Der hansisch-englische Weinhandel

England ist das erste nordische Gebiet, mit dem die Deutschen in Handelsbeziehungen getreten sind; diese Tatsache liegt in dem Charakter des niederrheinischen Handelsgebietes begründet. Während die meisten deutschen Gebiete in ihrer Abgeschlossenheit auf den Binnenhandel angewiesen waren, lenkte der Lauf des Rheins den Handelsstrom auf England hin. Denn hier begegneten sich die letzten Ausläufer des Mittelmeerhandels mit dem des rheinischen Wirtschaftsgebietes. Ein zweites Moment für die früh ausgebildete englisch-deutsche Handelstätigkeit lag in der rechtlichen Stellung, welche die Deutschen sich früh in England zu erwerben verstanden hatten. Mit einer geradezu beispiellosen Zähigkeit und Ausdauer gelang es den Hansen, im Laufe der Jahrhunderte diejenigen Privilegien zu erlangen, auf deren Basis sich der hansische Handel in England zu einer solchen imponierenden Größe entwickelt hat. Die ältesten Beziehungen der Hansen zu England gehen bis in das 10. Jahrhundert zurück; man nannte sie hier „Leute des Kaisers“, und verstand darunter Kaufleute des Niederrheins, speziell aus Köln und den flandrischen Provinzen, dann auch aus Hamburg, Lübeck, Bremen, Braunschweig und Lüneburg.

Während dieses Zeitraums ist allerdings von einem gemeinsamen Vorgehen deutscher Kaufleute noch keine Rede; es kommen hier lediglich Freibriefe und Privilegien für einzelne Städte, die in England Handel treiben, in Betracht; so die Freiheiten der Braunschweiger von 1230, die Freibriefe für Hamburg von 1266, für Lübeck 1267. Allmählich schlossen sich diese einzelnen deutschen Städte zusammen und repräsentierten in der Gildhalle eine Gemeinschaft, die jetzt mit Entschlossenheit den Kampf um ihre Privilegien aufnahm. Namentlich Köln gebührt hier das Verdienst, die Landsmannschaften in der Gildhalle zusammengeführt und den Deutschen einen gesicherten Rechtszustand geschaffen zu haben.


Im 13. Jahrhundert gelang es Lübeck, im Bunde mit Hamburg sich gegen die Kölner Herrschaft zu erheben; ein Umschwung, der allen weiter daran beteiligten Städten des nördlichen Deutschlands zugute kam. Das Privileg König Heinrichs III. aus dem Jahre 1238 öffnete ihm den Besuch Englands zu Handelsunternehmungen, und Lübeck tritt nun an die Spitze der Vereinigung deutscher Kaufleute oder der Hanse Alemanniens, wie sie damals zuerst genannt wurde. Der Anfang zu einer selbständigen Genossenschaft war gemacht, sie hatte ihr Gildehaus und bemühte sich auf dieser Basis, ihre bereits erlangten Freiheiten zu behaupten und zu erweitern. In der magna carta Eduards I. von 1303, die als die Grundlage des englisch-hansischen Handels anzusehen ist, wurde allen Fremden völlige Handelsfreiheit in England gewährt.

Von kleineren Verordnungen abgesehen, war das nächste bedeutsame Aktenstück der Vertrag zu Utrecht 1474, in dem die Hansen auf Grund ihrer Eduard IV. gegen Frankreich geleisteten Dienste neben Wiedereinsetzung in ihre früheren Rechte verschiedene günstige Privilegien erlangten; so wurde ihnen der Stalhof in London und Boston zur Verfügung gestellt und ihnen abermals Handelsfreiheit im ganzen Lande bestätigt. Dieser Utrechter Vertrag bedeutet für die Hansen den Höhepunkt ihrer Macht; gleichzeitig beginnen im Bunde die zentrifugalen Kräfte zu wirken: die hervorragendsten Städte suchen Sonderprivilegien zu erlangen, intrigieren gegeneinander und zersplittern ihre Macht; an dieser Uneinigkeit ging die Hanse in England zugrunde.

