Zweite Fortsetzung

Es ist zu beklagen, dass bisher in Russland so wenig geschehen ist, um diese Plage der Wölfe wenigstens zu beschränken. Anderswo hat die Kultur in dieser Richtung viel mehr geleistet. In England ist der Wolf schon seit einem Jahrhundert bis auf das letzte Stück vertilgt worden. In Frankreich kann die Zahl der mit guten Gewehren ausgestatteten Schützen auf 800.000 veranschlagt werden. Dabei werden im ganzen Lande etwa 1.200 Wölfe erlegt. In Russland dagegen, wo die Zahl guter Schützen, die Zahl brauchbarer Gewehre sehr gering ist, wurden allein im Gouvernement Ssimbirsk im Jahre 1874 nicht weniger als 1.000 Wölfe getötet. In Belgien, in Deutschland ist die Zahl der Wölfe ganz unbedeutend, in Schweden sind sie so gut wie auf Lappland beschränkt. Nur Russland unterliegt, wie vor Jahrhunderten, in seiner ganzen Ausdehnung dieser Plage.

An eine Ausrottung des Wolfs durch die Jagd ist nicht zu denken. Nützliche Tiere, wie die Seekuh bei Kamtschatka, sind allerdings hier und da durch die Jagd vertilgt worden. Aber die Jagdliebhaberei ist bei uns im Allgemeinen sehr wenig entwickelt und verbreitet, und seit der Aufhebung der Leibeigenschaft lässt sich ein Verfall der Jagd konstatieren. Herr Lasarewski führt eine größere Anzahl von Aussprüchen über diesen Gegenstand an. Die Zahl der Personen, welche sich den Luxus des Haltens von Jägern, Jagdhunden u. s. w. gestatten dürfen, hat beträchtlich abgenommen. Für die „noble Passion“ sind die Bedingungen nicht mehr so günstig als früher. Was nun speziell die Wolfsjagd anbetrifft, so bietet sie einerseits große Schwierigkeiten, insofern der Wolf, an Verschlagenheit dem Fuchs weit überlegen, sehr selten sich der Gefahr aussetzt, andererseits nicht lukrativ genug, weil die, für erlegte Wölfe ausgesetzten Preise nicht hoch genug sind und auch das Fell nicht hoch genug im Preise steht. Middendorff bemerkt in seinem Reisewerke: „Bisher wurden außerordentlich wenige Wölfe erlegt, da sie zu schlau sind, um sich in den gewöhnlichen Fallen der Nomaden zu fangen, oder auf andere Art leicht berücken zu lassen. Während meiner ganzen sibirischen Reise haben weder ich selbst, oder meine Begleiter, noch die Nomaden, bei denen wir weilten, auch nur einen einzigen Wolf erbeutet.“


Allerdings haben sich im europäischen Russland einzelne Jäger, durch Erlegung einer größeren Anzahl von Wölfen, um die Säuberung gewisser Gegenden von diesen Tieren verdient gemacht, doch sind solche Beispiele Ausnahmen. Die Herren Dmitrijew-Mamonow und Olenin haben im Kreise von Nowotorshok alle Wölfe vertilgt, indem sie im Laufe von sieben Wintern alljährlich 30 Wölfe schossen, ein anderer Jäger erlegte jährlich 30 — 50 Wölfe. Im Simbirskischen Kreise wurden im Jahre 1874 449 Stück Wölfe erlegt usw. Im Ganzen ist also die Zahl der geschossenen Wölfe unbedeutend. Man hat berechnet, dass der Unterhalt von Jägern und Hunden so hoch zu stehen kommt, dass jeder geschossene Wolf etwa 35 — 43 Rubel kosten dürfte. An eine endgültige Säuberung einzelner Gegenden durch bedeutende Jagderfolge ist nicht zu denken, weil sich später doch wieder auch dort von andern Gegenden her Wölfe einstellen und die Verheerung durch dieselben fortdauert. Dieser Umstand wird durch Zahlen bewiesen, welche Herr Lasarewski mitteilt.

