Übersicht über den Weinbau im Gebiete der Hanse; Übergang von der Eigenproduktion zum Handel

Als Vorläufer des hansischen Eigen- und Zwischenhandels ist die Eigenproduktion in den nördlichen Gebieten zu betrachten, die zur Zeit der Anfänge der Hanse bereits in hoher Blüte stand. Mit dem Emporkommen der Hanse und der Ausbreitung des Zwischenhandels hielten die Weine Italiens und Frankreichs ihren Einzug in Norddeutschland und verdrängten die heimische Produktion, die auch schon klimatischen Veränderungen zum Opfer zu fallen begann. Immerhin hielt sich der einheimische Wein noch lange Zeit neben seinem fremden Rivalen. Diesen Widerstand verdankte er einmal seiner Wohlfeilheit, und dann suchte man die fremden Weine durch Mischung mit einheimischen bekömmlicher und schmackhafter zu machen. Der nordische Weinbau im Gebiete der Hanse musste endlich den Veränderungen des Klimas und Veränderungen im Geschmack der Konsumenten und dadurch in der Nachfrage weichen.

Weinbau gab es zu allen Zeiten in deutschen Landen. Die Bekanntschaft mit dem Wein verdanken unsere Vorfahren den Römern. Die Kultur der Reben dagegen lernten sie erst von den Missionaren. Daher entwickelte sich der erste Anbau von Wein auch ausschließlich im Schutze der Klöster, wo er in den Mönchen verständnisvolle Pfleger fand. So schreibt die Volkssage dem Bonifazius, als er Erzbischof von Mainz war, die Anlage zahlreicher Weinberge um Mainz herum zu. Unter Karl dem Großen ging die Weinkultur aus der Hand der Geistlichkeit in die des Volkes über; namentlich im Süden seines Reiches machte der Weinstock gewaltige Fortschritte. Bayern und Schwaben lernten von dem benachbarten Frankreich, während die Franken am Rhein durch Karl selbst auf den Weinbau geführt wurden. Um diese Zeit entstanden die reichen Weingefilde, die unter Karls Obhut speziell in der heutigen Rheinpfalz von den Klöstern der Benediktiner und Benediktinerinnen bebaut wurden. Diese Weinkulturen erreichten schon ein Menschenalter nach dem Tode Karls eine solche Blüte, dass sie im Vertrage zu Verdun besonders erwähnt wurden und mit ihren Mittelpunkten Mainz, Worms und Speyer zu dem Besitzteil Ludwigs des Deutschen geschlagen wurden. Auch im Rheingau war Karl um den Weinbau eifrig bemüht und schaffte um seine Burgen und Sitze, namentlich Rüdesheim und Ingelheim, zahlreiche Musterkulturen. In seinem capitulare de villis stellte er Regeln und Anweisungen für Bau und Ernte des Weinstockes bis zur Weinbereitung zusammen.


Auch die ersten schwachen Anfänge eines Weinhandels machen sich unter Karls Regierung bemerkbar; die Weine des Elsaß fanden ihren Weg den Rhein hinab zu Sachsen und Friesen, die durch den Grad ihrer Kulturstufe für einen rationellen Weinbau noch nicht reif waren 1).

Unter der Regierung der sächsischen Kaiser breitete sich der Weinbau immer mehr aus und drang bis nach Schwaben, Bayern und Tirol vor. Namentlich nach Beseitigung der Ungarngefahr wandte sich die Bevölkerung Bayerns mit erhöhtem Interesse dem Weinbau zu; vor allem in Regensburg entstand in dem dortigen Kloster St. Emeran eine blühende Pflanzstätte für Rebenkultur, die sich vom Ende des 9. Jahrhunderts an über die benachbarten Landschaften ausdehnte. Donauaufwärts waren damals Kruckenberg und Riedenburg Weinnamen von gutem Klang.

Im Norden überschritt der Weinbau um diese Zeit die Saale; die Neugründungen von Meißen, Merseburg und Zeitz durch Otto den Großen wurden Pflanzstätten der Rebe. Einzelne Bischöfe gelangten im frühen Mittelalter wegen ihrer Weinkulturen zu hohem Ansehen, so Bischof Benno von Osnabrück, Beanvard von Hildesheim und Adalbert von Bremen. Diese Kirchenfürsten hatten den erziehlichen Wert der Rebenkultur erkannt und suchten das Praktische mit dem Nützlichen zu verbinden, indem sie sich durch die Eigenproduktion von dem damals immer noch unsichern Handel emanzipierten; zumal da für ihre geistlichen Verrichtungen der Wein unentbehrlich war. Namentlich Hildesheim pflegte schon frühzeitig die Weinkultur außerordentlich; das Kloster besaß in Geisenheim und Boppard und in der Nähe von Würzburg eigene Weinberge.

