Der feine Pinsel

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Giovanni Bellini, ein berühmter Künstler aus der italienischen Stadt Venedig, war gegen Dürer besonders freundlich. Mehrmals besuchte er ihn bei seiner Arbeit, lobte seine Bilder und wunderte sich besonders über die Feinheit der Pinselstriche. Als er sich verabschiede, bat er Dürer, daß er ihm als Zeichen seiner Freundschaft einen Pinsel gäbe, mit denen man so wunderbar feine Haare malen könne. Dürer griff eine Handvoll gewöhnlicher Pinsel, die da herumlagen, und hielt sie ihm hin: »Bitte, wählt Euch einen, wenn ihr sie nicht alle mitnehmen wollt!« Bellini aber sagte: »Nein, solche Pinsel hab' ich selber! Ich möchte nur den Pinsel, mit dem Ihr die langen feinen Haare malt!« Dürer sagte: »Ich habe keine andern Pinsel« Als er sah, dass Bellini ungläubig lächelte, ging er hin und malte der Jungfrau Maria, die er gerade auf der Staffelei hatte, mit einem ganz gewöhnlichen Pinsel eine so wunderbar weiche Haarlocke, die aus so haarfeinen Strichen gemalt war, dass Bellini es endlich glaubte. Aber er erzählte hinterher immer wieder: »Ich hätte es nie geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte!«