Die Ratsweinkeller: Entstehung, Verwaltung, Gerechtsame der Keller

Wir haben bei der Betrachtung des hansischen Aktiv- und Zwischenhandels mit England, Frankreich und den nordischen Reichen die hervorragende Stellung des hansischen Kaufmannes kennen gelernt. Wurzel und Ursprung dieser Stellung lag außer in Köln im Südwesten in den drei Hansezentren des Nordens, Lübeck, Bremen und Hamburg. Hier saß der „königliche Kaufmann“, der die ganze der damaligen Zeit bekannte Welt in seinen Wirkungskreis gezogen hatte. Während in Köln Eigenproduktion und Handel nebeneinander hergingen, beruhte der Gesamthandel von Lübeck, Bremen und Hamburg auf dem Import- und Zwischenhandel. Hieraus ergeben sich für die Betrachtung des interlokalen Handels manche neue Momente: der private Weinzapf, der in Köln durch den eigenen Anbau hervorgerufen war, fällt hier ganz fort, an seiner Stelle erscheinen staatliche Institute zur Regelung und Förderung des Handels: die Ratsweinkeller und die Ausbildung des Weinmonopols durch die Stadt.

Die Entstehung der Ratsweinkeller leitet sich von den Kellern der alten Klöster und Abteien her; aber zwischen den Klosterkellern, deren Inhalt in der ersten Zeit wenigstens ausschließlich für das persönliche Bedürfnis der Mönche bestimmt war, und den fest organisierten Ratsweinkellern der Hansestädte liegt ein langer Zeitraum der Entwicklung, ungefähr zwei Jahrhunderte. Schon bei der Anlage der alten Klöster und Dome waren die Gründer auf die Versorgung mit Wein bedacht; sie schufen, wenn auch nicht gleich Keller, so doch Gelasse zur Aufbewahrung des nötigen Weines, die sogenannten Weinkammern. Solche Weinkammern gab es in Hildesheim schon um das Jahr 872. Aus den Besitzern dieser Weinlager wurden mit der Zeit wahrscheinlich auch die ersten Weinhändler; ein genauer Gang der Entwicklung lässt sich freilich nicht nachweisen. Mit der Ausbreitung der städtischen Gewalt über die Geistlichkeit mag sich der Rat bald eine Kontrolle über diesen Weinhandel der Geistlichen angeeignet und ihn später, wie in Köln, selbst übernommen haben.


Die Ratsweinkeller von Lübeck, Bremen und Hamburg treten als vollendete Tatsachen auf. Am frühesten ist der Hamburger Keller erwähnt, und zwar der der Neustadt, der schon im Jahre 1287 genannt wird. In Hamburg gab es, solange Altstadt und Neustadt noch nicht miteinander vereinigt waren, für beide Stadtteile je eine getrennte Verwaltung; deshalb finden sich auch in den diesbezüglichen Urkunden von 1246 zwei Ratskeller angeführt. Die Gründung des altstädtischen Kellers lässt sich ebenfalls nur annehmen, sie wird in die Jahre von 1273 bis 1326 verlegt. Der Lübecker Keller wird zuerst in einer Urkunde von 1289 namhaft gemacht. Diese Urkunde enthält ein Verzeichnis über Weine, die Lübecker Bürger im Keller lagern hatten mit gleichzeitiger Angabe der gezahlten Miete. Der Bremer Keller endlich wird erst im Jahre 1342 namentlich genannt. Dieses Datum hat aber geschichtlich keinen Wert, da der Keller nach Andeutungen in Urkunden schon viel früher bestanden hat.