Die Vorbedingung für eine rechtlich gesicherte Stellung des deutschen Kaufmanns war durch ein wohl organisiertes Fremden- und Schuldrecht gegeben; infolgedessen konnte sich der hansische Handel in großartiger Weise in England entwickeln.

Schon von alters her spielt der Import von Rheinwein eine große Rolle. Die ältesten Nachrichten reichen in die Zeit zurück, in der eine Vereinigung der Hansen noch nicht stattgefunden hatte und Köln noch allein die maßgebende Rolle im hansisch-englischen Handel spielte. Dem gemäß haben auch die erhaltenen Urkunden die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Köln und London zum Inhalt. 1157 richtete Heinrich II. von England an die Sheriffs von London die Botschaft, dass er den Kölner Kaufleuten die Erlaubnis erteilt habe, ihren Wein ebenso in London anzubieten, wie der aus Frankreich eingeführte Wein feilgehalten wird. Diese Urkunde bildet einen Beleg für die Annahme, dass den deutschen Kaufleuten in der ersten Periode ihrer Handelstätigkeit nur kleinere Privilegien seitens der Krone bewilligt worden seien, die lediglich als eine Gnade des Landesherrn aufzufassen sind, nicht aber der geschlossenen Machtstellung der fremden Handeltreibenden ihre Entstehung verdanken. Leider bildet diese Urkunde die einzige Quelle für den Weinhandel dieser frühesten hansischen Handelsperiode.

Eine Durchführung der verliehenen Rechte findet erst statt, als sich die deutschen Kaufleute unter der Führung Lübecks zusammengeschlossen hatten und so die Ursache zu der carta mercatoria von 1303 wurden. Während die Kaufleute aller Nationen für ihre Waren eine umfassende Handelsfreiheit, d, h. freie Ein- und Ausfuhr nach Bezahlung des festgesetzten Zolles, erhielten, enthielt die carta für den Weinhandel die Einschränkung, dass Wein, wenn er einmal eingeführt war, nur mit besonderer Erlaubnis wieder ausgeführt werden durfte. Im Lande blieb den hansischen Kaufleuten der Groß- und Kleinhandel unbenommen, nur das Feilhalten von Wein in Wirtshäusern war untersagt.

Wichtig für den Weinhandel war allein das dem König zustehende Recht der prisa. Die prisa im Verein mit der purveyance gaben dem König das Recht, seine Waren zu einem niedrigst angesetzten Preise einzukaufen. Die purveyance bezog sich nur auf Bodenprodukte, während die prisa von den anderen Gegenständen des Handels, wie Metalle, Leinwand, Holz- und Stahlwaren, erhoben ward. In natura hat sich dieses Recht nur für Wein erhalten; Schiffe mit einer Ladung von weniger als 10 Fässern waren abgabefrei, von 10 bis 20 Fässern an aufwärts gehörte ein Fass dem König, von mehr als 20 Fässern gehörten zwei dem König. Eine zusammenhängende Darstellung dieses Rechts der prisa gibt eine Verhandlung vor dem Londoner Schatzamt gegen den deutschen Kaufmann Franko von Köln. Dieser hatte sich der Verletzung des Prisenrechtes des Königs insofern schuldig gemacht, als er seine Ladung Wein aus dem Schiffe ausladen ließ, ohne die zwei dem König gehörigen Fässer, nämlich „ein Fass vor dem Mast und eins hinter dem Mast abgeliefert zu haben, und außerdem die nach Entdeckung der Hinterziehung an die Fässer angelegten Siegel erbrochen hatte. Eine Erklärung für den Ausdruck „vor und hinter dem Mast“ lässt sich nicht finden; vielleicht handelt es sich um einen altertümlichen Ausdruck einer früheren Verordnung; denn für das Alter des Prisenrechtes zeugt das regelmäßige Beiwort consuetus in der Wendung „de rectis prisis suis debitis et consuetis. An die Stelle der Weinprise trat mit dem Erlass der carta mercartoria von 1303 die sogenannte Butlerage, eine Zollabgabe von 2 Schillingen für jedes Fass. Sie bot als eine feststehende Abgabe einen Anteil für die Hansen, während die Prise an Bedeutung verlor oder gewann, je nach dem wie der Preis des Weines stand. Als dann 1311 die carta mercartoria für ungültig erklärt wurde, fiel die Butlerage und der König verlangte aufs neue die Prise. Dagegen erhoben die Hansen Einspruch, weil ihre Fässer der normalen Eichung nicht entsprachen und die Prise nach altem Herkommen deshalb von ihnen nicht erhoben werden sollte. Im Jahre 1304 befahl König Eduard dem Schatzamt, die Verhandlungen über die Rheinweinprise zu Ende zu führen*).

