Der hansisch-niederländische Weinhandel

Die Stelle, wo sich der Handel des europäischen Nordens, und besonders der niederdeutsche Handel mit dem Welthandel berührte, war der internationale Markt in Flandern, in dessen Brennpunkt Brügge lag. Von nahezu ebenso hoher wirtschaftlicher Bedeutung war in den eigentlichen Niederlanden die Grafschaft Holland mit Dordrecht und das Bistum Utrecht mit Deventer als Mittelpunkt. In Verbindung mit diesen drei Städten, die wie Dordrecht und Deventer im Stromsystem des Rheins gelegen und darum natürliche Eingangstore des Handels sind, ist auch der hansisch-niederländische Handel zu betrachten.

Diese Gebiete kommen größtenteils nur für den Durchgangshandel in Betracht; im Weinhandel trafen sich hier die Weinschiffe auf der Fahrt den Rhein hinunter nach England mit den Weinkaufleuten aus Spanien und Frankreich, die hier Station zu machen pflegten, bevor sie ihre Fahrt nach England oder den baltischen Ländern fortsetzten. Da Brügge mit seinem Seehafen Sluys der bedeutendste Handelsplatz Flanderns war, so kann es in den Mittelpunkt einer Betrachtung über den hansisch-flandrischen Weinhandel gestellt werden. Politisch gehörte Flandern zu Frankreich; die Grafen von Flandern waren Lehnsträger der Krone Frankreichs. Neben den Grafen hatten auch die Städte Brügge, Ypern und Gent vermöge ihrer wirtschaftlichen Blüte eine einflussreiche Stellung im Lande. Diese Tatsache wird am bezeichnendsten durch den Umstand ausgedrückt, dass die Städte dem deutschen Kaufmann aus eigener Machtvollkommenheit Handelsprivilegien und Freiheiten innerhalb ihrer Mauern verleihen konnten. Da Flandern für den hansischen Kaufmann Ausland war, so war er natürlicherweise auf diese Privilegien angewiesen, die ihm, bedingt durch die mächtige Entwicklung des flandrischen Handels und Gewerbefleißes, in beschränkterer Weise verliehen werden konnten, wie in den kulturell noch nicht so fortgeschrittenen Ländern des Nordens und des slavischen Ostens. Während die Grafen von Flandern den Hansen Verkehrsprivilegien und Freiheiten über den Handel zu Wasser und zu Lande und Geleitsbriefe ausstellten, verliehen die Städte natürlicherweise mehr Privilegien lokalen Charakters, wie Marktgerechtigkeiten, Wägeordnungen und Handelskonzessionen. Diese Privilegien bilden auch die Quellen für die Betrachtung des Weinhandels der flandrischen Städte, speziell Brügges, und nach dessen allmählichem Sinken auch Antwerpens.


Im Jahre 1252 erwarben die deutschen Kaufleute zum ersten Male gemeinschaftliche Privilegien in Flandern; meistenteils betreffen sie Zollvorschriften, wie in Brügge und Damme. Von einer Hanse konnte in dieser Zeit keine Rede sein; deshalb wurden diese Privilegien auch den Kaufleuten des römischen Reiches verliehen. Im Anschluss hieran wurde die Niederlassung zu Brügge besser organisiert. Erst vom Jahre 1347 an kann man von einer Hanse in Flandern reden, nachdem sich die Einteilung des ganzen Gebietes des gemeinen Kaufmanns in drei Dritteile mit den Vororten Köln, Wisby und Lübeck vollzogen hatte.

Größere Privilegien errangen die Hansen in Flandern in den Jahren 1307 und 1309, die für den Weinhandel in Betracht kommen. Schon von alters her bestand in Brügge ein lebhafter Weinhandel, namentlich mit Köln; zusammenhängende Nachrichten stammen erst aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Aber schon aus früherer Zeit sind verstreute Angaben erhalten. Im Jahre 1298 wird aus Brügge von einem Weinzoll berichtet; schon vorher erhielt Lübeck wie Hamburg von dem Grafen Guido von Flandern vollkommene Handelsfreiheit in seinem Lande; später wurden sie auch von diesem Weinzoll für befreit erklärt. Eine allgemeine Verordnung über den Spezereihandel wird von der städtischen Behörde in Brügge im Jahre 1304 erlassen, worin auch der Weinhandel nach einheitlichen Gesichtspunkten geregelt wurde; namentlich Rheinwein und spanischer Wein aus Galizien werden angeführt; aus der Angabe der Sorten ergibt sich die Vielseitigkeit des Weinhandels in Brügge, der in der zentralen Lage der Stadt seine Ursache hatte.