Für die Entstehung der Ratskeller sind folgende Faktoren maßgebend gewesen: Die genaue Ordnung einer mittelalterlichen Stadt verlangte neben den Instituten des Handels und des Verkehrs auch einen guten Weinkeller, denn der Rat bedurfte zu eigener Verwendung Wein, um seine Gäste: erlauchte Herren oder Abgeordnete fremder oder befreundeter Städte, zu ehren. Man nannte diese dargebrachten Weine die Ehrenweine. Namentlich die Bewirtung der fremden Gesandten mag für die Gründung mit entscheidend gewesen sein, denn in den größeren Städten pflegten die Abgeordneten der Hansestädte zu gemeinsamen Tagfahrten zusammenzukommen, die sich in ihren Beratungen oft über Monate hinaus ausdehnten. Diese waren dann ganz auf die Gastfreundschaft des Versammlungsortes angewiesen. Oft war auch die zeitgemäße Sendung ausgesucht schönen Weines sehr dienlich, um eine wankend gewordene Freundschaft zu befestigen oder eine alte noch fester zu gestalten. Außerdem hatte der Weinkeller noch einen anderen, von diesem ganz verschiedenen Zweck zu erfüllen. Die Stadt des Mittelalters erfreute sich, wie das Beispiel von Köln, Straßburg, Nürnberg und Ulm lehrt, einer ausgedehnten Gewerbepolizei; als dieser stand ihr das Recht zu, über die in der Stadt verkauften Lebensmittel eine genaue Kontrolle zu führen, auf gute Qualität zu achten und die Preise festzusetzen. So entstanden die Fleisch- und Brottaxen, wie sie aus Lübeck vom Jahre 1255, aus Nürnberg in Gestalt einer Biertaxe nachgewiesen sind. Die Polizei Verwaltung hatte auf jede absichtliche oder zufällige Verschlechterung der Lebensmittel beim Verkauf im Interesse der Bürger, und unter diesen namentlich der ärmeren Schichten, zu achten. Gerade der Wein war am meisten Verschlechterungen ausgesetzt, und daher fasste man schon frühzeitig den Entschluss, seinen Verkauf unter die Kontrolle des Rates zu stellen, indem man ihn in einem städtischen Institut zentralisierte. Hieraus entwickelte sich dann der Ratsweinkeller. Die erste Form war auch nicht die des Kellers, denn in Hamburg ist in den älteren Urkunden nur von einem domus vini, einem kleineren Weinhause, die Rede; erst mit dem wachsenden Bedürfnis wurden unter diesem Hause dann Kellereinrichtungen angelegt.

Diese Momente haben im wesentlichen zu der großartigen Ausgestaltung der Ratsweinkeller in den nordischen Hansestädten beigetragen.

Nach ihrer Wichtigkeit und ihrem ausgedehnten Geschäftsbetrieb beanspruchten die Keller naturgemäß eine durchgreifende Organisation; über ihre Verwaltung sind im allgemeinen genaue Nachrichten vorhanden. Danach gestaltete sie sich folgendermaßen:

An der Spitze des Kellers standen die sogenannten Weinherren oder Weinmeister, zwei Deputierte des Rates, die die Oberaufsicht über den Keller zu führen hatten. In Lübeck, wo die Geschichte des Weinkellers sich am weitesten verfolgen lässt, werden solche Weinherren schon 1298 erwähnt. Aus Bremen kennt man die Einrichtung der Weinherren erst aus dem Jahre 1370. Anfangs war den Bürgern der Zapf zugestanden, nach 1370 durften dagegen nur noch die Weinherren zapfen lassen; seitdem durften die Weinhändler den Wein, den sie bei den Weinherren nicht abgesetzt hatten, in der Stadt zum Verkauf ausbieten. Ursprünglich war es Aufgabe der Weinherren, die Verhandlungen über Ankauf von Wein mit den fremden Kaufleuten zu führen; unter diesen sind namentlich Kölner Weinhändler zu verstehen oder, wie sie damals genannt wurden, „die Gäste vom Rhein“. Die Weinherren hatten auf dem Markte oder auf dem Rathause die Weine zu probieren und auszuwählen. Später stellten die Kölner Kaufleute ihre Fahrten ein, da die hansischen Weinkaufleute selber an den Rhein zogen, um ohne Mittelspersonen direkt an der Quelle ihre Bedürfnisse zu decken. In Bremen hat es scheinbar früher nur einen Weinherrn gegeben; 1400 werden zuerst zwei mit Namen aufgeführt. Seitdem gab es auch Stallherren für den Marstall der Stadt, Fischherren für den Fischfang auf der Weser und Mauerherren als Inspekteure des Befestigungswesens. Die Institution der Weinherren ist eine durchgängige Erscheinung in den Hansestädten des nördlichen Deutschlands, sie lassen sich beispielsweise nachweisen in Hamburg, Hildesheim und Wismar.

