Der Jargon.

Der Weltkrieg hat auch so ganz nebenbei die sog. Jargonfrage in ein anderes Licht gerückt. Der Jargon, die Sprache von 10 Millionen Juden in Russland, Galizien, Bukowina, Rumänien, England, Amerika etc. etc., ist ja vielfach gerade von deutscher Seite bekämpft worden. Man sah in ihm eine Verstümmelung des deutschen, ein Hindernis, die breiten jüdischen Volksmassen der allgemeinen Kultur zuzuführen etc. etc. Jetzt aber hat es sich gezeigt, welchen großen Nutzen gerade diese Sprache der Sache der europäischen Zentralmächte geleistet hat. Während die Presslakaien der Dreiverbandmächte in allen neutralen Ländern die öffentliche Meinung gegen Österreich-Ungarn und Deutschland aufzuhetzen versuchten, war es die Jargonpresse in Amerika, welche dieser Stimmungsmacherei entgegentrat und der Wahrheit eine Straße bahnte. Es ist geradezu rührend zu sehen, wie die von jüdisch-russischen Emigranten gegründete und geleitete Jargonpresse in Amerika für die österreichisch-ungarische und deutsche Sache mit bewunderungswürdigem Enthusiasmus und Begeisterung kämpft. Ohne den Jargon wären diese Juden sicherlich dem Einflüsse der englischen, französischen und russischen Presse ausgesetzt und der deutschfeindliche Chorus in gewissen neutralen Ländern würde keine Dissonanz erleiden. Rühmend wird jetzt diese Haltung der Jargonpresse seitens deutscher Schriftsteller vom Range eines Lamprecht, Ewers etc. hervorgehoben und die hervorragendsten deutschen Blätter bringen die Lieder der jüdisch-russischen Dichter für die deutsche Sache zum Abdrucke.

Andererseits hat der Jargon den in Galizien und Russisch-Polen kämpfenden österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen kolossale Dienste geleistet. Überall, wohin sie kamen, fanden sie Verständigungsmöglichkeit und gar mancher Treppenführer, gar manche versprengte Abteilung, gar mancher schwer verwundete Soldat, segnete die Klänge dieser so oft verspotteten Sprache, die ihm aus Verlegenheit und Not heraushalf.


Die Haltung gewisser jüdischer und nichtjüdischer Kreise gegenüber dem Jargon dürfte infolge des Weltkrieges ganz radikal revidiert werden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Weltkrieg und die Judenfrage.