassung des einschlagenden Blitzes zeigte, die feurigen Zungen der im Sturm dahinheulenden Hunde auf den züngelnden Blitz, der den dunklen Wolkenzug durchbricht, gingen: so drängt uns die eben angeführte Vorstellung in denselben Naturkreis, denn, wie vorhin schon angeführt, so mannichfach die Naturerscheinung, so mannichfach auch die daraus entstandene Vorstellung und der damit verbundene Glaube. Ist es nämlich ein starkes Gewitter, so sagt man noch heut im Dithmarsischen: „Nu faert de Olde all wedder da bawen unn haut mit sen Ex anne Räd. Denn aus den Funken, die dann herausfliegen, entsteht der Blitz.“ Überträgt man dies auf die Frau Gode, deren Natur schon oben als auch im Gewitter sich bewegend nachgewiesen, so gruppiert sich Alles zu derselben Anschauung. Auch sie fährt, wenn der Sturm heult, in den Wolken einher unter dem Geheul der sie umgebenden Hunde, und wenn der Donner kracht, dann zerbricht etwas an ihrem Wagen, oder sie lässt, wenn des Blitzes Funken sprühen, auf ihrem Wege irgendwie aufgehalten, an ihrem Wagen (Knecht oder Frau, die sind nur Staffage) arbeiten, dass die Späne davon fliegen, die sich dann auch nachher, wie öfter die Donnerkeule, welche die Götter im Blitz herabschleudern, wenn sie gnädig sind, in Gold verwandeln. Erst wenn dies geschehen, die Blitze nicht mehr sprühen, zieht die Göttin weiter, der Gewitterwolken dahintobender Zug vorüber.

[Diese aus den Sagen der Mark und Mecklenburgs über die wilde Jagd gewonnenen Resultate haben im Einzelnen noch an Bestätigung und Ausführung gewonnen durch Verschiedenes, was inzwischen teils durch Niederhöffers Sammlung Mecklenburgischer Sagen, die allerdings in wissenschaftlicher Beziehung mit Vorsicht gebraucht sein wollen, bekannt geworden ist, teils mir selbst mitgeteilt wurde. Charakteristisch ist namentlich eine mir aus der Gegend von Fürstenberg in Mecklenburg erzählte Sage, welche sowohl neue Naturanschauungen zu den bisher gewonnenen hinzubringt, als auch den wilden Jäger ausdrücklich noch besonders als Donnergott aufweist, was er freilich auch schon in der Sage war, in der er seinen Blitzwurf mit hallendem Donnerruf begleitete. „Mein Großvater,“ so berichtete mein Gewährsmann, ein ehrlicher Mecklenburger, „hat mal die wilde Jagd gesehen. Er war über Land gewesen, und wie er zurückkam, setzte er sich, müde, wie er war, unterwegs auf einen Baumstamm, um sich etwas auszuruhen. Wie er so da saß, die Beine über Kreuz geschlagen, — die Szenerie ist hier zu Ende, welche der Großvater natürlich nicht selbst erlebt, sondern von seinem Großvater und der wieder von dem seinigen usf. nur so überkommen und immer weiter überliefert hatte, — also wie er so da saß, die Beine über Kreuz geschlagen, kam ein ganz kleines Männchen zu laufen, das huschte ihm unter die Beine. Während er noch so dachte, was das wohl zu bedeuten habe, kam der wilde Jäger dahergejagt, ein gewaltiger Riese hoch zu Boss. Der hielt vor ihm und rief ihm zu: „Stoß es von dir.“ Der Alte saß ganz ruhig, auch als er es zum zweiten Male rief, wie er es aber zum dritten Male schrie, da wurde ihm ganz angst zu Mute, und er tat es. Da sah er, wie das Männchen einen Berg hinauflief, so schnell, wie eine Kugel läuft, und hinter ihm her jagte die wilde Jagd und das war ein Geschieße und ein Bellen der Hunde, das war furchtbar. Und nicht lange dauerte es, da kam der wilde Jäger zurück; der hatte zwei mit den Haaren zusammengebunden vorn kreuzweis über dem Pferde zu liegen. Der Bauer aber ging still nach Hause.“