Politisch hat die Hanse in Flandern nie Einfluss besessen; dieser sank um so mehr, als die Kontore den Städten unterstellt wurden, wodurch es zu vielen Ausbrüchen der Gegensätze zwischen Stadtgemeinde und Kontor kam. Diese Verhältnisse besserten sich, als die Hansen gegen Flandern das Zwangsmittel der Handelssperre ergriffen, die von 1358 bis 1360 durchgeführt wurde; außerdem wurde zeitweilig der Stapel von Brügge nach Dordrecht verlegt. Mit Schluss der Handelssperre erlangten die Hansen freie Niederlassung in ganz Flandern. Schon im Jahre 1359 hatte die Brügger Stadtgemeinde durch Verheißung von Freiheiten den römischen Kaufmann zu bestimmen gesucht, den Stapel wieder nach Brügge zu verlegen; ein Jahr später willfahrte der Kaufmann dem Ansuchen Brügges unter der Annahme der obigen günstigen Bedingung. Jetzt erfolgte auch eine neue genaue Regelung des hansischen Weinhandels, die Graf Ludwig HL von Flandern in einer Freiheit vom Jahre 1360 festsetzte*). Der Weinverkauf im kleinen ist nach der alten Abgabe — von jedem Maß Wein ein Gewicht gewöhnlicher Groschen — erlaubt; Mischwein bleibt von jeder Abgabe befreit. Den Zollbeamten, Maklern und anderen zur Überwachung des Weinhandels angestellten Beamten ist jeder Handelsverkehr mit den Weinkaufleuten untersagt; endlich können Fässer, die auf irgend eine Weise von ihrem Inhalt eingebüßt haben, wenn der Verlust nicht den vierten Teil des Inhaltes überschreitet, ohne Heranziehung eines Zollbeamten nachgefüllt werden, wobei das nachgefüllte Quantum von jeder Abgabe befreit war.

Trotzdem dieses Privileg auf einer gesunden Basis für den Weinhandel ruhte, hörten die Streitigkeiten zwischen den Hansen und Niederländern nicht auf; Schikanen und Reibereien kamen häufig vor. Im Jahre 1382 wurden zwei Kölner Bürgern von ihren in Brügge lagernden 58 Stück Wein 10 Stück von den Brüggelingen widerrechtlich genommen und verbraucht; die anderen 48 Stück hielten sie so lange zurück, bis sie verdorben waren. Schon damals kam der deutsche Kaufmann wegen der Weinakzise mit der Stadt in Konflikt, worüber er in einem großen Rundschreiben an die wendischen Städte vom Jahre 1383 berichtet; früher lag auf einem Stübchen Wein ein Zoll von einem englischen Groschen, jetzt war er auf drei Groschen erhöht worden.

Wegen dieser Misshelligkeiten verlegte der Kaufmann 1388 den Stapel abermals von Brügge nach Dordrecht. Die Folge war eine größere Bereitwilligkeit der flandrischen Städte, vor allem Brügges, den Forderungen des Kaufmanns entgegenzukommen, da der Verlust des hansischen Stapels als ein empfindlicher Schlag für den flandrischen Handel und speziell für den Wohlstand Brügges empfunden wurde. Nur Baiisches Salz, Wolle und Poitouwein war nicht den strengen Anweisungen des hansischen Kaufmannes über den Bezug flandrischer Waren für das gesamte Gebiet der Hanse unterstellt; während jegliches Gut, das westlich der Maas gekauft war, in Hansestädten zum Verkauf gebracht werden durfte, blieben Baiisches Salz. Wolle und Wein von Poitou hiervon ausgeschlossen. Es wurde verlangt, dass von allen Waren der Nachweis erbracht werden konnte, dass sie auf dem Stapel zu Dordrecht gelegen hatten.