*) Hans. Urkundb., II, Nr. 252. Kunze, Hanseakten, S. XXXV und XXXVI. Eine Weiterführung der Angelegenheit ist aus den Urkunden nicht ersichtlich; als 1322 die carta mercartoria wieder eingeführt wurde, war die Sache an sich dadurch erledigt.

Die Ausfuhr- und Einfuhrtabellen von 1303 bis 1311 sind erhalten und bieten ein genaues Bild über den damaligen Warenverkehr; Angaben über Wein fehlen leider gänzlich.

Wenn auch diese ganze Bewegung der Londoner Kaufmannschaft, die in der Aufhebung der carta mercatoria ihren Abschluss erhielt, sich in erster Linie gegen die Italiener, die während des 13. Jahrhunderts den Londoner Geldmarkt beherrschten, richtete und die hansischen Kaufleute bei diesen Maßregeln erst in zweiter Linie in Betracht kamen, so mussten letztere doch trotzdem wieder mit dem Kampf um Erlangung einzelner Privilegien beginnen. Es war der staatsrechtliche Zustand des 13. Jahrhunderts zurückgekehrt, nur mit dem Unterschied, dass die Hansen in ihrer Vereinigung jetzt eine geschlossene Macht zur Erringung ihrer alten Privilegien ins Feld führen konnten. — Schon 1317 erhielten sie ein neues, großes Privileg, in dem sie die Bestätigung ihres Anspruches auf ausgedehnten Rechtsschutz erhielten; in den folgenden Jahrzehnten, in denen fremde Nationen, wie die Spanier, an der Vermehrung ihrer Privilegien arbeiteten, verhielt sich der hansische Kaufmann gänzlich ruhig. In bezug auf den Weinhandel fehlt es an Belegen bis zum Jahre 1342. In dieser ganzen Zeit gestaltete sich die Lage der Ausländer immer vorteilhafter; außerdem machte sich in der Londoner Bevölkerung selbst eine Strömung für die fremden Kaufleute bemerkbar. Durch die Bedrückung der englischen Handeltreibenden war ein allgemeiner Rückgang im ausländischen Handel eingetreten und damit verbunden eine große Preissteigerung der Waren. Jetzt traten auch die hansischen Weinkaufleute hervor und verlangten die Freigabe des Weinverkaufes im kleinen und im großen in der Stadt was ihnen in der carta von 1303 ausdrücklich verboten war.

Ihrem Verlangen wurde auch von selten des Königs nachgegeben, der ihnen eine günstige Antwort zuteil werden ließ. Diese Freigabe des direkten Handels mit der Londoner Bevölkerung bedeutete für den deutschen Kaufmann einen großen Fortschritt, denn sie befreite ihn von dem lästigen Zwischenhandel, und andrerseits konnte er sich im persönlichen Verkehr mit seinen Konsumenten über deren Bedürfnisse und Geschmack aus eigener Anschauung unterrichten. Der englische Bürger hingegen erhoffte von dieser Maßregel einen Rückgang in der Preissteigerung, den er eben mit Recht auf den Zwischenhandel zurückführte.