Die dieser Sage zu Grunde liegenden Naturanschauungen ergeben sich nach den von mir im Urspr. d. M. inzwischen entwickelten mythischen Vorstellungen ziemlich von selbst. Das Ganze ist gleichsam eine Variation des das. p. 136 behandelten nordischen Mythos vom Thor, demzufolge die von ihm im Gewitter verfolgten Riesen aus Furcht vor seinem Hammerwurf unter mancherlei Gestalten meist als Knäuel oder Kugel von den Bergen sich auf die Wiesen rollen und Schutz bei den Mähdern suchen; welche dann, der Gefahr wohl kundig, (denn wo der Gott die Verfolgten ereilt, erfolgt der Wetterstrahl,) ihre Sicheln vorhalten, wobei diese oft durch den herniederfahrenden Strahl zersplitterten, und die Riesen mit nachhallendem Gesaus in den Berg zurückfuhren. Aus anderen Parallelen habe ich a. a. O. dargetan, dass diese Sage im Gewitter spielt, dass die Berge die Wolkenberge sind, an welchen sich in dem oft in einem Knäuel oder in einer Kugel endenden Blitz die verfolgten Gewitterwesen hin abzurollen schienen, dass der Regenbogen endlich mit der Anschauung einer Sichel einen (himmlischen) Mäh der in die Szenerie hineinspielen und ihn die Rolle eines Schützers des verfolgten Wesens spielen Hess. Ähnlich ist also unsere Sage, nur dass statt des Gewitterriesen, der in der großen Gewitterwolke steckt, die wir auch wohl noch einen großen Mummelack nennen, zunächst hier ein ganz kleines Männchen, offenbar ein Zwerg auftritt. Die Vorstellung eines oder mehrerer Zwerge habe ich aber auch schon Ursp. p. 344 ff. in den verschiedensten Mythen als aus demselben Naturkreis entstanden nachgewiesen, indem bald in der kleinen, auch häufig der Gewitterjagd vorangehenden Wolke ein kleines Wesen ihr voranziehend gedacht wurde, bald in den Blitzen dieser eine oder mehrere solcher kleiner himmlischen Geister hin- und her zu eilen schienen. Wie der so häufig im Gewitter auftretende Teufel demgemäß de lütche Ole, das Graumännle heißt, der treue Eckart der wilden Jagd voranzieht, der Kobold, der kleine rote Junge sich in Blitz und Donner als Feuer- und Poltergeist ursprünglich des himmlischen Haushalts bekundet und sich so ganz zu dem estnischen kupfernen Gewitterzwerg stellt, Zwerge endlich im Gewitter nach nordischer Mythe der Freyja ihr Regenbogenhals band schmieden u. dergl. mehr: so wird also in unserer Sage ein solches Blitzkerlchen vom wilden Jäger gehetzt, rollt sich wie die nordischen Riesen als eine Kugel den Wolkenberg hinan, um seinem Verfolger zu entlaufen. Der ihm nachfolgt, ist aber entschieden der Donner, führt doch auch Mannhardt Germ. M. p. 2 aus Agricolas Sprichwörtern eine Redensart für den Blitz an, welche schlagend für unsere Anschauung passt, nämlich den Ausdruck „das Blaue, das vor dem Donner herläuft.“ — Wenn statt der Regenbogensichel, welche ein Mähder dem Thor zum Schutz des flüchtenden Riesen entgegenzuhalten schien, das hilfreiche Wesen, d. h. hier der Bauer, seine Beine kreuzt und dies den Donnergott aufhält und abhält, so bringt dies nur ein neues Element in die Sage. Es stellt sich zu dem Kreuzwege, über den nach der oben erwähnten Sage von der Verfolgung eines Weibes der wilde Jäger nicht konnte, wie überhaupt auch nach griechischer Sage die Geister sich an Kreuzwegen aufhalten. Ich beziehe es auf heftige sich kreuzende Blitze, welche momentan der Gewitterjagd gleichsam Stillstand zu gebieten schienen und welche in der einen Sage also, wie sonst auch häufig, als himmlischer Kreuzweg, in der anderen als ein von irgend einem himmlischen Wesen ausgehendes Kreuz gefasst wurden, eine Anschauung, die überhaupt dann auch das Kreuz an und für sich schon bei den verschiedenen heidnischen Völkern hat eine Rolle spielen lassen, wie ich demnächst ausführlicher in einem Buche über die Naturanschauungen der Griechen, Römer und Deutschen begründen werde. — Zu diesem übereinstimmenden Zuge unserer und der Windsbrautsage stellt sich auch noch ferner, wenn in beiden das Moment wiederkehrt, „dass der wilde Jäger zurückkehrt“, es ist die mythische Auffassung dessen, was wir noch heut zu Tage ebenso bezeichnen, indem wir sagen „das Gewitter kommt zurück.“ Die kreuzweise zusammengebundenen Haare endlich des quer über dem Wolkenross liegenden Jagdstücks haben auch ihr Analogon in der von mir Ursp. p. 252 nachgewiesenen Anschauung der Blitze als die Streunen verfilzter Haare; man muss sich nur dabei das Bild ins Grandioseste ausgeführt denken, dass es den ganzen Himmel ausfüllt. — Auch dass in der Windsbrautsage das weibliche Wesen bei der Verfolgung immer kleiner wurde, klingt noch an unser verfolgtes Blitzkerlchen an und macht es wahrscheinlich, was auch an und für sich schon natürlich ist, dass auch jener Mythos schon in die Himmelserscheinungen überspielt, und dass jenes Weib auch schon, wenn es von ihr hieß, dass sie immer kleiner wurde, in dem dahinlaufenden, zuletzt gleichsam ganz verschwindenden Blitz überzugehen schien; gerade wie auch sonst in den leuchtenden Blitzesspuren die glänzenden Fußspuren himmlischer Wolkenwesen gefunden wurden, oder anderseits die griechischen Wolkengöttinnen, wenn Zeus oder ein anderes göttliches Wesen sie im Gewitter verfolgt, sich in alle die verschiedenen Gewitterelemente, die man annahm, in Feuer, Wasser, die Blitzesschlange u. s. w. zu wandeln schienen. (Vergl. Ursp. der M. p. 216 ff. 123.)