Im Jahre 1392 wurde der Stapel wieder nach Brügge zurück verlegt. In der ganzen Zeit der Entwicklung hatte sich die wirtschaftliche Stellung Kölns für den Nordwesten des hansischen Gebietes mehr und mehr gefestigt; wegen seiner zentralen Lage war es der Übergangspunkt für die Warenzüge, die von Italien durch Oberdeutschland teilweise mit Benutzung des Rheines nach Flandern und England gingen, und in umgekehrter Richtung englische und flandrische Tuche, sowie andere Produkte der reich entwickelten flandrischen Industrie exportierten. Denselben Warenzügen schloss sich auch der Kölner Rheinweinhandel an. Das oben angeführte Schriftstück vom Ende des 14. Jahrhunderts, das die Beschwerden Kölns über die Übergriffe Brügges gegen Kölner Bürger zum Inhalt hat, gibt ein Bild von dem Weinverschleiß der Kölner Kaufleute in Brügge. Diese Klageartikel bildeten damals mit einen bestimmenden Grund für die Verlegung des Stapels nach Dordrecht.

Die Organisation des Weinzapfes ist in Brügge im allgemeinen derjenigen in Köln nachgebildet. Das Zapfgesinde bestand aus dem Weinmeister der Tavernen, zwei Schenken und den Weinzapfern. In Köln stand an Stelle des ersteren meistens der selbständige Wirt. Der Weinmeister erhielt einen Lohn von vier Groschen, die Weinzapfer für jedes Fass, das gezapft ist, drei Groschen; die Weinschenken, deren Aufgabe es war, den Wein vor der Tür zu zapfen, für jedes verzapfte Fass vier englische Groschen, der Weinschröter für jedes abgeladene Fass Wein drei englische Groschen. Diese Zapfordnung wurde später noch verbessert und ergänzt, einzelne Gewerbe, wie die Weinschröter, erhielten 1392 eigene Ordnungen. Wie in den Hansestädten des Nordens wurden die Weinschröter nach den Weinsorten, die sie zu schröten hatten, getrennt in solche, die nur Rheinwein, und in solche, die spanische, d. h. allgemein außerdeutsche Weine zu besorgen hatten. Wie in Köln, wurde ihr Verdienst genau geteilt; außerdem bestand für sie die Verpflichtung, immer in genügender Zahl an den Kranen vorhanden zu sein und sich den Kunden ungesäumt zur Verfügung zu halten.

Eine drückende Verpflichtung für die Kölner Weinkaufleute in Brügge, wegen der sie sich auch in fortgesetzten Klagen ergingen, war die, dass sie den Wein, den sie einmal in Brügge eingeführt hatten, auch unter allen Umständen dort an den Mann bringen mussten. Diese Verordnung war um so empfindlicher, als den Kaufleuten jede Möglichkeit, ihren unverkauften Wein beispielsweise nach England, das während des ganzen Mittelalters der Hauptabnehmer für Rheinwein war, weiter zu transportieren, genommen war. Veranlassung zu anderen Klagen bildeten die willkürliche Erhöhung des Zolles auf Rotwein, der früher nur ein Pfund Groten betragen hatte, und die Abgabe von dem Wein, den sie mit ihrem Gesinde in ihren Herbergen tranken, und der bis dahin von allen Abgaben befreit geblieben war.

Diese Angaben erlauben mancherlei Schlüsse zu ziehen; die Kölner hatten demnach in Brügge eigene Tavernen, in denen sie eigenes Personal, vermutlich aus der Heimat mitgebracht, beschäftigen durften. Allgemein hatten sie sich der städtischen Organisation des Schankbetriebes anzupassen und sich in Lohnfragen den Vorschriften der Gewerbepolizei zu unterwerfen. Mit ihrem Wein mussten sie, wenn sie auf der Fahrt nach England nach Sluys, dem Außenhafen von Brügge, kamen, in Damme auf den Stapel gehen. Dieser Stapel gab fortgesetzt Anlass zu lebhaften Klagen, die meistens in Beschwerden über ungerechte Behandlung durch Makler, Kranenmeister und Weinschröter gipfelten.