In Hamburg kommen Weinherren, von Anfang an zwei an der Zahl, zuerst 1356 vor; ihre Stellung war eine sehr angesehene, da sie dem Range nach gleich hinter den Kämmereiherren kamen. In Hildesheim hielt sich der städtische Weinhandel sehr lange in den Händen der Geistlichkeit, die ihn in ihrer Domschenke betrieb und von Domherren aus ihrer Mitte heraus verwalten ließ. Um 1300 legte der Rat selbst einen Weinkeller an . Der Domkeller erfreute sich aber noch mancher Privilegien; wichtig war die Abgabefreiheit von verkauftem Wein. Später, im Jahre 1303, verpflichtete sich das Domkapitel, keine Weintavernen mehr zu halten, dafür behielt es die Abgabefreiheit und bekam die Erlaubnis zum Fremdenverkehr in seinem Keller. In die Zeit von 1360 bis 1380 fällt die Bildung des sogenannten Weinamtes, das aus vier Domherren bestand. Diese Domherren hießen dann Weinherren; sie hatten vor allem Kauf und Verkauf unter sich, ferner die Rechnungsbücher des Weinschenken und die Schlüssel zu den Kellern. Im Vergleich zu Bremen und Lübeck waren ihre Befugnisse nicht so ausgedehnt; während in Bremen und Lübeck der Rat eigentlich nur dem Namen nach die vorgesetzte Behörde bildete, hatte das Domkapitel in Hildesheim manche Gerechtsame in Händen behalten; bei ihm stand die Wahl des einzukaufenden Weines, vor allem die Feststellung des Preises und die Anstellung der Weinschenken. Die Hildesheimer Weinherren stehen mehr auf der Stufe der Kellermeister des Lübecker oder Bremer Kellers. Von den Beamten des Kellers erlangte der Weinschenk mehr und mehr eine einflussreiche Stellung; ursprünglich einfacher Küfer und Zapfer, schwang er sich im Jahre 1381 bis zum Pächter auf mit größter Selbständigkeit; dem Domkapitel war noch die Preisbestimmung vorbehalten. Von einer Verpachtung des Kellers war um diese Zeit in Lübeck oder Bremen noch nicht die Rede. Auch für Wismar ist das Amt eines Weinherren aus dem Jahre 1338 urkundlich beglaubigt: ebenso werden im Jahre 1341 Weinherrn aus Wismar namentlich angeführt.

Die Verwaltung eines Ratsweinkellers gehörte zu den angesehensten Offizien, denn die Herren waren dem Rate direkt verantwortlich. In Hamburg hatten sie ihm alle Vierteljahr einen Rechenschaftsbericht vorzulegen. Zur Unterstützung der Weinherren stand eine ganze Schar von Unterbeamten zur Verfügung. An der Spitze des Kellers, unmittelbar unter den Weinherren, stand der Kellerhauptmann, in Bremen auch Schenk genannt. Hier scheint man nicht von Anfang an wie in Lübeck einen besoldeten Kellerhauptmann gehabt zu haben; vielmehr ist hier schon frühzeitig im Gegensatz zu Lübeck und Hamburg die Verpachtung angewandt worden, über die in einem alten Bremer Statut aus dem Jahre 1400 berichtet wird. In Lübeck trat der erste Pächter erst am 14. März 1666 sein Amt an. Für Hamburg kann eine Verpachtung nach 1565 angesetzt werden. Im Jahre 1604 wurde jedenfalls eine Verordnung des Rates öffentlich angeschlagen, nach der demjenigen der Keller mit allen Gerechtsamen überlassen werden sollte, der am meisten dafür bieten würde. Der Grund der Verpachtungen lag meistenteils in finanziellen Schwierigkeiten des Rates; wie wichtig ihm aber das freie Verfügungsrecht über seinen Keller war, zeigt die Tatsache, dass Verpachtung und Eigenverwaltung oft miteinander wechseln, so z. B. in Lübeck. Oft verpachteten die Pächter den Keller wieder weiter; das oben genannte Statut von 1400 berichtet, dass der Pächter Hermann Hemelingk den Keller gleich an zwei andere Bremer Bürger, Herberde Dukelen und Johann von Lese, weiterverpachtete. Ein vom Rat fest angestellter Beamter findet sich in Bremen erst im Jahre 1595, der vom Rat den Titel Weinmann erhielt.

