Der Wein als Konsumtionsmittel, Weinsorten, Weinpreise

Es erübrigt zum Schluss, auf die im Mittelalter bekannten Weinsorten einzugehen.

Da die Kölner Kaufleute in den Urkunden als die ersten Weinhändler genannt wurden, so ist die Annahme berechtigt, dass der Rheinwein am frühesten seinen Einzug im nördlichen Europa gehalten hat. Auch die alten Weinläger in Lübeck, Bremen und Braunschweig führen nur Rheinwein unter ihren Beständen an; die ausländischen Sorten wurden erst durch den Zwischenhandel der hansischen Kaufleute von Spanien nach England und den östlichen Teilen der Ostsee gebracht. Anfangs gingen unter dem Namen Rheinwein auch Mosel- und Elsässerwein; im Jahre 1433 werden in Bremen Händler vom Rhein mit Mosel- und Elsässerwein erwähnt. Zu den Elsässerweinen kann vielleicht auch der Wein aus Burgund gerechnet werden; doch ist seine Stellung ungewiss, da er auch viel im Zusammenhang mit französischen Weinen vorkommt. Während die Mosel- und Elsässerweine zum Rheinweinmonopol gehören, nehmen die Frankenweine und mit ihnen allgemein die deutschen Landweine eine gesonderte Stellung ein; sie blieben dem Privathandel überlassen.


Eine Spezialisierung der Weine, namentlich der Rheinweine, ist erst im 16. Jahrhundert vor sich gegangen; vorher sprach man nur von weißen Weinen im Gegensatz zu den roten Weinen Frankreichs oder besseren oder geringen Weinen; unter starken Weinen sind immer die heißen Weine Spaniens und Griechenlands zu verstehen.

In dieser Zeit erscheinen auch die Namen der zahlreichen deutschen Landweine, die Dresdener und die Meißener, die brandenburgischen und schlesischen mit dem Wein aus Guben an der Spitze, endlich die als „Kratzenberger“ verschrieenen Kasseler Landweine. Erst am Ende des 16. Jahrhunderts begann man den Wein nach dem Orte seines Wuchses und am Anfang des 17. Jahrhunderts nach den Jahrgängen zu unterscheiden. Zur Zeit des hansischen Weinhandels ist von diesen Unterscheidungen noch keine Rede, und Spezialisierungen und Zeitangaben des Wuchses fehlen vollständig.

Zu den Bezeichnungen allgemeiner Art gehört der Ausdruck „kurze“ Weine oder cort win, der sich in den Urkunden des 15. Jahrhunderts außerordentlich oft findet. Über den Sinn des Wortes finden sich verschiedene Deutungen; einmal soll kurz gleich gering sein, und unter kurzen Weinen will man die große Zahl von deutschen Landweinen verstehen, Kohl setzt die kurzen Weine allein im Gegensatz zum Rheinwein. Die sicherste Deutung des Ausdrucks ist vielleicht die, unter kurzem Wein den Wein aus Poitou zu verstehen, denn in einer Gebührenordnung des Grafen Ludwig von Flandern im Jahre 1360 für den Handel der deutschen Kaufleute in Flandern findet sich in den verschiedenen Ausfertigungen an derselben Stelle der Ausdruck „kurzer Wein“ neben „Wein aus Poitou“. Französische Weine waren schon sehr früh in deutschen Landen geschätzt; am frühesten erwähnt finden sie sich in einer Zollrolle, die Herzog Johann I. von Sachsen für den Warenverkehr im Jahre 1278 erteilt. Im hansischen Verkehr nach England erscheint französischer Wein noch früher; schon 1157 wird ihm von Heinrich II. von England gleiche Vergünstigungen auf dem Markt zu London zuerkannt wie den Rheinweinen. Die im hansischen Handel ausschließlich vorkommenden Sorten waren die Weine aus Poitou, aus der Gascogne und aus Bordeaux. Für die Poitouweine war la Rochelle, für die Gascogner Weine Bordeaux Ausfuhrhafen; doch bildete letzteres auch ein eigenes Produktionsgebiet. Der Poitouwein erscheint zuerst 1360 in den flandrischen Zollrollen. Nach seinen zahlreichen Erwähnungen zu urteilen, genoss er eine große Verbreitung und bildete einen Hauptausfuhrartikel Niederburgunds. An die Weine aus Poitou schließen sich die Gascogner Weine, die „Aschonyer“, im Gebiete zwischen der Garonne und den Pyrenäen mit Bordeaux als Produktionsmittelpunkt. Im hansischen Handel erscheinen sie gleichzeitig mit den Weinen aus Poitou. Auch der Gascogner Wein war weit verbreitet und bildete ein Hauptausfuhrartikel nach den Ländern der Ostsee. In den Ratskellern von Lübeck und Bremen war er gern gesehen. Neben diesen drei Sorten tritt der Wein aus Auxois mehr zurück, er hieß auch Asoye oder Osoye, aus der gleichnamigen Grafschaft. Er kommt meistens im Gefolge der oben erwähnten Sorten bei der Ausfuhr nach den Ostseeländern vor.