In die Regierungszeit Eduards III. (1327—1377) fällt zuerst eine Ordnung des Stapelverkehrs und des Kleinverkaufes in der Stadt. Auch der Wein hat darin Platz gefunden. Danach dürfen fremde und einheimische Kaufleute Wein in alle Häfen und in alle Städte des Binnenlandes auf den Stapel bringen, sie sollen frei von jedem Zoll oder ungerechten Forderung sein und ihre Waren im Groß- oder Kleinhandel vertreiben können. Diese Verordnung ist somit eine Gesamtbestätigung der bisherigen Privilegien; eine Neuerung hingegen bildet das Verbot, den Schiffern, die den Wein herbeibrachten, entgegenzufahren und schon vorher mit dem Eigentümer der Weinladung Kaufabschlüsse zu vereinbaren.

Erst nach Landung der Waren am Stapel wird der Handel freigegeben. In Berücksichtigung der Ordnung von 1342, die zur Beseitigung des Zwischenhandels erlassen war, ist diese Maßregel nur gerechtfertigt. Es scheinen sich in der kurzen Zeit von einem Jahrzehnt einzelne Unternehmungen oder auch Gesellschaften gebildet zu haben, die den Weinverkauf en gros betrieben und auf diese Weise die Preisbildung für Wein im Detailverkauf in die Hand bekommen wollten. Diese Bestrebungen wurden durch die Verordnung, wenn auch nicht aufgehoben, so doch wirksam unterbunden. Welche Bedeutung der Weinverkauf in London jetzt gewonnen hatte, geht, abgesehen von der Verlängerung des Schutzes des Weinimportes für die deutschen Kaufleute seitens des Königs , aus dem Erlass über die Taxe im Weinverkauf hervor. Dieselbe wurde 1354 aufgestellt, um zu große Preisforderungen unmöglich zu machen; sie setzte den Preis für ein Fass Wein in London, den Vorstädten und in den nördlichen und östlichen Provinzen und Häfen bis Southampton auf 6 Denare fest; von Southampton nach Westen, d. h. in den Grafschaften Southampton, Somerset, Gloucester, Cornwall, Devon und Wales auf 5 Denare. Ein Erlass von 1454 bestimmte ergänzend, dass bei Übertretungen der obigen Vorschriften seitens der Weinhändler und Weinschenken dem Rate der einzelnen Städte das Recht zustehen sollte, in die Schenken einzudringen und den Weinschank zu sistieren oder den Wirt zu veranlassen, den Wein zu dem angeordneten Preise zu überlassen. Alle Streitigkeiten, die im Detailverkauf zwischen Käufer und Verkäufer vorkamen, wurden vor die Schranken einer Jury von zwei Lombarden, zwei Deutschen und zwei Engländern gewiesen.

Das charakteristische Moment für die Entwickelung der hansisch-englischen Beziehungen ist der Kampf der Hanse für ihre Privilegien und das Bemühen der Engländer, sich dieser Privilegien zu entledigen, die sich für ihren mehr und mehr ausbreitenden Eigenhandel teils in der Konkurrenz teils in anderweitigen Behinderungen drückend fühlbar machten. Die Engländer suchten dies teils ungesetzlich, teils gesetzlich in der Form von Parlamentsbeschlüssen durchzusetzen und die einzelnen Vollmachten des hansischen Kaufmanns bis ins kleinste zu fixieren. Diesem Bestreben verdankt auch die ausführliche Vorschrift über die Eichung der in England eingeführten Weinfässer vom Jahre 1358 ihre Entstehung. Da der Erlass urkundlich der erste Beleg ist, den Weinhandel und Verkauf an vorgeschriebene Maße zu binden, sei sein Inhalt skizziert.

