Die Weinakzisen

Neben dem Rheinweinmonopol genoss der Rat als zweitwichtige Gerechtsame die Erträge aus der in den Hansestädten viel verbreiteten Weinakzise.

Die Weinakzise war eine Abgabe der Konsumenten an den Rat; man kann sie am ehesten mit einer Verbrauchssteuer identifizieren. In Wismar hieß diese Akzise auch Weinkaufspfennig; die städtischen Pächter der Weinverkaufsbuden hatten von jedem verkauften Stück Wein den Weinkaufspfennig zu entrichten, der zum Amtseinkommen der Ratsherrn gehörte.


Über die Besteuerung des Weines liegen genauere Nachrichten aus Bremen vor. Man unterschied bei den einzelnen Abgaben das Bodengeld, die Weinakzise, die Weinkonsumtionsabgabe und die Weinkranzgerechtigkeit. Von diesen Abgaben fallen in die Zeit unserer Betrachtung nur das Bodengeld und die Weinakzise; die drei anderen kommen erst seit der Mitte des 15. Jahrhunderts vor. Nach Kohl soll das Bodengeld von einem Gefäß mit „2 Böden“ erhoben werden, also von einem Fass im Gegensatz zu Flaschen und Krügen. Besser erscheint die Deutung „Bodengeld“ als abgeleitet von „Bothe“; denn Bothenzoll kommt schon früh in Bremen vor. Der Gegensatz von Fass zu Krügen und Flaschen ist deshalb unglücklich gewählt, weil man sich dieser Gefäße zu jener Zeit so gut wie niemals bediente. Deshalb blieben auch Flaschen und Krüge von dem Bothengeld befreit, da sie nur in geringer Anzahl vorkamen und wohl nur zur Verproviantierung des Schiffes dienten.

Das Bothengeld ist noch als eine sehr rohe Besteuerung anzusehen. Man kann es auch als eine Art Stapelrecht auffassen; durch Zahlung der Abgabe sollte das Auslegen des Weines auf dem Stapel sozusagen abgelöst werden; die beste Deutung ist vielleicht, in dem Bothengeld eine Verbrauchssteuer im mittelalterlichen Sinne zu sehen. Es war eine Torakzise, auf den Hafen übertragen. Wie von allen Lebensmitteln an den Stadttoren eine feste Abgabe zu entrichten war, so war auch der Wein für jedes Fass mit einer Steuer von vier Groschen belegt.

In steuertechnischer Hinsicht. ausgebildeter war die Weinakzise. Sie wurde von Weinen erhoben, die zu Lande oder zu Wasser an die Stadt kamen; dabei waren alle Arten von Gefäßen in die Besteuerung eingeschlossen. Anfangs wurde nur Rheinwein von der Akzise betroffen; die Weinkaufleute vom Rhein hatten nach einer Verfügung aus dem Jahre 1420 von jedem Ohm Wein 8 Grote Akzise zu zahlen, Dieser Satz bezog sich auf Rheinwein, der in der Stadt verzapft werden sollte; dagegen hatte Wein, der für den Keller bestimmt war, nur 4 Grote Akzise zu zahlen. Später scheint jede Art von Wein zu der Weinakzise herangezogen zu sein; denn in einem Statut von 1450 heißt es ausdrücklich, dass „niemand von den Bürgern den Weinherrn mit seiner Akzise entgehen soll“. 1489 findet sich auch eine genaue Festsetzung der Abgabe für den Zapf ausländischer Weine seitens der Bürger: von jeder Bote Malvasier oder Romaniewein hatte der Zapfer vor dem Auflegen 3 Mark zu entrichten. In der Folgezeit wurde die Weinakzise mehrfach erhöht, bis sie 1617 sogar die Höhe von 6 Gulden für jedes Ohm erreicht hatte. Die Weinakzise wurde im 15. Jahrhundert nicht vom Keller, sondern von den sogenannten Mauerherrn eingefordert, d. h. von dem Teil des Rates, der die Verwaltung des städtischen Verteidigungswesens unter sich hatte. Erst im 16. Jahrhundert flossen die Einkünfte aus der Weinakzise in die Kasse des Ratsweinkellers.

Die Konsumtionsabgabe war eine Verbrauchssteuer im modernen Sinne und ward bei finanziellen Notlagen als Zuschlag zum Bothengeld erhoben.

In der Bremer Weinkranzgerechtigkeit endlich kehrt die Kölner Sitte wieder, dass jeder, der Wein für sich zapfen wollte, einen Maien oder Weinkranz über seiner Tür aufhängen musste; vorher hatte er die Erlaubnis der Weinherrn einzuholen und die Abgabe für den Kranz zu zahlen. Mitte des 15. Jahrhunderts betrug der Kaufpreis für einen Kranz 14 Taler. Je mehr Weinsorten ein Zapfer ausschenken wollte, desto mehr Kränze hatte er zu bezahlen. Endlich gingen auch alle Strafgelder, die für Übertretungen der verschiedenen Weinordnungen erhoben wurden, an den Ratsweinkeller. Strafbar war vor allem der Zapf von Rheinwein, wenn er nicht ausdrücklich erlaubt war. Der Private, der gegen diese Vorschrift verstieß, hatte 5 Mark zu zahlen, außerdem wurde ihm sein Wein konfisziert; ebenfalls strafbar war die Zubereitung von Gewürzweinen und der Verkauf von Branntwein. Auf beide Vergehen war eine Strafe von 10 Mark gesetzt.