Der politische Grund dieser Vergewaltigungen, die sich nicht nur auf den Kölner Bürger, sondern auf den deutschen Kaufmann überhaupt erstreckten, lag darin, dass seit 1384 die flandrischen Städte einem neu aufstrebenden Herrschaftsgebiet angehörten, nämlich dem Herzogtum Burgund unter einem jüngeren Zweig des Hauses Valois. Das Zentrum des westdeutschen Handels war dadurch in die Hände einer außerdeutschen Dynastie gefallen, die versuchte, den Einfluss des deutschen Kaufmanns in diesem Wirtschaftsgebiet mit allen Mitteln zu untergraben und womöglich ganz zu beseitigen. Allein es gelang der Hanse, während des 15. Jahrhunderts ihre Stellung, wenn auch unter Aufbietung aller Kräfte, zu behaupten. Doch begannen seit dieser Zeit die nunmehr burgundischen Städte gegen die seeländischen und holländischen Städte bedeutend zurückzutreten. Diese nahmen nunmehr, namentlich was die Rheinschifffahrt und den Verkehr mit Köln anbetraf, die erste Stelle im hansischen Durchgangshandel ein. Zu dieser Abwendung des deutschen Kaufmannes haben nicht zum wenigsten die Bedrückungen und Streitigkeiten beigetragen, zu denen namentlich der lange Kampf um die Weinakzise in Brügge gehört, der Jahrzehnte lang die Gemüter in Aufregung erhielt und an seinem letzten Ende mit ein Grund für den wirtschaftlichen Niedergang Brügges und damit des deutschen Kaufmanns in ganz Flandern geworden ist.

Schon im Jahre 1395 sollte der deutsche Kaufmann zur Weinakzise in Brügge herangezogen werden; das Ergebnis des Protestes, den er hiergegen erhob, ist nicht festzustellen. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurde die Weinakzise eingeführt. Infolge des in Flandern herrschenden Aufruhrs wurde dem deutschen Kaufmann von dem römischen König gestattet, sein Kontor von Brügge nach Antwerpen zu verlegen. 1491 richtete er sich hier ein. Diese Verlegung suchte Antwerpen seinerseits nun auszubeuten, indem es, abgesehen von anderen Unfreundlichkeiten und Belästigungen, die Weinakzise um ein beträchtliches erhöhte. Unter Benutzung dieser Umstände gelang es Brügge, den Kaufmann zur Aufgabe seines Kontors in Antwerpen zu bewegen und sich wieder in Brügge niederzulassen. Als Gegenleistung hob Brügge die Weinakzise völlig auf. Dieser Zustand dauerte aber noch keine zwei Jahre; 1494 sehen wir die Weinakzise nicht nur schon wieder eingeführt, sondern der römische König erlaubte der Stadt wegen ihrer durch die Aufstände der letzten Jahre hervorgerufenen finanziellen schlechten Lage dieselbe um das Sechsfache zu erhöhen.

Ein allgemeiner Kampf gegen diese Maßregelung seitens des hansischen Kaufmanns begann. Köln war Führerin in diesem Streit, da die rheinischen Kaufleute sich am schwersten in ihrem Weinhandel bedrängt und geschädigt sahen. Köln wandte sich durch seine Reichstagsdeputierten in Worms an den römischen König; dieser aber versagte seine Hilfe mit dem Hinweis darauf, dass Brügge behauptet habe, die Erhöhung der Weinakzise sei im Einverständnis mit allen Hansestädten erfolgt. Köln antwortete hierauf mit der völligen Einstellung des rheinischen Weinhandels in Flandern; speziell in Brügge. Bald darauf ging es noch einen Schritt weiter und verlangte die Räumung des Kontors; stieß aber mit dieser Forderung bei den wendischen Städten auf Widerspruch. Der Streit beschäftigt alle Städte drittel, sogar die wendischen und livländischen Städte sehen sich gezwungen, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Die Verhandlungen ziehen sich jahrelang hin, das neue Jahrhundert sah noch keine Aussicht auf Beilegung der Streitigkeiten, deren Ausgang nicht bekannt ist. Der Konflikt verläuft im Sande.

Es ist hier nicht der Ort, die Streitigkeiten genauer zu verfolgen; sie sind nur symptomatisch interessant. Vor allem führen sie die wirtschaftlich schwache Stellung des hansischen Kaufmanns in Flandern vor Augen, die er teilweise seiner eigenen Uneinigkeit und der Vertretung von Sonderinteressen zu verdanken hatte. Beide gingen bisweilen so weit, dass nicht einmal eine Stadt wie Köln die Mittel besaß, ihren Untertanen im Ausland ihren Willen aufzuerlegen*).

*) Bei der Einstehung des Kölner Weinhandels in Brügge, betrieben kölnische Weinhändler ihren Schank ruhig weiter! Hanserezesse 3. Abt., III, Nr. 563.