Alle eingeführten Weine müssen zuerst von den königlichen Eichungsbeamten geeicht werden; weigert sich ein Eigentümer, seine Fässer eichen zu lassen, soll er mit Gefängnis bestraft werden. Wenn der Eichungsbeamte als unzuverlässig befunden wird oder sich zum Schaden der Käufer Bestechungen zugänglich zeigt, soll er dem geschädigten Käufer den Schaden dreifach ersetzen, seine Stellung verlieren und mit Gefängnis bestraft werden. Wenn in einem Fasse weniger enthalten ist, als nach der Fassakzise anzunehmen ist, so muss beim Kauf der Wert des fehlenden Quantums vom Ganzen abgezogen werden. Wenn Kaufleute ihren Wein ungeeicht in den Tavernen der Stadt zu verkaufen suchen oder den Eichungsbeamten am Eichen hindern, sollen ihre Namen öffentlich bekannt gemacht und sie selbst zur Rechenschaft herangezogen werden. Ferner war es ein beliebtes Verfahren der Kaufleute, die Fässer vor dem Eichgeschäft zu öffnen, kleine Quantitäten Wein herauszunehmen und dann die Fässer wieder zu verschließen. Auf diese Weise umgingen sie die Eichungskosten und erzielten durch den Verkauf des entwendeten Weines trotzdem die gleichen Preise; auch gegen dieses Verfahren wendet sich der Erlass.

Wenn man den mehr und mehr zunehmenden englischen Handel in Betracht zieht, so sind die Bestimmungen für den Handelsverkehr der Kaufleute nicht als übermäßig drückend anzusehen, da sie doch lediglich zum Schutze des kaufenden Publikums gegen Ausbeute erlassen wurden. Gegen die Eichungsbeamten werden noch alle Arten mittelalterlicher Strenge bei Übertretungen angewandt: wird ein Beamter bei einer Unredlichkeit in der Ausübung seines Geschäftes einem Käufer gegenüber betroffen, so hat er diesem nicht nur einen dreifachen Schadenersatz zu leisten, sondern wird auch noch mit Gefängnis bestraft. Im großen und ganzen bleiben unter der Regierung Eduards III. die alten Zollprivilegien, von einzelnen kleinen Konzessionen abgesehen, bestehen; die Urkunden, die diese Konzessionen zum Inhalt haben, kommen für den Weinhandel nicht in Betracht, da sie sich auf die Regelung des englischen Woll- und Tuchhandels beziehen. Erst unter Eduards Nachfolger, Richard II., hören wir von neuerlichen Erlassen über den hansisch-englischen Weinhandel.

In seinem letzten Regierungsjahre hatte Eduard III. das von ihm selbst ausgestellte Privileg wieder zurückgenommen, in dem er den hansischen Kaufleuten in London den Kleinverkauf mit Wein erlaubt hatte. Richard II. bestätigte die Freiheiten der deutschen Kaufleute durch Erneuerung der beiden Privilegien von 1303 und 1317; da aber dasjenige von 1303 den Handel auch en detail nach Hinterlegung der Zollgebühr gestattet, so ist die Verordnung Eduards III. hierdurch wieder aufgehoben. Diese beiden Privilegien bildeten fortan die Grundpfeiler des hansischen Rechts in England; in der Folgezeit handelt es sich bisweilen noch um einzelne kleinere Abänderungen, aber im ganzen ist der Kampf der Hansen um ihre Privilegien jetzt zur Ruhe gekommen, bis mit dem hereinbrechenden Verfall der Hanse der Welthandel andere Richtungen nahm und sich auf einer neuen Basis gründete. Größere Streitigkeiten entstanden nur einmal durch Aussperrungen, die aber 1388 glücklich beigelegt wurden. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts ist der Zeitpunkt erreicht, wo sich die Engländer dem Beispiel der hansischen Kaufleute folgend, ihrerseits organisieren und namentlich mit dem deutschen Orden und Flandern in selbständigen Handelsverkehr treten.

Wie vollzog sich nun der hansische Weinhandel mit England?

