Der hansisch-skandinavische Weinhandel

Das dritte große hansische Weinhandelsgebiet umfasst die skandinavischen Länder sowie das Gebiet des preußischen Ordens und reicht im Anschluss daran bis nach Polen und den baltischen Provinzen. Von einem Weinhandel mit dem engeren Skandinavien kann man schlechterdings nicht reden; es ist mehr ein Weinschank, der sich an die Niederlassungen knüpft, die sich zum Heringsfang im südlichen Schonen, auf Skanör und Falsterbo herausgebildet hatten. Der Hering war der Mittelpunkt des gesamten hansisch-nordischen Handels*) und ihm verdankten die Schonenschen Niederlassungen, die heute halbvergessene Flecken sind, ihre einstige hohe Blüte**). Ein regelmäßiger Verkehr hansischer Kaufleute auf Schonen ist für die Wende des 12. und 13. Jahrhunderts anzusetzen. Zurzeit des Heringsfanges entwickelte sich auf der Schonenschen Halbinsel ein reges Leben; was die absolute Zahl der zugereisten Kaufleute anbetrifft, so reichte sie wohl während der Marktzeit im Spätsommer und Herbst an den durchschnittlichen Verkehr in Nowgorod oder Brügge heran: so sollen beispielsweise 1463 in Falsterbo 20.000 Personen anwesend gewesen sein. Dieser Handelsverkehr dauerte in jedem Jahr nur wenige Wochen. Man unterschied Fischerei- und Handelsniederlassungen: jene die Läger, diese die Fitten. Solche Fitten besaßen Lübeck, dessen Fitte die größte war, Stettin, Stralsund und Danzig bei Falsterbo; Rostock besaß 1352 eine eigene Fitte auf Skanör, die von großer Ausdehnung gewesen sein muss, da die Stadt sogar einen eigenen Kirchhof besaß; außerdem hatten Wismar, Bremen und Kampen gleichfalls Fitten auf Skanör. Neben den Einpökelanstalten und Fischtrockenplätzen auf diesen Fitten entstanden bald Wirtschaften, in denen Händler Bier und Wein ausschenkten. Hierbei fand der hansische Weinhandel einen lohnenden Absatz. Nicht zum wenigsten mag dazu der Umstand beigetragen haben, dass Schonen auf dem Wege nach dem östlichen Ostseebecken gelegen war. Es war ein Ruheplatz für die hansischen Schiffer, die mit ihren Schiffen von Frankreich, Holland oder England nach den preußischen Häfen unterwegs waren. Hier war Gelegenheit, auf dem Wege des Zwischenhandels Waren zu veräußern, zu denen auch der Wein gehörte, und dafür Erzeugnisse der Fischerei oder der Rohproduktion entweder nach Preußen oder auch zurück nach England oder Holland zu führen.

*) Stieda, D. Schonenfahrergelag in Rostock in d. Hans. Geschichtsblättern 1890/91, S. 115.


**) Schäfer, Das Buch des lübeckischen Vogts auf Schonen, S. XIX (in d. Hans. Geschichtsquell. 1887, Bd. IV).


Auf den Fitten erwarben nun die hansischen Kaufleute Schankgerechtigkeiten für Wein und Bier, die abwechselnd von den verschiedenen Machthabern bestätigt wurden*); bis nach dem siegreich beendeten Krieg gegen Waldemar IV. von Dänemark 1370 den Hansen Skarnör, Falsterbo, Malmö und Helsingborg mit zwei Drittel der Zolleinkünfte auf 15 Jahre übergeben wurde.

*) Baumann, Die Handelsprivilegien Lübecks im 12. bis 14. .Jahrhundert, S. 20, 21. 24.

Von einem Weinhandel mit Schonen kann man eigentlich nicht reden; die Hansen führten auf den Fitten den Wein ein und setzten ihn dort im Kleinverkauf ab. Mangels jeder Zollbücher und Einfuhraufzeichnungen oder Schiffsregistern ist über die Herkunft des Weines, sowie über die eingeführten Mengen nichts bekannt. Doch wird auch hier wieder der Rheinwein vorherrschend gewesen sein; 1503 werden einmal 10 Stübchen Rheinwein auf Schonen erwähnt.