Unter diesen Umständen war an eine gedeihliche Entwicklung des hansischen Weinhandels in Flandern nicht zu denken. Mit dem politischen Niedergang Brügges, der sich an den wirtschaftlichen aufs engste anschließt, und dem Aufkommen Antwerpens wandte sich der hansische Weinhandel anderen Gebieten zu. Auch der Rheinverkehr bahnte sich einen anderen Weg; er folgte dem Rhein bis zur Mündung, wo Dordrecht sich bald zu einer Achtung gebietenden Stellung im hansischen Weinhandel emporschwang. Weiter erlangten durch die Abzweigung des Ostseehandels vom Rhein aus durch die Yssel die Städte an der Südersee und im Bistum Utrecht Einfluss, so namentlich Deventer, Kampen und Utrecht, am Rhein Nimwegen und Cleve.

Zur Betrachtung dieses holländisch-hansischen Handels ist Dordrecht als der geeignetste Platz als Ausgangspunkt anzusehen, da es durch seine Lage den Schlüssel zu dem gesamten Flusshandel auf dem Rhein bildete. Das Zusammentreffen von See- und Flusshandel war die Grundlage für seine nachhaltige, spätere Bedeutung. Schon aus früher Zeit sind Nachrichten über Weinhandel in Dordrecht erhalten. Das älteste Dokument ist eine Zollrolle aus dem Jahre 1287 für die Wareneinfuhr vom Lande her, wo neben Tuch auch Wein erwähnt wird. Allgemein wurde die Rheinschifffahrt schon viel früher von den anwohnenden geistlichen und weltlichen Herrn, die in dem Rhein die ungeheure Bedeutung für Handel und Verkehr des ganzen westlichen Europas erkannt hatten, wohlwollend unterstützt. 1279 schlossen der Erzbischof Sigfried von Köln, der Herzog Johann I. von Flandern und der Graf von Geldern und Cleve einen Vertrag zur Aufrechterhaltung des Friedens im Stromgebiet des unteren Rheines und der Maas; in dem Vertrag heißt es wörtlich: „Wir wollen, dass Kaufleute mit Wein und Salz auf Rhein und Maas wie von alters her verkehren.“ Die Grafen von Holland, zu deren Herrschaft Dordrecht politisch gehörte, ließen sich die Gunst der Lage dieser Stadt nicht entgehen und errichteten hier einen Stapel für alle Schiffe, einerlei, ob sie rheinaufwärts oder abwärts kamen. Der Stapel für Wein wird durch einen Erlass des Grafen Wilhelm von Holland im Jahre 1342 geregelt; die Stapelfrist wird auf acht Tage festgesetzt. Ausgenommen sind Weine, die gleich „von der Winde oder dem Krane“ verkauft werden, d. h. die gleich auf dem Rheine bei Ankunft der Weinschiffe Käufer fanden. Die für den Hof des Grafen bestimmten Weine blieben von dem Stapelzwang befreit; ebenso diejenigen Weine, die Dordrechter Bürger nicht in Dordrecht verkaufen, sondern rheinaufwärts nach Köln führen wollten. Unter diesen Weinen können nur französische Weine gemeint sein, deren Handel der Graf seinen Bürgern erhalten und durch Erlassen des Stapels eine wirksame Konkurrenz gegen die Kölner Weinkaufleute schaffen wollte. Auf jeden Fall offenbarte der Graf durch die ganze Veranlagung des Stapels eine handelspolitische Vorsorge für sein Gebiet, die im direkten Gegensatz zu den egoistischen Vorgehen anderer kleinerer Machthaber steht.

Unter Graf Albrecht von Holland wurde ein allgemeiner Weinzoll für alle Weine, die „vom Westen kommen“, eingeführt; von jedem eingeführten Fass Wein wurden 90 holländische Pfennige erhoben. Der Stapel blieb von diesem Zoll unberührt; er wurde bald darauf insofern noch verschärft, als Graf Albrecht 1401 bestimmte, dass alle Untertanen ihren Wein nur in Dordrecht einzukaufen hätten, eine Maßregel, die sich namentlich gegen die zunehmende Zentralisierung des Handels durch Brügge, das um diese Zeit auf der Höhe seiner Macht stand, richtete.