Einen Anstoß zur Weiterentwicklung der heimischen Kulturen brachten die Kreuzzüge, die die Rebe des Orients und Griechenlands einführten; gleichzeitig öffnete Frankreich seine Grenzen, und die Reben der besten französischen Sorten hielten ihren Einzug. Mit ihnen erschienen die Kluniazenser und Zisterzienser und verbreiteten die neuen Reben in allen Teilen des deutschen Reiches, wo sie im Verein mit den einheimischen Gewächsen neue Sorten schufen. Ihnen verdankt die deutsche Weinkultur nicht zum wenigsten den kräftigen Fortschritt und die Ausbreitung, wie wir sie zur Blütezeit der Hanse im 12. und 13. Jahrhundert vorfinden.

In diesem Zeitraum hatte der deutsche Weinbau ungefähr folgende Ausdehnung: die heutigen Kulturen am Rhein erstreckten sich viel weiter: in Köln wuchs viel, wenn auch saurer Wein, und bis nach Xanten herunter konnte man Reben antreffen, Diesseits des Rheines war in Westfalen vor dem Erwachen der Industrie das Land weithin mit Reben bedeckt; Altena, Iserlohn und Höxter waren Mittelpunkte intensiven Weinbaues. Doch hat sich der westfälische Weinbau nicht lange gehalten, die Konkurrenz des rheinischen Handels und die Entdeckung der reichen Bodenschätze des Landes setzten ihm bald ein Ziel. Im Gegensatz zu Westfalen breitete sich im Münsterland der Weinbau bedeutend aus und erfreute sich langer Blüte; namentlich nahm sich hier wieder die Geistlichkeit der Kultur an. Die Bistümer Münster und Paderborn zogen geschätzte Sorten auf ihren schon früh angelegten Weinbergen. Schon im 12. Jahrhundert sollen die Benediktiner mit Weinpflanzungen begonnen haben, deren Spuren zu Leckum am Macklenberg noch heute nachweisbar sind. Mit dem Wesergebirge findet der mittelalterliche Weinbau seinen Abschluss; im Kloster Korwey besitzt er seinen letzten Ausläufer. Aber dieses Kloster konnte, ähnlich wie Hildesheim, seinen eigenen Bedarf nicht mehr selbst produzieren; es besaß deshalb eigene Weinberge am Rhein und an der Mosel.

Die Ebene zwischen Bremen und Hamburg ließ keinen Weinbau zu. Dagegen blühte in Altsachsen und in der Mark Brandenburg der Weinbau außerordentlich. In Altsachsen war Hildesheim einer der wichtigsten Mittelpunkte des nordischen Weinbaues; außer dem Kloster besaßen auch die meisten kleineren Kapellen ihre eigenen Weinberge.

Den bedeutendsten Weinbau und Export des ganzen Nordens besaß die Mark Brandenburg; die Weine von Rathenow, Brandenburg, sowie namentlich von Guben waren weit verbreitet. Der Gubensche Wein ist einer der wenigen deutschen Landweine, die auch im internationalen Weinhandel eine Rolle spielen; im Weinhandel des preußischen Ordens kommt sein Name oft vor. Von Brandenburg breitete sich die Rebenkultur im Anfang des 16. Jahrhunderts auch nach Mecklenburg aus; doch werden Weinberge in Verbindung mit Klöstern schon in Urkunden von 1284 erwähnt. Von hier drang die Rebe bis in den Sandboden der Ostsee vor; in Lübeck soll noch der Name „Weinberg“ an ihre Verbreitung erinnern.

Nicht zu übergehen ist auch der Weinbau in Schlesien; schlesische Weine waren unter dem Namen „Grünberger“ wegen ihrer reichen Erträge im ganzen Mittelalter weit bekannt und verbreitet.

Der norddeutsche Weinbau ist, abgesehen von Temperaturveränderungen, vor allem dem Handel zum Opfer gefallen. Als der Weinbauer sah, dass er, ohne sich der Mühe des Anbaues zu unterziehen, durch die Weinkaufleute vom Rhein bessere und billigere Ware beziehen konnte, ließ er seine Weinberge eingehen und überließ es dem Handel, das Weinbedürfnis zu befriedigen.

Jetzt trat der hansische Weinhandel erst voll in seine Rechte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Weinhandel im Gebiete der Hanse im Mittelalter