Abschnitt 1

in der Kirche zu Doberan.

In den Jahrb. XIII, S. 418 flgd. ist der kleine merkwürdige Altar hinter dem Hochaltare beschrieben, welcher dort nach einigen Malereien der Altar der Heil. Drei Könige genannt ist, weil diese auf die Rückseite einiger Wappenschilde gemalt sind. Es ist a. a. O. bestimmt nachgewiesen, daß das Schnitzwerk sicher kurz nach dem Begräbnisse des Herzogs Johann III. im J. 1425 errichtet worden sei. Es sind a. a. O. auch mancherlei Ansichten über die Bestimmung dieses Altars aufgestellt, welche zum größern Theil wohl richtig sein werden, aber durch neue überraschende Entdeckungen eine bedeutende Erweiterung gewinnen.


Zwischen den beiden Östlichsten Pfeilern der Kirche, unmittelbar dicht hinter dem Hochaltare, ist in den östlichen Chorumgang ein niedriges Mauerwerk im Dreieck hinausgebauet, um den zwischen den Pfeilern stehenden kleinen Altar abzuschranken. Auf den beiden Ecken dieses dreiteilig in den östlichsten Chorumgang vorspringenden Mauerwerkes, der neuern fürstlichen Begräbnißgruft gegenüber, stehen zwei kurze schwarze Marmorsäulen (Monolithen) von ungefähr 3 Fuß Höhe und 1/2 Fuß Durchmesser, mit hohen romanisirenden Kapitälern aus weißem Marmor mit reichem Blattwerk und ganz gleichen Basen. Zwischen und über diesen Säulen und den Kirchenpfeilern ist zur Abschrankung das reiche Schnitzwerk angebracht, welches in den Jahrb. a. a. O. beschrieben ist. Nach der Kirchenseite hin, der Rückwand des Hochaltars gegenüber, ist dieser Raum jetzt ganz offen.

Bei der Untersuchung der alten fürstlichen Begräbnißkapelle im nördlichen Kreuzschiffe am 1.-5. Nov. 1853 fand ich in dem Bauschutte auf dem Gewölbe des Herzogs Magnus († 1550) ein kurzes Stück von einer gleichen schwarzen Marmorsäule 1), wie deren zwei hinter dem Hochaltare in den Schranken stehen. Dieser Fund führte zu einer Vermuthung, deren Richtigkeit sich bald rechtfertigte. Hinter dem Hochaltare fanden sich noch zwei schwarze Marmorsäulen, den oben beschriebenen ganz gleich, die eine noch vollständig erhalten, die andere verstümmelt 1), lose bei Seite gesetzt. Die beiden dazu gehörenden weißen Marmorkapitäler sind jetzt, umgekehrt, zu den Basen der beiden noch im Verbande stehenden Säulen benutzt. Wir haben also im Ganzen vier schwarze Marmorsäulen und 4 dazu gehörende weiße Kapitäler von gleicher Gestalt. Diese Säulen haben sicher zu einem und demselben Bau gehört.

Der Altar ist von einem kräftigen Gewölbe überdeckt, welches nach der Construction ursprünglich ein Achteck überdeckt haben muß, jetzt aber nur etwas mehr als zur Hälfte vorhanden ist. Dieses Gewölbe ruhet auf den beiden schwarzen Marmorsäulen und in den beiden östlichen Kirchenpfeilern. Der Schlußstein dieses Gewölbes liegt nun in grader Linie zwischen den innersten Graten der beiden Kirchenpfeiler. Gegen Westen hin ist ein offenbar junger Bogen an die Pfeiler gelehnt, an welchen sich das Gewölbe anschließt. Nun aber lehnen sich nicht der Schlußstein und die beiden westlichsten Rippen an diesen Bogen, sondern das Gewölbe geht noch etwas weiter gegen Westen, so daß noch kurze Enden von zwei gegen Westen von dem Schlußstein auf laufenden Gewölberippen vorhanden sind, die westlichen zwei Drittheile der Hälfte aber roh abgebrochen sind.