Aus Lübeck sind über das Steuerwesen bei weitem nicht so präzise Nachrichten zu erhalten; gleichwohl ist anzunehmen, dass diese Spezialisierung der Abgaben auch für Lübeck zutraf. Sicher ist, dass auch in Lübeck der Ratsweinkeller von jedem eingeführten Wein eine Weinakzise erhob. Selbstverständlich war der Gebrauch falscher Maße im Weinhandel strengen Strafen ausgesetzt; der Übertreter hatte 6 Solidi zu zahlen.

Ein weiteres Vorrecht oder eine Verpflichtung des Ratsweinkellers bestand in der Darreichung von Ehrenweinen, sowie in Gratifikationen an den Magistrat und Auserwählte der Bürgerschaft. Die Institution der Ehrenweine findet sich auch im Norden überall verbreitet, erwähnt sei nur Lübeck, Hamburg, Bremen und Lüneburg. Von ihnen zu unterscheiden sind die Herren- und Offizialweine, die als Beitrag zum Gehalt der Ratsherren gegeben wurden, während die Ehrenweine fremden Herren und Gästen „zum Splendeur der Stadt“ dargebracht wurden. Ihren Ursprung haben die Offizialweine in der Anwendung von Naturallohn zur Zahlung von Arbeitsleistungen; diese Gewohnheit ging bis in die höchsten Beamtenstellen hinauf. So ließ der Graf Wilhelm von Holland Wein in der Form einer täglichen Abgabe jedem seiner Räte zum Nachttrunk zukommen, nicht als Gratifikation, sondern als Teil ihres Gehaltes.

Die Ehrenämter, die der Rat der Hansestädte seinen Mitgliedern zu verleihen pflegte, waren meistenteils für diese mit großen Unkosten verknüpft, so dass sie gezwungen waren, bisweilen aus Privatmitteln zuzusetzen. Um dieses Defizit auszugleichen, erscheinen schon frühzeitig die Abgaben der Gewerbetreibenden an den Rat, Die Fischer hatten in Bremen Lachse und Neunaugen zu geben, die Schlachter Lämmer, die Bäcker zu Weihnachten und Ostern Brot. In Lübeck erhielten die Ratsmitglieder auf Rechnung des Rats Weinkellers Gänse, Fische, Zucker und andere Viktualien. Zu den Speisen kamen bald die Getränke. In Bremen erhielt schon im Jahre 1398 jeder Ratsherr 12 Stübchen Wein zu Weihnachten. Der Bürgermeister und die Ratsherren standen sich natürlich am besten. In Lübeck fand am 22. Februar, dem Tage, an dem die Ratsämter neu verteilt wurden, eine Weinausgabe an die Ratsherren statt: Bürgermeister und Weinherren erhielten drei Stübchen, alle anderen Mitglieder je ein Stübchen. Ferner erhielt der Rat in Lübeck an zehn, in Bremen an zwölf bestimmten Tagen, meistens an den großen Feiertagen, bestimmte Weingeschenke, und zwar sollte der Bürgermeister immer das Doppelte von dem bekommen, was ein Ratsherr erhielt. In Lübeck hatte jeder Ratsherr, der in öffentlichen Angelegenheiten verreisen musste, Anspruch auf ein Stübchen Wein für die erste Nacht in der Fremde: diese reichlich bemessene Spende hieß der Nachtwein. Dem Lübecker Nachtwein ähnlich ist der Bremer Sendewein, den man den Gesandten des Rates auf die Reise mitzugeben pflegte.

Eine sehr alte Einrichtung waren die Rechnungsmahlzeiten an den Tagen, an welchen die Ratsmitglieder die Rechnungen der einzelnen Ressorts ihrer Verwaltung durchgesehen hatten; zu diesen Mahlzeiten lieferte der Ratskeller unentgeltlich Wein. Das ausgegebene Quantum wurde aber für jeden genau bestimmt; immerhin erhielt jeder Teilnehmer ein bis zwei Stübchen Wein zugewiesen. Die Weinverteilung beschränkte sich aber nicht allein auf den Rat, sondern erstreckte sich auf alle Teile der Verwaltung, auf die Syndici und Gerichtsassessoren, die Mauer- und Schulherrn; sogar der Scharfrichter samt seinem Deliquenten genoss diese Vergünstigung. In Hamburg durfte der Scharfrichter trotz seiner Unehrlichkeit im Ratskeller verkehren und mit anderen Bürgern in der sogenannten Henkerstube seinen Wein trinken*). In Bremen erhielten auch die Prediger Wein dafür, dass sie „für die richtige Überkunft der neuen Weine“ vom Rhein nach Bremen auf den Kanzeln beteten.

*) Beneke, Hamburgische Geschichten und Denkwürdigkeiten, S. 315.

Da man im Mittelalter Auszeichnungen nicht zu vergeben hatte, glaubte man durch die Darbietung von edlem Wein am besten zu verfahren. Solche Ehrenweingaben an gekrönte Häupter und Fürstlichkeiten kommen in Lübeck schon um 1300 vor; während in Bremen die Sitte des Ehrenweines erst später entstanden zu sein scheint. In Lübeck wurden die Gäste auf Grund einer Ordnung von 1504 nach Rang und Würden bewirtet, und zwar sollte erhalten: ein König 4 Ohm und Tags darauf 16 Stübchen, eine Königin 3 1/2 Ohm und Tags darauf 8 Stübchen; ein Kurfürst 12, ein Herzog 8 und so fort bis zum fremden Ratsschreiber herunter. Ebenso erhielten die zu einem Hansetage versammelten Abgeordneten der Hansestädte Sonntags eine bestimmte Menge Wein, abgesehen von den Gastmählern, die der Rat ihnen zu Ehren veranstaltete.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Weinhandel im Gebiete der Hanse im Mittelalter