Für den Verkehr auf Schonen kommen ausschließlich wendische Städte in Betracht; unter ihnen ist aber die Vormachtsstellung Lübecks unverkennbar. Bis zum Kriege mit Waldemar IV. suchte jede Stadt sich einzeln durch Erwerbung von Privilegien eine wirtschaftliche Position zu erringen: Das erste Privileg fällt in die Jahre von 1203 bis 1209; in ihm wird den Lübeckern freier Handelsverkehr gewährt. Ein Ausschank von Wein oder Bier ist ihnen noch nicht gestattet, nur der Detailverkauf zur sofortigen Konsumtion. Den Besitzern von Fitten wird Zollfreiheit zugestanden, außerdem dürfen sie sich einen eigenen Vogt wählen, der aber dem vom dänischen König eingesetzten Vogt untergeben ist. Dieser hatte anfangs noch die Gerichtsbarkeit in Händen, später jedoch erwarben die Hansen das Recht, auf ihren Territorien die Gerichtsbarkeit durch ihre eigenen Vögte ausüben zu lassen.

Die nächsten Privilegien von 1251 und 1268 geben für das Schankwesen keine weiteren Anhaltspunkte. 1251 wird Wismar, 1276 Stralsund den Lübeckern gleichgestellt. Stralsund erhält 1316 die Gerechtsame, auf seiner Fitte Wein auszuschenken, von Herzog Christoph II. bestätigt; 1326 wird den Stralsundern der Weinausschank nach Stübchen gestattet, ebenso den Lübeckern. Die wesentlichsten Errungenschaften der Hansen in diesen Privilegien fallen in das Gebiet der eigenen Rechtspflege. Rostock erhält für seine Fitte diese Privilegien 1328. Sie gingen aber alle, mit Ausnahme derer von Lübeck, in den Jahren der schwedischen Herrschaft bis 1360 wieder verloren. Erst nach dieser Zeit gelingt es den Hansen, das Recht, eigene Schenken zu errichten und den Wein in Kannen, d. h. in kleinen Quantitäten, abzugeben, zu erlangen. Diese Bewegung begann schon 1352 mit dem Hinweis der Städte auf ihr altes Recht, solche Schenken zu halten; die Städte forderten damals vier Schenken für jede Fitte. Diese Forderungen fanden den Widerstand des Königs, der seinerseits Klage über die Hinterziehung des Zapfgeldes durch die hansischen Kaufleute erhob. Erst 1363 wurden die Forderungen der Kaufleute insofern erfüllt, als ihnen das Offenhalten von Schenken auf jeder Fitte gestattet wurde. Daran schloss sich im nächsten Jahre die Erlaubnis, Zollbuden zu errichten und Zölle zu erheben; solche Zollbuden besaß Kampen, ferner die Kaufleute, die mit Wein und Salz aus Frankreich oder England nach Schonen kamen. Nach Ausbruch des Krieges gegen Waldemar IV. findet nach Eroberung der ganzen Halbinsel im Jahre 1368 eine neue Verteilung und Verleihung von Fitten statt: Kampen, Amsterdam, Biel erhielten Fitten zu Skanör; Kulm, Thorn, Elbing, Königsberg, Danzig, sowie alle Städte, die dem Hochmeister von Preußen Untertan waren, zu Falsterbo. Auf diesen Fitten durften die Hansen eigene Krüge halten und Wein verzapfen in beliebigen Maßeinheiten und so viel, wie sie wollen. Mit dem Jahre 1370 ist Schonen so gut wie hansisches Territorium geworden.

Gleichzeitig wurde das Zollwesen geregelt; es basiert auf folgenden Grundsätzen: Alles ist zollfrei, was zwei Pferde ziehen können; Wein, der von vier Pferden gezogen wird, zahlt eine halbe Mark Schonisch; ebenso werden für Fahrzeuge die Abgaben geregelt und für die einzelnen Gegenstände des Handelsverkehrs ein detaillierter Zolltarif aufgestellt.