Der Kellerhauptmann war die rechte Hand der Weinherren ; später rückte er selber langsam in ihre Stellung ein, die Weinherren bildeten dann nur noch eine oberste Aufsichtsbehörde. Sie hatten sich in bestimmten Zwischenräumen durch Revisionen von der Richtigkeit der Verwaltung zu überzeugen. Unter der Aufsicht des Kellerhauptmanns standen alle Weine, sowohl diejenigen, die dem Rate gehörten, als auch diejenigen, die von Privaten eingelagert waren. Vor dem Antritt seines Amtes wurde er vom Rate beeidigt; in dem Eide sind seine Pflichten genau begrenzt. Er war den Weinherren zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet; ferner war ihm eigener Weinhandel verboten. Den Grund hierzu bildete die Erwägung, dass ein Weinhändler, der gleichzeitig das Amt des Kellerhauptmanns inne hatte, leicht zu Unterschleifen verführt werden konnte. Wenn dieser ferner neben seinem Amt auch sein Weingeschäft weiterführen durfte, so konnte er für seine Genossen eine drückende Konkurrenz werden, da ihm durch seine geschäftliche Stellung und durch seine Verbindungen mit den rheinischen Weinkaufleuten eine ungleich bessere Übersicht über den Handel im allgemeinen und Verwertung seiner Beobachtungen gegeben war. Dieser Vorteil wäre namentlich dann für ihn in Betracht gekommen, wenn er im Auftrage des Rates jährlich an den Rhein reiste, um dort mit den Kölner Kaufleuten Weinlieferungen abzuschließen. Auch die Annahme von Geschenken war ihm verboten. Sein Lohn stellte sich jährlich auf 50 Mk., außerdem jeden Freitag 6 Schillinge; dazu kam der Nießbrauch aus dem Erlös der leeren Fässer, die er auf eigene Rechnung verkaufen durfte. Dafür hatte er aber Licht und Kohlen für den Keller zu liefern; immerhin wird bei dem großen Verbrauch an Fässern noch eine ansehnliche Einnahme für ihn abgefallen sein, zumal da er von jedem Fass 2 Pfennige Lagermiete und beim Verkauf 8 Pfennige Zapfgeld erhielt. Ferner hatte er für Wohnung und Beköstigung seiner Gesellen zu sorgen; Brot und Bier erhielt er dazu von der Stadt geliefert, außerdem für jeden Knecht wöchentlich eine Mark Kostgeld.

Dem Kellerhauptmann standen zur Bewältigung des Zapfgeschäftes und der Rechnungsführung Unterbeamte und Diener zur Verfügung. In Lübeck waren es vier: ein Binder, ein Schreiber und zwei Zapfer. Der Einheitlichkeit halber mag sich die Darstellung vorläufig auf den Lübecker Keller beschränken; über den Hamburger Keller sind nur äußerst spärliche Nachrichten vorhanden, und was überliefert ist, fällt zum größten Teil in nachhansische Zeit. Dem Binder war die Aufsicht über die Fässer zugewiesen; er hatte darauf zu achten, dass sie in gutem Zustand blieben, und die Bearbeitung des Weines zu besorgen. Seine Tätigkeit war ebenfalls in einem Eide zusammengefasst: Er verpflichtete sich zu guter Pflege des Weines und zu einem gerechten Zapf für Arme und Reiche. Die eingegangenen Gelder hatte er zu verwalten. Eigener Weinhandel und Zapfen unter der Hand war auch ihm untersagt. Der Binder erhielt jährlich 20 Mk., seit 1564 das Doppelte. Als besondere Einnahme war ihm die Fabrikation von Lecheln, hölzernen Gefäßen mit einem Inhalt von 10—12 Stübchen, gestattet, die ihm der Kellerhauptmann jährlich abzugeben hatte. Diese Lecheln durfte er für 3 Schillinge das Stück verkaufen. Der Schreiber hatte zusammen mit dem Kellerhauptmann die schriftlichen Arbeiten zu besorgen und die Rechnungsbücher zu führen; als Lohn erhielt er 6 Mk. jährlich. Die Zapfer endlich besorgten den Weinzapf; von ihnen verzapfte der eine ausschließlich Rheinwein, während der andere, der auch der Malvasierzapfer hieß, den Zapf der spanischen und der französischen Weine unter sich hatte. Ihr Lohn betrug 5 Mk. jährlich, daneben waren sie auf gelegentliche Trinkgelder der Gäste angewiesen, ferner gehörten ihnen die abgebrannten Lichtstümpfe und das von den Kronen heruntergeträufelte Wachs, sowie der von den Gästen stehengelassene Wein; letzterer natürlich nur zur eigenen Konsumtion. Als Gratifikation erhielten sie Freitags 1 Schilling, Weihnachten 3 Schillinge.