Es kommen hier zwei Richtungen in Betracht: einmal vermittelte der deutsche Kaufmann den Weinverkehr aus Südfrankreich, wo la Rochelle als Hauptstapelplatz anzusehen ist, und dann trieb er auf eigene Rechnung Export der Rheinweine den Rhein hinunter durch Flandern und Holland nach England. Der Handelsweg von Südfrankreich nach England muss uralt gewesen sein; dass auf ihm auch Wein transportiert worden ist, hören wir erst verhältnismäßig spät. Hierbei ist aber immer zu bedenken, dass diese Tatsache bei dem spärlichen und lückenhaften urkundlichen Material nicht viel zu sagen hat. 1363 wird den Weinkaufleuten aus der Gascogne durch einen Erlass Eduards III. das Recht zugestanden, Heringe und Wolltücher zu exportieren. Da hier von den Weinkaufleuten aus der Gascogne in Verbindung mit einigen ihrem Gewerbe fernstehenden Handelsprodukten nach Art eines Sammelbegriffes die Rede ist, so ist die Annahme berechtigt, dem hansischen Weinexport aus Südfrankreich nach England ein hohes Alter zuzuschreiben. Als direkte Importeure von Wein aus der Gascogne nach England führt hansische Kaufleute eine Urkunde von 1316 an: Dem Kölner Bürger Bref von Hörn wird durch ein Schreiben des Grafen Wilhelm von Hennegau an König Eduard von England bezeugt, dass 108 Fass Gascogner Wein, mit denen er in England gelandet ist, nur zur Einfuhr nach Holland bestimmt seien.

Eine Ladung von 108 Fass war für damalige Verhältnisse sehr groß, so dass man wohl nicht fehl geht, aus der obigen Angabe die Existenz selbständiger Weintransporte anzunehmen; es sind dies dieselben Weintransporte, wie wir sie später in Köln wiederfinden, wohin sie von den sogenannten Niederländern von Holland her den Rhein hinauf geführt wurden.

Dieser ganz bestimmte südfranzösisch-englische Weinhandelsweg sei noch durch zwei urkundliche Angaben belegt. Im Jahre 1387 nimmt Richard II. hansische Kaufleute aus Stralsund mit ihrer Ladung von 300 Fass Wein, die sie von la Rochelle nach England verfrachtet hatten, in seinen Schutz; ebenso einen Kaufmann aus Genua, der gleichfalls in Stralsunder Schiffen aus la Rochelle Wein nach England exportiert hatte. An dieser Stelle sei eine Klage Stralsunds vom Jahre 1405 erwähnt, in der es sich über die Wegnahme eines Weinschiffes mit 11 Fass Wein aus la Rochelle durch Bürger von Plymouth beschwert. Um endlich noch einen Beleg für la Rochelle als Weinmarkt anzuführen, sei eine Urkunde von 1388 beigebracht, in der hansische Kaufleute 51 Fässer Wein von la Rochelle nach Irland verfrachtet haben. Neben la Rochelle kommen in zweiter Linie noch Bordeaux und Bayonne als Weinausfuhrorte in Betracht; wir hören wenigstens aus einer Urkunde vom Jahre 1391, dass hansische Kaufleute die Erlaubnis erhalten haben, Wein zollfrei aus den beiden genannten Hafenplätzen auszuführen und zwar als Rückfracht gegen Getreide, das sie wegen der herrschenden Teuerung in England aus Preußen importiert hatten, aber nicht hatten verkaufen dürfen.

Als vierte Provenienz von französischem Wein kommt endlich noch die Gegend von Poitou in Betracht, und zwar auch in Verbindung mit preußischen und lübischen Schiffern; einmal wird einem preußischen Kaufmann von einem gewissen Wilhelmus von Cornwallis ein Schiff mit 92 Fass Wein aus Poitou weggenommen im Werte von 816 Nobeln; das andere Mal wurde ein lübischer Kaufmann von Engländern seiner Ladung beraubt; unter dieser befanden sich 22 Fässer Poitouwein. Zwischen den vier genannten Häfen bewegte sich der französisch-englische Zwischenhandel der Hansen; inwieweit der Weinhandel der preußischen Städte hierbei in Betracht kommt, gehört in das Kapitel des hansisch -preußischen Handels. Neben den preußischen Städten und Stralsund nahm auch Lübeck und Hamburg an dem französischenglischen Zwischenhandel teil.

Der Verkehr Kölns mit England unter Benutzung des Rheins fällt beinahe mit dem von Flandern zusammen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Weinhandel im Gebiete der Hanse im Mittelalter