Mit dem Jahre 1370 hat der hansische Handel auf Schonen bei völliger Verkehrs- und Handelsfreiheit seinen Höhepunkt erreicht; in der Folgezeit lässt sich Genaueres über einen hansisch-schonenschen Weinhandel nicht beibringen. Im Jahre 1413 beschwert sich Köln einmal, dass seine Weinkaufleute in Schonen durch neue Verordnungen bedrückt werden 2), Aus dieser vereinzelten Bemerkung ist nur die Tatsache zu ersehen, dass Köln auch weiterhin in Schonen ein Absatzgebiet für seinen Rheinwein gefunden hatte; letzteres aber wohl nur im Anschluss an seinen ziemlich bedeutenden Weinhandel mit Dänemark im 15. Jahrhundert.

Eine hansische Metropole von großer Bedeutung in Norwegen war die alte Stadt Bergen, die bei der Betrachtung des nordischen Weinhandels nicht übergangen werden kann. Leider ist auch hier das vorhandene Urkundenmaterial so dürftig, dass nur eine oberflächliche Vorstellung gewonnen werden kann, eine zusammenhängende Schilderung ist nicht durchführbar. Im ganzen unterlag der hansischnorwegische Verkehr manchen Störungen und war von den Willkürlichkeiten der einzelnen Herrscher mehr als in anderen Ländern abhängig. Die ältesten Nachrichten berichten, dass König Sverrin von Norwegen (1177—1202) im Jahre 1186 alle hansischen Kaufleute wegen zu großer Weineinfuhr vertrieb*). Allgemein scheint das Verbot, Spirituosen einzuführen, längere Zeit in Kraft geblieben zu sein, denn 1252 wird den Hansen die Einfuhr der für Norwegen brauchbaren Güter (bona commestibilia) erlaubt, während das Bier davon ausgeschlossen bleibt. Bis zur Regierung Hakons IV. gelang es den Hansen allmählich in Bergen festen Fuß zu fassen; sie erlangten größere Freiheit im Verkauf ihrer Waren und wurden von einzelnen Verpflichtungen gegen die Stadt befreit. Auch wurde ihnen gestattet. an bestimmten Plätzen Erzeugnisse des Landes, wie Felle und Butter, in kleinen Mengen zu kaufen. Auch rechtlich erlangten sie einzelne Vorteile, die zur Ausübung ihrer Handelsgeschäfte von Nutzen waren. Diese Grundbestimmungen blieben, wenn auch öfters eingeschränkt, im wesentlichen bis zur Regierung Hakons V. bestehen. Von Wichtigkeit für den hansischen Handel im allgemeinen ist die unter der Regierung Erich Priesterfeinds 1285 erlangte Handelsfreiheit mit der Aufhebung der Beschränkungen beim Einkauf der Landeserzeugnisse. Der Zwischenhandel, an den die hansischen Kaufleute mit den Einwohnern Bergens gebunden waren, fiel fort. Im Jahre 1299 kam Hakon IV. zur Regierung; er war den Hansen feindlich gesinnt und suchte sie wieder durch Beschränkung des Kleinhandels und hohe Zölle zu bedrücken. Erst unter seiner Regierung wird wieder von einem hansisch-norwegischen Weinhandel berichtet: am 11. Juli 1302 erlässt er eine Bestimmung über den Weinhandel in Bergen, die folgende Hauptpunkte zum Inhalt hat.

*) Bruns, Die Lübecker Bergenfahrer und ihre Chronistik, (Hans. Geschichtsquellen, neue Folge, Bd. II), S. 1,

Jeder eingeführte Wein sollte auf dem Königshof angemeldet werden, indem der importierende Händler um die Erlaubnis zur Abladung nachsucht. Von jedem Fass Wein, das ausgeladen wird, erhält der König einen Zoll von 18 englischen Groschen. Bevor der Wein verkauft wird, unterliegt er einer Prüfung des Lagermannes und des Rates, die ihn auf seine Güte hin zu untersuchen haben und dann erst seinen Verkauf auf den dazu bestimmten Plätzen erlauben dürfen. Jeder Ratmann und jeder Lagermann erhält nun wieder von jedem Fass Wein, das verkauft wird, 5 Stübchen. Übertretungen gegen diese Verordnungen werden mit Konfiszierung des Weines bestraft. Aus der ganzen Verordnung spricht einmal eine relativ gut durchgeführte Organisation des städtischen Weinhandels in Bergen, andrerseits ist eine gewisse Schärfe in der Behandlung der hansischen Kaufleute unverkennbar.