Neben diesen 4 Gesellen waren noch zwei sogenannte Kohlengreven angestellt, denen die Heizung und Reinigung des Kellers oblag; außerdem zu anderen Dienstleistungen noch vier Diener, die auch Sklaven oder Schlaven genannt wurden. Bei Eröffnung des Kellers, im Winter um 8 Uhr, im Sommer um 7 Uhr, hatten sämtliche Angestellte zur Stelle und den ganzen Tag bis zum Schluss, der gewöhnlich zwischen 8 und halb 9 Uhr stattfand, im Keller anwesend zu sein. Der Schreiber war nachmittags von 2 — 4 Uhr frei; der eine Zapfer hatte von 1 — 3, der andere von 3—5 Uhr eine Mittagspause.

Diese Organisation des Lübecker Kellers trifft mit geringen Ausnahmen auch für den Bremer Keller zu und kann auch für den Hamburger Keller vorausgesetzt werden, von dem über diesen Zweig der Verwaltung keinerlei Nachricht vorhanden ist.

Zum Unterschied von Lübeck waren in Bremen die Pflichten des Kellerhauptmanns zahlreicher. In Bremen genoss er eine außerordentliche Vertrauensstellung: Er hatte die sämtlichen eingehenden Gelder anzunehmen; überhaupt war ihm beim Abschluss aller großen Geschäfte völlig freie Hand gelassen. Er hatte die ganze Aufsicht über den Keller und sich von der Ausführung seiner Anordnungen persönlich zu überzeugen; ferner die Auffüllung der Weine zu überwachen und auf alle vorkommenden Unregelmäßigkeiten ein wachsames Auge zu haben. Auch die Gefäße und Krüge standen unter seiner Aufsicht, für deren Richtigkeit und Reinheit er verantwortlich war. Waren Herren des Rates im Keller anwesend, so hatte er sie persönlich zu bedienen. Allgemein lag die Verwaltung des Kellers in Bremen vielmehr beim Kellerhauptmann als in Lübeck; so fällt in Lübeck die Aufsicht über die Krüge, Maße und Gewichte ausschließlich dem Binder zu, während sie in Bremen zum Verwaltungsbereich des Kellerhauptmanns gehörte. Der Kellerhauptmann wurde für damalige Zeiten außerordentlich gut bezahlt, so dass die Kellerhauptleute wie die Herren lebten und sich öfters vom Rate wegen ihres prunkvollen Auftretens Verweise gefallen lassen mussten. Unter den Angestellten des Bremer Kellers ist der Weinrufer bemerkenswert, ein Amt, das in Lübeck nicht bekannt war; vielleicht verdankte er seine Entstehung dem Verkehr mit den Kölner Kaufleuten. Er hatte die frisch in die Stadt importierten Weine öffentlich auszurufen. Im Gegensatz zu Köln war er in Bremen ein städtischer Beamter, nicht Privatgesinde der Zapfer oder Wirte. Schreiber werden aus Bremen nicht genannt, die Urkunden sprechen nur von „Knechten des Weinkellers“. Für alle diese speziellen Ämter hatte der Kellerhauptmann aufzukommen.

Die zweite Eigentümlichkeit im Weinhandel der nordischen Hansestädte ist die Monopolisierung des Weinverkaufes. Während in Köln der Zapf und Weinverkauf abhängig war von der Zugehörigkeit zur Weinbruderschaft und der Zahlung der vorgeschriebenen Akzise, blieb in Bremen und Lübeck der ganze Handel bis zum Übergang in die Hände des Konsumenten direkt unter der Kontrolle des Rates. In Köln wurde der Handel von der Stadt überwacht, in den Hansestädten Norddeutschlands dagegen selbst betrieben.