Diese letztere Annahme bestätigen nun auch ein Paar bei Niederhöffer sich vorfindende Mecklenburgische Sagen, in denen die vom wilden Jäger verfolgten weiblichen Wesen z. B. als witte Frauen, d. h. direkt schon als Wolkengöttinnen, die der Sturm vor sich herjagt, auftreten oder überhaupt in einer Ausstattung erscheinen, welche sie in der verschiedensten Weise der gewonnenen himmlischen Scenerie zuweist. So jagt also nach Bd. III. 190 ff. z. B. Frau Wauer in der Nähe von Criwitz die weißen Weiber, ein deutlicher Hinweis nebenbei, dass Frau Wauer ebenso, wie auch der Name der Frau Gode, ursprünglich ein männliches Wesen bezeichnet habe, indem hier sogar mit dem Namen auch eine Sage auf das weibliche Wesen übergegangen ist, welche sonst von dem männlichen allein berichtet wurde und da auch erst ihre volle Bedeutung hat. Ihre Hunde dringen bei dieser Gelegenheit einmal in Sukow durch die offene Tür in die Backkammer und fressen den Teig auf, gerade wie der alten Frigg ihre Hunde sich über das Mehl hermachten. Kehrt Frau Wauer dann zurück, so hat sie das weiße Weib als Jagdbeute vor sich auf dem Pferde oder, wie in der vorhin erwähnten Zwergsage es ähnlich auftrat, die beiden weißen Weiber mit ihren Haaren zusammengeknüpft vor sich über dem Pferde zuhängen.“ Dabei gehen die weißen Weiber anderseits dann noch ausdrücklich wieder in den Charakter der Untererdschen oder Nixen über, leihen sich das Backgerät der Menschen, stehlen die neugeborenen Kinder, schieben ihre Wechselbälge unter, bewähren sich also, wovon nachher noch besonders die Rede sein wird, auch in dieser Hinsicht als im Gewitter ihre Rolle spielende Wesen.