Es ist ohne allen Zweifel, daß früher diese Wölbung ein ganzer vollständiges Gewölbe war und erst in neuern Zeiten abgeschlagen und der schlecht construirte Bogen vorgespannt ist. Denkt man sich die Sache vollständig, so bildete diese kleine überwölbte Kapelle hinter dem Hochaltare ein regelmäßiges Achteck, von welchem die noch stehende Wand 3 Seiten, der abgebrochene Theil 3 Seiten und die beiden Kirchenpfeiler 2 Seiten bilden, so daß ein Octogon zwischen die beiden östlichsten Kirchenpfeiler aufgeführt war. Jede Seite dieses Octogons ist nur 4 Fuß lang. Gegen Osten hin stehen die noch im Verbande befindlichen zwei Marmorsäulen auf der dreiseitigen Abschrankungswand hinter den Kirchenpfeilern. Gegen Westen hin standen die beiden aufgefundenen schwarzen Marmorsäulen auf Pfeilern, um den Zugang zu dem beengten Räume hinter dem Hochaltare möglich zu machen, und diese 4 Marmorsäulen in Verbindung mit den beiden Kirchenpfeilern trugen über der achteckigen Kapelle ein achteckiges Gewölbe, welches jetzt in der westlichen Hälfte zerstört ist.

Dieser Bau ist im höchsten Grade merkwürdig. Auf einer Mauer stehen die kurzen, dünnen Säulen, welche offene, fensterartige Bogen von sehr kräftigen Verhältnissen im Uebergangsstyle tragen, über welchen sich ein ähnlich gebauetes kräftiges Gewölbe erhebt. Es ist eine kleine, offene, frei stehende, gewölbte Kirche in der Kirche. Der Bau hat ganz einen fremdartigen, nordischen Charakter, im Uebergangsstyle, mit Eigenthümlichkeiten, welche sonst im Ziegelbau Norddeutschlands nicht vorkommen, namentlich mit den kurzen, dünnen, schwarzen Marmorsäulen, auf denen das schwere, ernste Gewölbe ruhet. Es ist möglich, daß dieser Bau aus altern Zeiten stammt und 1425 nur mit Schnitzwerk verziert ward, wenigstens ist er eine seltene Erinnerung oder eine Nachahmung alter Zeit. Nach der Vollendung des Spitzbogenbaues der Kirche (1368) wird aber der Bau ausgeführt sein, da er sich an die Dienste auf den Pfeilern anlegt. In den älteren Zeiten kommen Beispiele vor, daß man im Osten der Kirchen Octogone als Heil. Grabes-Kapellen, nach dem Vorbilde der Kirche zum Heil. Grabe zu Jerusalem und dem Muster der Moschee des Khalifen Omar daselbst (an der Stelle des salomonischen Tempels) anbauete und überhaupt den Heil. Grabes- oder Heil. Bluts-Kapellen die Grundform des Octogons 2) gab, wie die Heil. Bluts-Kapelle vor der Nordpforte der doberaner Kirche auch ein Octogon bildet (vgl. unten).

Schnaase sagt über die achteckigen Kirchengebäude:

„Neben der Basilikenform kamen auch Kirchen andrer Gestalt vor, runde oder achteckige. Hauptsächlich wählte man aber diese Form für solche kirchliche Gebäude, welche für die Taufe, als Baptisterien, dienen sollten. Nach einer Nachricht hatte Constantin bei dem Lateran eine solche Taufkirche“, u. s. w. (Schnaase Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter, Düsseldorf, 1844, I, S. 48).




1) Der Uhrmacher soll ein anderes Stück von der verstümmelten Säule abgeschlagen und zum Gewicht für die Kirchenuhr benutzt habe.
1) Der Uhrmacher soll ein anderes Stück von der verstümmelten Säule abgeschlagen und zum Gewicht für die Kirchenuhr benutzt habe.
2) Die achteckige Heil. Bluts-Kapelle vor der Hauptpforte und das Octogon hinter dem Hochaltare zu Doberan sind auffallend; der Octogonbau kommt sonst in späterer Zeit nur in Templerkirchen vor. Mittheilung des Herrn General-Directors von Olfers zu Berlin.