Gostinopole = Gestevelt

Von Gestevelt bis Nowgorod waren es noch ungefähr 170 Werst. Ob die Kaufleute noch auf diesem Stücke Stationen machten und wenn sie es taten, wo wir diese Stationen zu suchen haben, ist nicht bestimmt zu ermitteln. Zwar werden noch zwei Stationen erwähnt, Schiemann nennt sie Witlage und Drellenborch, Winckler Willoga und Drellenburg und auch die Urkunde kennt dieselben. Indessen ist das Wort in der Urkunde so undeutlich geschrieben, dass es zwiefach gelesen werden kann und Sartorius: Ritsagen liest, während der erste Abdruck der Urkunde (bei Dreyer, Specimen juris publici Lubecensis) schon Vitlagen aufweist. Das Letztere hat selbst nach dem von Sartorius mitgeteilten überaus dürftigen Facsimile viel Wahrscheinlichkeit für sich und alle neueren Reproduktionen entscheiden sich dafür. Doch bemerkt Sartorius, dass weder Ritsagen noch Vitlagen bekannt sei. Jedenfalls ist die Stelle durchaus verderbt, wie denn überhaupt in Lübeck nicht das Original, sondern eine leider keineswegs fehlerfreie Abschrift aufbewahrt wird und Sartorius vorgelegen hat. Man ist natürlich gern geneigt, an dieser Stelle zu konjizieren und ich würde sehr gern statt Vitlage — aldage setzen, wenn es nicht unmöglich wäre, dass die Urkunde hier noch einmal von Ladoga spräche. Bereshkow 66) bringt Vitlage nach Krugs Vorgange in Verbindung mit Vitta und erklärt den Ort für ein Dorf von eigenartiger Bauart, wie sie im Nowgoroder Gouvernement häufig vorkommt, ohne jedoch zu sagen, an welcher Stelle wir den Ort zu suchen haben. Krug spricht drei Vermutungen aus 67): 1. leitet er Vitlage von vitta ab; 2. deutet er vitlage auf vylägi, ein Dorf am rechten Ufer des Wolchows, 46 Werst vom Ilmensee entfernt; 3. folgert er daraus, dass die Schiffe auf dem Wolchow außer in Gostinopolskaja nur noch an der Sossninskaja pristan anzuhalten pflegen, dass eben das letztere das alte Vitlage sei. Die Sossninskaja pristan liegt 74 Werst vom Ilmensee entfernt 68). Was Drellenborch betrifft, so steht dieser Ort unter dem Namen dhrelleborch in der Urkunde in nahem Zusammenhange mit dem vorigen; Krug hält den Ort (indem er dhrelle = thraell, altnordisch = servus — Sklave setzt) für das russische Cholopijgorodok (Sklavenburg) , welches am rechten Ufer des Wolchows 19 Werst vom Ilmensee entfernt liegt. Über die letzteren beiden Orte etwas Bestimmtes zu sagen wird dadurch erheblich erschwert, dass grade die Stelle der Urkunde, wo sie genannt werden, dunkel und unverständlich ist.

Wie es sich mit diesen Stationen auch verhalten mag, jedenfalls fuhren die Kaufleute hier bis Nowgorod.


Wenden wir uns nun zur Feststellung der anderen von den Kaufleuten benutzten Wege, so werden wir bei diesen von vornherein auf diejenige Genauigkeit verzichten müssen, die wir bei der gewöhnlichen Wasserstraße erreichen konnten 69). In späterer Zeit, als die Schweden sich an der Newa festgesetzt hatten (also etwa seit dem Ende des XIII. Jahrhunderts) und der Schifffahrt auf diesem Flusse, soweit sie nicht ihren Interessen diente, Hindernisse bereiten konnten, fuhren die deutschen Kaufleute zu Wasser oft nur bis Narwa, um von da zu Lande nach Nowgorod weiterzuziehen 70). Dieser Landweg mag etwa 250 Werst bemessen haben. Wie sehr die deutschen Kaufleute trotzdem den Weg durch die Newa schätzten, erkennen wir daraus, dass sie sich zweimal erst durch Vermittlung des römischen Königs Albrecht I., dann direkt an den König von Schweden wandten und von ihm die Erlaubnis erbaten, die Newa im Verkehr mit Nowgorod befahren zu dürfen 71).

65) Hansisches Urkundenbuch I. S. 234. No. 665.

66) 1. c. S. 153.

67) 1. c. S. 682.

68) Vergl. Hans. Geschichtsblätter 1877 S. 136 Höhlbaum. —

69) Sollte nicht auch der Umstand, dass wir über diesen Wasserweg so gut unterrichtet sind, darauf deuten, dass er am meisten benutzt worden ist.

70) Schiemann l. c. 1., S. 182. Sartorius-Lappenberg 1. c. Bd. II. S. 160 No. LXX, LXXI und Bunge, Liv- Est- Curländisches Urkundenbuch Bd. II, S. 852 No. DCCCIX. Lüb. Urkundenbuch I, S. 565. No. DCXXV.

71) Sartorius-Lappenberg 1. c. Bd. II. S. 193 No. XCIIIa S. 231 No. CXIV.