Natürlich bezog sich das Monopol nur auf den Detailhandel in der Stadt; im Verkehr mit dem Ausland, das gleich jenseits der Stadt begann, stand dem Bürger die Erlaubnis zum Weinhandel viel unbegrenzter offen wie in Köln. Das Rhein- und Moselweinmonopol kann für alle Keller der norddeutschen Hansestädte angenommen werden; für Lübeck, Bremen und Hamburg steht es urkundlich fest. Die Einrichtung des Monopols hängt ebenso wie die Entstehung der städtischen Ratskeller mit der Einrichtung der Marktpolizei zusammen; um den Wein möglichst vor Fälschungen zu bewahren und den Konsumenten ein reines Getränk garantieren zu können, stellte der Rat den Weinverkauf unter seine Aufsicht und nahm den Vertrieb in die Hand. Besonders wurden die Landweine und die feinen fremden Weine getrennt, da bei ihm die Gefahr der Vermischung vorlag. Meistenteils hatte der Rat ein Monopol auf fremde Weine, während er die Landweine an Private überließ. In den mittel- und süddeutschen Städten bildete sich ein Monopol auf alle fremden Weine aus, während im Norden das Monopol auf Rheinwein beschränkt blieb, da dieser, so lange der Weinhandel von den rheinischen Händlern abhängig war, die einzige gangbare Weinsorte bildete. Als später im Norden ungefähr um die Wende des 13. Jahrhunderts auch die ausländischen Weine Eingang fanden, blieben diese von dem Monopol befreit; einmal, weil die Konsumtion sich immer in bescheidenen Grenzen hielt, und zweitens auch deshalb, weil die Freimachung der einzelnen Handelszweige von den Vorschriften des Rates schon große Fortschritte zu machen begann.

Da die Keller in der Stadt das Zapfmonopol besaßen, so ergab sich hieraus die Gelegenheit, auch mit der Umgebung der Stadt Weinhandel anzuknüpfen. Gewöhnlich folgte der städtische Binnenhandel den Straßen, auf denen früher die Weinkaufleute vom Rhein gezogen waren. Nach den Angaben in den Urkunden nahmen die Wege, auf denen Wein zu Lande nach Lübeck und Bremen gebracht wurde, ungefähr folgende Richtung: Von den oberdeutschen Städten Nürnberg und Augsburg ging der Weg über Bamberg, Koburg, Erfurt, Braunschweig nach Lübeck und Bremen. Zwischen Bremen und Braunschweig wurde schon 1256 ein Vertrag geschlossen zur Sicherung der beiderseitigen Handelsreisenden; ein Schifffahrtsvertrag zwischen beiden Städten ist schon vom Jahre 1227 bekannt. Im Jahre 1376 wurde derselbe erneuert. Diese Schifffahrtsverträge sind darum wichtig, weil der Weinhandel über Erfurt bis Braunschweig zu Lande vor sich ging; in Braunschweig benutzte er Flussläufe und gelangte mit Benutzung der Oker und Aller in die Weser. In einem Vertrage waren Braunschweig und Bremen übereingekommen, die Oker auf gemeinsame Kosten schiffbar zu erhalten. Auf diesem Wege gelangten die Waren aus dem Orient und aus Oberitalien nach den nördlichen Hansestädten; vermutlich folgte der Wein derselben Richtung, doch lässt sich dies urkundlich nicht feststellen. Gegen Ende des Mittelalters kam als Knotenpunkt des westlichen Deutschlands Frankfurt a. M. auf. Von Frankfurt gingen direkte Weintransporte nach Lübeck und Bremen. Hierfür liegen auch urkundliche Nachrichten vor: im Jahre 1459 beklagt sich der Rat von Frankfurt bei dem Herzog Friedrich von Braunschweig-Lüneburg, dass ein Frankfurter Weintransport, nach Lübeck bestimmt, bei Nörten überfallen sei; dabei gingen „ein Fass und zwei Fässchen Wein, in Matten gebunden“ verloren. Diese Weintransporte gelangten durch die heutigen Provinzen Hessen und Westfalen an die Elbe und dann weiter nach Lübeck, das namentlich mit Westfalen seit alters her in äußerst regem Handelsverkehr stand; teils gingen sie ganz zu Lande, teils benutzten sie kleinere Wasserläufe. In Frankfurt ging der für den Norden bestimmte Wein zu Schiff' nach Köln; dies war der weitaus beliebteste Weg, wenn auch manche Behinderungen auf ihm vorhanden waren. Nach urkundlichen Berichten kam in der Häufigkeit der Benutzung nach dem Seeweg der obengenannte Weg durch Hessen und Westfalen in Betracht. Diesen Weg gibt auch ein Geleitsbrief des Frankfurter Rates an, den er einem Bürger zum Transport einer Sendung Wein ausstellt; derselbe hatte 4 Fuder Wein auf drei Wagen verladen, ein interessanter Beleg für die große Ausdehnung der Weintransporte zu Lande.