Ebenso jagt auch im Lande Stargard der wilde Jäger, welchen Niederhöffer III. 92 ff. dort den Jenner oder Jenn nennt, *) eine Wetterhexe mit roten Augen und fliegenden Haaren, wie solche gerade das Gewitter in den Blitzen ausgestattet erscheinen lässt, da — wie ich in meinem neuen Buche über die Naturanschauungen der Griechen u. s. w. weiter noch begründen werde — nicht bloß die Blitze als fliegende Haare sondern auch als die Strahlenblitze roter Augen erschienen*). Als der Jenner zurückkommt, hat er sie vorn auf seinem Pferde zu liegen, arg zugerichtet und von seinen Hunden zerrissen, dass das schwarze Blut aus der Wunde strömt; ebenfalls in andere Mythen hervortretende Gewitterbilder, die nur hier in roher Form uns entgegentreten, während sie in anderen Mythologien durch die in ihnen auftretenden Götter einen großartigeren Charakter angenommen haben, wie z. B. zu dem Letzteren sich das Zerrissenwerden des Pentheus von der wilden Jagd der Bacchantinnen oder des Dionysos von den Titanen ursprünglich sowohl in Bezug auf das Naturobjekt als auch die Anschauung als identisch stellt, Alles nämlich auf das im Gewitter zerrissene Wolkenwesen geht.]

*) "Was bedeutet der Name? Eine allseitige Fixierung desselben wäre wünschenswert; auch uns erschien der Name Fui zuerst bedeutungslos, bis sich mit Fuik und den folgenden Ergebnissen das bedeutende Resultat der Frick für die Uckermark herausstellte. S. Nordd. S. p. XVII.
**) Analoges habe ich schon beigebracht Ursp. d. Myth. p. 226, 212, 269, vergl. Kuhn, Herabkunft des Feuers und Göttertrankes bei den Indogermanen, p. 29. Die Vorstellung speziell des Blitzes als das Leuchten eines roten Auges hat u. A. Tieck in seinem Gedicht „die Luft" reproduziert, wenn er sagt: „Wenn die Wolken flatternd jagen, — Nieder der Blitz sich reißt, — Und sein rotes Auge, glühend — Durch die schwarze Wüste ziehend — Das Innere der flammenden Welt uns weist."

Frau Goda

Frau Goda

Freyja

Freyja

Freyr

Freyr

Frigg, die Göttermutter

Frigg, die Göttermutter

Frühlingsumritt des Hobbyhorse in England. Maigraf

Frühlingsumritt des Hobbyhorse in England. Maigraf

Holda im Kinderbrunnen

Holda im Kinderbrunnen

Holda

Holda

Hrungnirs Tod

Hrungnirs Tod

Jungbrunnen

Jungbrunnen

Odhins Wölfe und Raben

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Perchta und die Heimchen

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Schicksalsgöttinnen, Nornen

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Thunar, Donnerhammer, Blitzbart

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Wodan jagd die Wolkenfrau

Wodan jagd die Wolkenfrau

Wodan, schlafende Fürsten und Heere im Berge

Wodan, schlafende Fürsten und Heere im Berge

Wodan, Sturmlied des wütenden Heeres

Wodan, Sturmlied des wütenden Heeres

Wodans wilde Jagd

Wodans wilde Jagd

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