Daher erscheinen alle Vorschläge, der Jagd auf Wölfe größere Dimensionen zu geben, etwa bei jeder Landschaft Jäger zu unterhalten, unpraktisch. Wo sollen denn auch die Jäger, welche denn doch geschult sein müssen, auf einmal herkommen? Sie müssen überall mit den lokalen Verhältnissen vertraut sein; sie würden zu teuer zu stellen kommen und doch nur wenig ausrichten. Noch im Januar des vorigen Jahres tagte zu Moskau eine Versammlung von Jagdliebhabern, welche den Grundsatz feststellte: die Wölfe müssen im Juni, gerade zu der Zeit, wenn es eine junge Brut gibt, in ihren Schlupf winkeln ausgerottet werden. Dies bietet sehr große Schwierigkeiten: es wäre sehr kostspielig, die große Zahl von Leuten zu schulen und mit den Lokalverhältnissen bekannt zu machen, deren man bedürfte; tötet man die jungen Wölfe ohne die Alten, so sind letztere um so bösartiger und verheerungssüchtiger; Russland hat endlich keine Gesellschaftsklasse, welche etwa den deutschen Förstern entspräche, und welche solche Aufgaben in ausreichender Weise zu lösen vermöchte. Recht seltsam lautet der Vorschlag der Landschaftsversammlung von Wladimir im Jahre 1874, es solle den jeweilig garnisonierenden Truppen die Ausrottung der Wölfe zur Pflicht gemacht werden. Von großen mit gemeinsamen Kräften veranstalteten Treibjagden sind, wie viele Beispiele zeigen, keine bedeutenden Erfolge zu erwarten. Mit Fallen oder in Gruben werden so gut wie gar keine Wölfe gefangen. In Wologda ist der Vorschlag gemacht worden, an die bäuerliche Bevölkerung eine Anzahl von Flinten zu verteilen und die Bezahlung dafür erst nach einem gewissen Zeitraum zu fordern. Im Ganzen haben die Lokalverwaltungsbehörden einem so ausgedehnten und den Volkswohlstand so einschneidend schädigenden Übel gegenüber, noch wenig Tatkraft entwickelt, und noch viel Kurzsichtigkeit und Indifferenz an den Tag gelegt. Namentlich sind die, für die Erlegung von Wölfen ausgesetzten Prämien viel zu niedrig; in den meisten Gouvernements betragen diese Prämien nur 1 1/2, 2, höchstens 3 Rubel; ja hier und da ist die Prämie nur 1/2 Rubel; in den seltensten Fällen hat man sich entschlossen, für jeden erlegten Wolf 5 Rubel zu bezahlen.

Einer eigentümlichen Art, Raubtiere zu töten, welche in Sibirien in Gebrauch ist, erwähnt Middendorff. An den Küsten des Beringsmeeres lassen die Bewohner spiral aufgerollte, beiderseits zugespitzte Wallfischborte, welche von Fett umgeben sind, frieren. Diese Stücke werden verschlungen und durchbohren beim Auftauen und Verdauen die Eingeweide des Wolfs oder des Bären (I. c. 1334). Middendorff meint, diese Methode könne zum Zweck der Ausrottung des Wolfs verpflanzt und gelehrt werden. Auch schlägt er vor, den Leuten Strychnin-Pillen zu Gebote zu stellen.

Herr Lasarewski ist überzeugt, dass die Vergiftung allein Erfolg verspricht und widmet diesem Punkte den größten und wichtigsten Teil seiner Broschüre.

Der Kongress der Jagdliebhaber im Januar 1876 hat sich gegen die Vergiftungsmethode ausgesprochen, weil die Anwendung von Strychnin gesetzlich verboten sei, weil der Wolf im Sommer kein Aas anrühre (also nicht mit vergiftetem Köder getötet werden könne), weil auch Füchse dabei umkommen würden, und weil Dohlen und Raben vergiftetes Aas fressen und, wenn sie dann von Hunden gefressen würden, auch die Hunde selbst ein Opfer solchen Verfahrens werden müssten. Von anderen Argumenten, welche bisweilen gegen die Vergiftungsmethode vorgebracht werden, erwähnt ferner Herr Lasarewski an einer anderen Stelle noch folgende: man mache geltend, dass vergiftete Wölfe in Fäulnis übergehen und das Gras rings umher vergiften, sowie Epidemien veranlassen könnten und ferner, dass es eine Sünde sei, Gottes Geschöpfen ein solches Ende zu bereiten.

Herr Lasarewski zeigt nun, dass das Gesetz den Gebrauch von Strychnin keineswegs Verbietet, ja dass in Nr. 12 des Reichsanzeigers 1875 der Strychnin für derartige Zwecke geradezu empfohlen wird dass ferner der Wolf auch im Sommer Aas frisst, dass eine gleichzeitige Vertilgung der Füchse nicht schade, dass diese Tiere überhaupt mehr Schaden als (durch Vertilgung von Mäusen) Vorteile bringen, dass die Wahrscheinlichkeit des Umkommens von Hunden durch vergiftete Vögel sehr gering sei; gute, teure Hunde seien leicht dadurch zu schützen, dass man sie an der Kette halte, wohlfeile leicht zu ersetzen. Eine Versammlung von Jägern im Mai v. J. zu Moskau hat sich denn auch zu Gunsten der Vergiftungsmethode ausgesprochen. Diese ist sicher, wohlfeil und hat auch selbst die Tradition für sich, insofern der russische Bauer schon seit langer Zeit mit diesem Verfahren vertraut ist, wenn auch allerdings der Bauer die Technik der Sache, welche einer Reihe sehr komplizierter Manipulationen erfordert, wenn es gelingen soll den Wolf zu überlisten, nicht hinreichend beherrscht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Wolf in Russland.
Wolf von Hunden gejagd

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Die dressierten Wölfe in Berlin

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Wolfsjagd mit Hunden

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