Allmählich hatten sich Lübeck und Bremen für ihre benachbarten Landschaften zu Einkaufsplätzen für Wein herausgebildet. Namentlich Mecklenburg bezog seine Weine nach dem Verfall seiner heimischen Produktion aus Lübeck. Der Rat von Wismar ist öfters Kunde des Lübecker Ratskellers; mit Schleswig und Oldenburg unterhielt Bremen Handelsbeziehungen in Gestalt von Weinlieferungen. Allgemein konnte der Pächter des Bremer Kellers 1547 von sich sagen, dass „er die anstoßenden Nachbarn und Städte versorgen und verhelfen könne“. Neben der handelspolitisch wichtigen Stellung von Lübeck als Durchgangsplatz für den Seeverkehr nach der Ostsee und Bremens als Eingangstor für den Handel von der Nordsee nach dem Binnenland tritt Hamburg mehr zurück. Von Bedeutung für den Durchgangshandel ist es im engen Anschluss an Lübeck namentlich für den Landhandel, weniger für den Seeverkehr. Für Hamburg war die Verbindung mit Lübeck die Hauptverkehrsader in seinem ganzen Handelsgetriebe; in zweiter Linie die mit Lüneburg. Auch auf diesem Wege kam der Wein nach Hamburg; schon im Jahre 1278 wird in einer Lüneburger Zollrolle Weinhandel nach Hamburg erwähnt. Auf den Wegen von Hamburg ins Lauenburgische und nach Norden, ins Schleswigsche, ist Weinhandel nicht nachweisbar. Die Haupteinfuhr von Wein fand zur See statt, über die aber erst in nachhansischer Zeit die hamburgischen Schifferbücher reichliche Auskunft geben.

Der Weinhandel in der Stadt gestaltete sich nach Ankunft des Weines folgendermaßen; In Lübeck wurde in der Behandlung des Weines, der zu Schiffe in die Stadt kam, gegen den, der zu Lande importiert wurde, ein Unterschied gemacht; Wein, der zu Schiffe kam, konnte sofort in die Keller gebracht werden, dagegen musste der auf dem Landwege importierte Wein erst durch die Weinherren untersucht werden. Weshalb diese verschiedene Behandlung des Weines stattfand, ist nicht nachweisbar; im Jahre 1504 wurde diese Anordnung denn auch beseitigt. Der fremde Weinhändler musste seine Ware zuerst an der Holstenbrücke ausladen; dann hatte er sich zu den Weinherren zu begeben und sie den Wein versuchen zu lassen. Von der Entscheidung der Weinherren hing dann die Einlagerung ab. Für die Lagerung war eine Miete zu entrichten, und zwar für jedes Fass, unbeschadet seiner Größe und der Dauer der Lagerung, 26 Pfennige; beim Verkauf des Weines mussten 16 Pfennige Zapfgeld entrichtet werden.