Neben den französischen Weinen nehmen die spanischen Weine eine ebenso wichtige Stellung im hansischen Handel ein; ihr Absatzgebiet erstreckte sich auf die Niederlande und England, erst in zweiter Linie auf die Ostseeländer. In den Ratskellern der Hansestädte gebrauchte man sie namentlich zur Herstellung von Mischungen, dem sogenannten Claret oder Lautertrank. Zu den am häufigsten genannten spanischen Weinen gehörte der Romenay oder Romanie und der Malvasier. Über den Romanie ist man lange im unklaren geblieben; schon die Schreibweise ist äußerst schwankend. Sein Ursprungsland soll nach Henderson die Romagnia in Italien oder die griechischen Inseln sein; eine andere Auffassung verlegt ihn nach der kleinen Stadt Romania in Arragonien. Die schwankende Schreibweise lässt den Schluss zu, dass unter Romanie vielleicht spanischer und griechischer Wein verstanden werden kann, denn griechische Weine kommen bisweilen im Hansehandel vor. Schon im Jahre 1392 werden sie in der Verordnung über den Gewerbebetrieb der Weinschröter in Brügge erwähnt, woraus auf einen ständigen Handel mit griechischen Weinen geschlossen werden kann; ferner im Jahre 1453 als Importartikel in Holland. Auch der Malevasier ist ein griechischer Wein; sein Ursprungsland ist Kanea und die Nachbarschaft des Ida; auch in Lakonien, im südöstlichen Teile der Halbinsel Morea, wurde sein Anbau betrieben*). Von hier aus soll er sich über Cypern und die Provence verbreitet haben. Seine Schreibweise schwankt ebenfalls; in England nannte man ihn Melmesy, in Deutschland Malmesyen, woraus man geschlossen haben will, dass die Deutschen über England mit dem Wein bekannt geworden sein sollen. Er erscheint nahezu gleichzeitig mit dem Romanie; zwei Jahre früher, 1390, kommt sein Name zuerst in einer Zollrolle aus Stralsund vor. Von geringerer Bedeutung für den Ausfuhrhandel ist der Granadawein; er kommt nur im Zusammenhang mit den beiden ersteren vor. Eine eigentümliche Stellung nimmt der Rivoglio ein, der namentlich in England viel eingeführt wurde; er geht auch unter dem Namen Riboldi, vinum Pucinum, oder deutsch Reinfall. Nach Stieda hat man es bei dem Rivoglio mit einem Gattungsnamen zu tun für Wein, dessen Verbreitungsgebiet ursprünglich Kärnten und Istrien umfasste; allgemein kann man unter Rivoglio einen italienischen Wein annehmen. Außer in England erscheint er auch im Handel mit Preußen, und auf dem Markt in Ulm war sein Name ebenfalls bekannt; danach erstreckte er sich über alle Handelsgebiete der Hanse.

Einem späteren Zeitraum gehören der Bastert und der Sekt an. Über die Art und den Ursprung des ersteren gehen die Meinungen ebenfalls sehr auseinander; er soll ein spanischer Wein und aus Rosinen hergestellt sein, nach anderen war er ein Mischwein, nach Art unserer Bowlen. Henderson hält ihn für einen Muskatwein. Der Sekt ist noch jüngeren Ursprungs und fällt kaum mehr in die Epoche des hansischen Handels. Das Wort stammt aus dem französischen und bedeutet trockner Wein, d. h. aus trocknen Beeren gemacht indem man die Beeren so lange am Stocke ließ, bis sie trocken geworden waren. Im hansischen Weinhandel kommt er nicht vor.

Der Vollständigkeit halber sind noch die sogenannten Gewürzweine zu nennen, die kein fertiges Handelprodukt sondern zum jeweiligem Gebrauch erst zusammengestellt wurden. Der berühmteste Gewürzwein war der sogenannte Klaret. Er wurde hergestellt indem man gewöhnlichem Landwein Safran, Nelken, Zucker und Honig beimischte und die ganze Mischung zum Schluss durch einen Sack presste; das Ganze nannte man den Lautertrank oder geläuterten Trank. Diese Gewürzweine wurden aus großen Bechern getrunken, in derer Mitte sich ein durchlöcherter Raum zur Aufbewahrung von Gewürzen befand, falls dem Trinkenden der Wein noch nicht zu stark gewürzt war. Dieser Wein erfreute sich bei seinen Zeitgenossen großer Beliebtheit; er ist „anmutig und schleckerhaftig“, sagt Walther Ryff in seinem „Konfektbüchlein“ von 1552; vielleicht war es ein Bedürfnis beim Trinken des Rheinweins durch den Lautertrank eine Abwechslung eintreten zu lassen und seinen Genuss bekömmlicher zu gestalten.