Bei den großen Abgaben konnte sich der Weinhandel kaum noch Gewinn bringend gestalten. Vielleicht hängt hiermit die Tatsache zusammen, dass die Urkunden nichts Näheres über hansischen Weinhandel in Bergen enthalten. Neben der Behinderung des Handels durch die obigen Abgaben mag auch noch der Umstand mitgespielt haben, dass in der Ausfuhr nach Norwegen an Stelle des Weines das Bier trat. Bier wurde nach der Bildung des deutschen Kontors, das den wiederverliehenen Freiheiten durch Magnus Erichson seine Entstehung verdankte, in steigendem Maße von Lübeck nach Norwegen verschifft. Diesem großen Export verdankte Lübeck seine hervorragende Stellung in der Produktion von Hopfen. Später erreichte dieselbe eine solche Ausdehnung, dass die Erzeugnisse der heimischen Produktion nicht mehr genügten und Hopfen aus Thüringen, der Mark Brandenburg und slavischen Ländern bezogen werden musste. Der Hopfenhandel und die Verpachtung von Hopfengärten warf für die Stadt beträchtliche Einnahmen ab. In zweiter Linie kommt neben der Produktion Lübecks das Bremer Bier in Betracht. Der Bierkonsum war in Skandinavien allgemein; auch in den Verpflegungsverzeichnissen in den Hanserezessen für die hansischen Besatzungen in Dänemark pflegen Abrechnungen über das konsumierte Bier und Neubestellungen in der Heimat nie zu fehlen, während Wein gar nicht oder äußerst selten erwähnt wird. Endlich wurde Bier auch neben Getreide von den hansischen Kaufleuten zu Zahlungen an die norwegischen Fischlieferanten benutzt, ein nicht uninteressanter Beitrag zur Kennzeichnung der Naturalwirtschaft, die damals noch in hoher Blüte stand.

Auch in der Ausfuhr von Wein scheint, soweit es sich aus dem nur spärlich vorliegenden Urkundenmaterial ersehen lässt, Lübeck einen besonderen Platz eingenommen zu haben. Der Wein kam aus dem Süden Deutschlands teils mit Benutzung von Flussläufen, teils zu Lande nach Lübeck und wurde von dort nach Norwegen verfrachtet. Eine Bestätigung für diesen Verkehr ist in einer Urkunde aus dem Jahre 1294 enthalten 5), in der der Rat von Bergen anerkennt, zwei Lübecker Bürgern eine Restzahlung über zehn Fass Wein zu schulden. Neben Lübeck kommen noch Köln und Bremen in Betracht. Bei dem Verkehr Kölner Weinkaufleute über Schonen nach den Häfen der östlichen Ostsee war es natürlich, dass dieselben auch Norwegen in den Bereich ihres Handels einschlossen. Nach der vorhandenen Nachricht scheinen die Kölner den Weinhandel in relativ großem Maßstabe betrieben zu haben, es wird wenigstens berichtet, dass im Jahre 1398 Kölner Bürger durch Beraubungen in Norwegen einen Verlust von annähernd 200 Nobeln erlitten haben, eine Summe, der immerhin schon eine größere Quantität Wein entsprechen müsste.

Eine Bemerkung über den bremischen Weinhandel mit Bergen datiert allerdings aus sehr viel späterer Zeit; sie betrifft die Ausfuhrmenge von Südwein in den Jahren 1577 bis 1578, die im ganzen 166 Tonnen betrug.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Weinhandel im Gebiete der Hanse im Mittelalter