Die Einlagerung von Wein stand jedermann frei; es wurden dann an jedes Fass zwei Schlösser gelegt, zu denen der eine Schlüssel im Besitz des Kellerhauptmanns, der andere im Besitz des Einlegers verblieb. Das Anstecken eines Fasses hing von der Erlaubnis der Weinherren ab; war das Fass einmal angesteckt, so musste es auch ganz ausgeschenkt werden. Auch in Bremen hatten die fremden Händler ihren eingeführten Wein zuerst den Weinherren vorzulegen, da diese, nachdem sie ihn probiert hatten, das Vorkaufsrecht für den Ratsweinkeller vor den Bürgern geltend machen konnten. Erst dann stand es den Händlern frei, den Wein in der Stadt zum Verkauf auszubieten, und zwar „nach Rate des Rates“, wie es in der Weinordnung von 1370 heißt; das ist so zu verstehen, dass der Rat den Verkauf kontrollierte. Bürger, die Wein gekauft hatten, hatten denselben für sich zu verwenden; Weiterverkauf, im ganzen oder in kleinen Quantitäten, war ihnen untersagt. Durch diese Maßnahmen blieb das Monopol in jeder Hinsicht gewahrt. Dem Bürger war jedes Handelsgeschäft mit fremden Kaufleuten untersagt; im Übertretungsfalle hatte der Händler außer der Konfiskation seiner Ware noch 5 Mark Strafe zu zahlen. Nur der Zapf der sogenannten kurzen Weine war dem Bürger gestattet In dem strengen Rheinweinmonopol der nordischen Städte trat im Laufe des 16. Jahrhunderts insofern eine Änderung ein, als in Lübeck um diese Zeit einzelnen Bürgern der Zapf von Rheinwein in beschränktem Maße freigegeben wurde. In Bremen wurde mit dieser Institution schon durch das Weingesetz von 1489 gebrochen. In demselben Jahre wurde auch der Zapf der heißen Weine, Romanie und Malvasier erlaubt; es durften aber jährlich nur 3 Bothen Malvasier und 1 Bothe Romanie von den einzelnen Bürgern verzapft werden. Durch die genaue Ausübung des Rheinweinmonopols war die Organisation des städtischen Weinhandels sehr vereinfacht; die ganze ausgedehnte Kontrolle, die in Köln durch die Dezentralisierung des Zapfes bedingt war, fiel hier fort und der Ratskeller blieb der Mittelpunkt des gesamten städtischen Weinhandels. Das Monopol bildete für den Rat eine gute und vor allem regelmäßige Einnahmequelle, denn getrunken wurde in den Städten des Mittelalters auch in Zeiten tiefster wirtschaftlicher Depression; daneben leiteten ihn aber auch Gesichtspunkte sanitärer Natur. Durch die Übernahme des Monopols allein glaubte der Rat noch nicht sicher genug für die Reinheit des Weines haften zu können, darum erließ er außerdem eine große Zahl von Verordnungen gegen Weinverfälschung.

Der Kampf gegen die sogenannten „Weinschmierer“ wurde mit Unterstützung des Rates der einzelnen Städte von der Gesamthanse auf ihren Hansetagen systematisch geführt. Eine gemeinsame Aktion gegen diese Verfälschungen setzte der Hansetag von 1417 ins Werk durch eine Botschaft an die Städte Köln, Bingen, Frankfurt und Straßburg, worin er ihnen befahl, „man solle den Wein so lassen, wie Gott ihn habe wachsen lassen und nicht anders“. Die Verfälschungen von Wein im Verkehr mit Russland und Polen sind schon berührt worden; sie wurden aber nicht nur für den Verkehr ins Ausland vorgenommen, sondern auch beim Binnenhandel ganz ungeniert betrieben. So beklagte sich 1383 eine Versammlung zu Lübeck, dass die Fässer des Gubenschen Weines zu klein seien, und wandte sich beschwerdeführend an die Zentralpunkte des Gubenschen Weinhandels, Guben, Frankfurt a. O. und Krossen. Namentlich aber in Köln hat die Weinpanscherei in hoher Blüte gestanden. Flandrische Urkunden sind voller Klagen über Kölnische Weinverfälschungen: Um das Übel an der Wurzel zu fassen, richtete Köln im Jahre 1451 ein großes Rundschreiben an die Städte Antwerpen, Dortrecht, Kampen, Deventer, Arnheim, Nymwegen, Züphten, Wesel und Duisburg; es verlangt in dem Schreiben Maßregeln gegen die sogenannte Pulverung des Weines und erlässt Verwarnungen an die oberländischen Städte. Zustimmend antworteten Deventer und Utrecht, die sich aber von der Verwarnung der oberländischen Städte nicht viel versprachen. Ob sich dieses gemeinsame Vorgehen der rheinischen Hanse wiederholt oder ob es zur Besserung der Weinverhältnisse beigetragen hat, ist aus dem vorhandenen Urkundenmaterial nicht ersichtlich. Es wird allerdings von Bestrafungen berichtet, die vielleicht als Folge dieses Vorgehens anzusehen sind. In Arnheim und Züthen wurden Geldstrafen eingeführt, auch soll die Strafe des Räderns in einzelnen Fällen angewandt worden sein. Im übrigen hatten die mit Wein handelnden Städte ihre eigene Gesetzgebung für Weinpanscherei.

In Bremen suchte man den Verfälschungen der Wirte dadurch zu begegnen, dass der Rat, analog den Verhältnissen in Köln, die Zusammenlagerung von verschiedenen Weinen untersagte; dieses Verbot datiert aus dem Jahre 1596, als sich mit dem Anwachsen des Weinversandes nach Bremen neben den französischen und spanischen Weinlagern dort auch Rheinweinlager aufgetan hatten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Weinhandel im Gebiete der Hanse im Mittelalter