Bei dem hansisch-niederländischen Handel handelt es sich ausschließlich um die Schifffahrtstraße des Waal, der sich handelspolitisch von Dordrecht bis Köln erstreckt. Nach mittelalterlicher Gepflogenheit taten sich natürlich an einem so außerordentlich wichtigen Verkehrsweg viele Zollstätten auf, die alle bestrebt waren, aus dem an ihnen vorbeiziehenden Handel ihren Gewinnanteil zu schlagen. Die bedeutendsten Zollstationen dieser Art bestanden für den großen Durchgangshandel in Dordrecht und Nimwegen. Nach der durch Herzog Albrecht von Bayern, den Regenten von Holland, im Jahre 1379 erneuerten Zollrolle hatte in Dordrecht ein Weinschiff mit 100 Fass Wein an Zoll 8 Schillinge und 8 Pfennige holländisch zu zahlen. In Nimwegen aber war die 40. Mark (von der Ladung) zu entrichten. Führten die Bürger jedoch den Wein rheinabwärts weiter, so wurde, falls die Ladung weniger als 100 Mark repräsentierte, jede Roete zu 6 Mark gerechnet und musste davon der 40. Pfennig bezahlt werden. War die Ladung mehr als 100 Mark wert, so war für die ganze Schute 2 ½ Mark und 18 englische Pfennige oder ein Schwert zu entrichten. Die für die Bürger von Emmerich aber im Verkehr in Geldern zu zahlenden Abgaben vom Wein waren im Jahre 1370 festgesetzt und im Jahre 1388 neu geregelt worden. Nach dem Tarif von 1370 war in Nimwegen nichts zu zahlen, nach dem Tarif von 1388 jedoch 7 alte Groschen, von denen 4 die Herzogin Mutter von Jülich und Geldern, 3 der Herr von Schönforst erhielten. Cleve wird einmal als Heimatort von Weinkaufleuten genannt, die der Graf von Holland in seinen Schutz genommen hatte. Nach verschiedenen Anzeichen scheint sich jedoch in Cleve nur ein kleiner lokaler Weinhandel, wahrscheinlich im Anschluss an Köln und Aachen, ausgebildet zu haben. Neben Dordrecht kommt als Handelszentrum für hansischen Weinhandel Utrecht in Betracht; außerdem sind durch Benutzung der Yssel Deventer und Kampen wichtig. Der Weg auf der Yssel wurde wahrscheinlich spät in Benutzung genommen; für Weinhandel wird er erst 1453 erwähnt. Diese Angabe stimmt auch zeitlich mit der Tatsache überein, die im hansisch-preußischen Handel bestätigt gefunden wird, dass die preußischen Städte mit den Plätzen an der Südersee, wie Kampen, Deventer, in lebhaftem Handelsverkehr standen und namentlich ausländische Weine auf diesem Wege bezogen. Im Jahre 1453 erteilte der Bischof Rudolph von Utrecht ein Handelsprivileg für den Weg auf der Yssel und stellt einen Zolltarif für Wein auf; unter diesem befinden sich Rheinwein, Malvasier und griechische Weine. Ein lokaler Weinhandel bestand in Utrecht schon sehr früh; schon 1233 erlässt die Stadt eine Verordnung über den Weinzapf innerhalb des städtischen Gebietes. Nur Utrechter Bürger durften Wein zum Verzapfen verkaufen; Zuwiderhandelnde müssen 10 Goldpfunde Strafe zahlen und durften ein Jahr lang keinen Handel in der Stadt treiben. Das Maklerwesen, das bei diesem schon so frühzeitig ausgebildeten Weinhandel ebenfalls zu den alten Einrichtungen zu zählen sein wird, wurde 1450 neu geregelt und den Maklern ein fester Lohn garantiert. Wahrscheinlich drückt diese Verordnung den Übergang des Makleramtes von einem Ehrenamt zu einem städtischen Amt mit Lohnzahlung aus. Weine, die von Utrechter Bürgern auf eigenes Risiko in Utrecht eingeführt waren, blieben von der Maklergebühr befreit. Auch diese Maßregel war zur Hebung des Eigenhandels erlassen worden, um dem Kölner Rheinweinhandel einigermaßen wirksam entgegentreten zu können. Aus demselben Grunde waren die Weine, die von Westen, d. h. Frankreich, kamen und die die Kaufleute aus Utrecht in Brügge oder Antwerpen gehandelt hatten, von Abgaben befreit. Auch zwischen Utrecht und den anderen süderseeischen Städten, z. B. zwischen Utrecht und Deventer, entwickelte sich der Weinhandel.

Der hansisch-holländische Handel war nur Durchfuhrhandel; den Eigenhandel besorgten die flandrischen Städte selbst. Die Bedeutung der flandrischen und holländischen Städte für den Weinhandel wird erst bei der Betrachtung des hansisch-preußischen Weinhandels recht in die Erscheinung treten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Weinhandel im Gebiete der Hanse im Mittelalter