Wenn schon die Bestimmung der Weinsorten Schwierigkeiten macht so fließen die Nachrichten über Weinpreise noch spärlicher; im frühen Mittelalter fehlen überhaupt jegliche Angaben. Später ist es schwer, wegen der Veränderlichkeit der Münzen auch nur annähernd einen richtigen Preis zu bestimmen, geschweige denn denselben in einer uns geläufigen Münzsorte auszudrücken. Im Jahre 1405 wurde in Bremen das Quart Wein mit einem Groschen bezahlt, ein Stübchen mit 4 Groschen; wenn ein Ohm Wein zu 45 Stübchen angenommen wird, so wurde damals ein Ohm Wein mit 45 Groschen bezahlt. Ein Quart Rheinwein kostete 8 Pfennige. Diese Bremer Preise zeigen mit den in England gezahlten nahezu eine genaue Übereinstimmung. Im Jahre 1433 kostete ein Quart Rheinwein etwas mehr als einen Groschen; Malvasier und Romaniewein durfte etwas höher verkauft werden. Für Bremen blieben diese Preise ungefähr ein Jahrhundert lang ziemlich stationär. Auch in Hamburg hielten sich die Weine in ihren Preisen auf gleicher Höhe, ebenso in Lübeck. In Hamburg kostete 1563 das Stübchen, 4 Quart enthaltend, 1 Mark 8 Schillinge, 1565 nur 8 Schillinge, das Quart also 2 Schillinge oder etwas mehr als 3 Groschen bremisch. In Lübeck kaufte der Keller 1572 das Ohm im Durchschnitt für 22 1/2 Mark, das Quart zu ungefähr 2 Schillingen; später erhöhten sich die gezahlten Preise für das Ohm bedeutend. Hiermit sind die Preisangaben für Wein aus der älteren Zeit erschöpft, erst aus nachhansischer Zeit lauten die Angaben genauer. Die obigen Preise mögen nur beispielsweise genannt sein, hauptsächlich um zu zeigen, dass der Wein auch damals zu den Luxusartikeln gehörte.

Was die Quantität des in den Ratskellern der Hansestädte lagernden Weines betrifft, so darf dieselbe nicht mit dem Maßstabe gemessen werden, der heutigen Tages an einen einigermaßen assortierten Weinkeller gelegt werden würde. Der Bremer Keller besaß während des Zeitraumes vom 14. bis zum 16. Jahrhundert einen Lagerbestand von durchschnittlich 200 Ohm, der Lübecker war schon frühzeitig reichhaltiger. Im Jahre 1571 lagerten in ihm 854 Ohm. Der jährliche Umsatz betrug rund 800 bis 900 Ohm. Infolge des großen Umsatzes war die finanzielle Lage der Keller immer eine ausgezeichnete; sie leisteten öfters Zahlungen für die Stadt oder aus ihren Überschüssen wurden städtische Gebäude errichtet, wie in Bremen die Börse. In finanziellen Notlagen der Stadt griff der Rat bei ihnen auch bisweilen zum Mittel der Zwangsanleihe; ein Fall, der sich in Lübeck ereignet hat.

Eine nordische Hansestadt ohne Ratskeller war unseren Vorfahren ganz undenkbar; der Ratskeller war für den Bürger gleichsam ein Teil seines Heims und die zahlreichen Schilderungen geben ein anziehendes Bild von dem Leben und Treiben, das sich zu allen Tageszeiten in seinen Räumen abspielte. Die Güte des Weines gab hierzu die Veranlassung, und gern erinnerten sich die Bremer, Lübecker oder Hamburger Bürger, wenn sie vor ihrem Schoppen saßen, daran, dass sie es ihrem Fleiß und Wagemut zu verdanken hatten, wenn sie sich an den Gaben der entferntesten Länder erfreuen durften.

Die alte Hanse ist in den Staub gesunken und die alten Hansestädte sind teilweise von ihrer alten Höhe herabgestiegen, aber ihre Ratskeller sind geblieben, und erzählen noch heute von Zeiten, wo der hansische Kaufmann der Beherrscher der Meere war.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Weinhandel im Gebiete der Hanse im Mittelalter