Gerichtswesen

In Köln haben sechs Gerichtshöfe ihren Sitz, von denen sich der königliche Appellationsgerichtshof, das königliche Landgericht und das Handelsgericht in demselben Gebäude befinden (Appellhofsplatz.)

Um dem Leser einen, wenn auch noch so bescheidenen Blick, über den Charakter der in Köln befindlichen verschiedenen Gerichte zu geben, teilen wir in Kürze darüber folgendes mit.


Die linksrheinische Gerichtsverfassung ist bekanntlich französischen Ursprungs. Sie beruht auf justizorganisatorischen Gesetzen und kaiserlichen Dekreten aus der Zeit der Fremdherrschaft, die zum Teil durch preußische Gesetze vor und nach modifiziert worden sind.

Das ordentliche Gericht, (Tribunal de premiére instance) gewöhnlich Landgericht genannt, zerfällt in drei Kammern: zwei für Zivilsachen, „Zivilkammern“ eine für Strafsachen, „Zuchtpolizei- oder Correctionellgericht. Die Appellation vom Zuchtpolizeigerichte geht an die erste Zivilkammer, welche dann als Correctionell-Appell-Kammer zu urteilen berufen ist. — An der Spitze jeder Kammer steht ein Kammer-Präsident, an der Spitze des ganzen Landgerichtes der Landgerichts-Präsident.

Die Kompetenz des Landgerichtes ist nach Oben hin unbeschränkt. Dasselbe erkennt bei Streitobjekten unter dem Wert von 1.000 Francs in erster und letzter Instanz; bei höherem Wert jedoch nur in erster Instanz, d. h. mit Vorbehalt der Appellation an den Appellhof.

Neben dem Landgerichte steht, teils als Aufsichtsbehörde, teils als Parteivertreterin in Sachen die den Staat, das öffentliche Interesse u. s. w. betreffen, das öffentliche Ministerium, gebildet aus dem Ober-Procurator und dessen Substituten, den Staats-Procuratoren. Neben seinen eben angedeuteten Funktionen hat das öffentliche Ministerium auch noch das ausschließliche Recht der Verfolgung aller Verbrechen und Vergehen.

Das Geschworenengericht, gewöhnlich die Assisen genannt, tritt vierteljährig unter dem Präsidium eines Rates des Appellationsgerichtshofes zusammen, ist also nicht, wie das Landgericht ein ständiges Gericht. Gebildet wird es aus Mitgliedern des Landgerichtes als Richtern, die das Strafmaß bestimmen, und aus Geschworenen, gewählt aus den Höchstbesteuerten, die nach subjektiver Überzeugung, gewonnen aus dem vorgeführten Tatbestande, über Schuld oder Unschuld der im Anklagezustand sich befindenden Personen entscheiden. Die Geschworenengerichte urteilen in der Regel nur über Verbrechen, d. h. über widerrechtliche Handlungen, die das Gesetz entweder mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Gefängnis von wenigstens fünf Jahren bestraft,

Als Gericht zweiter, also höherer Instanz besteht in Köln der Rheinische Appellations-Gerichtshof. Sein Sprengel umfasst sämtliche neun Landgerichte der Rheinprovinz. Wie die Landgerichte in Kammern, so zerfällt der Appellhof in drei Senate mit Senatspräsidenten. An der Spitze des Appellations-Gerichtshofes steht der erste Präsident. Neben ihm fungiert der General-Prokurator, zugleich Chef des öffentlichen Ministeriums, dem die General-Advokaten zur Seite gestellt sind. Die Advokatur der genannten Gerichtshöfe zählt weit über 50, und das mehr oder weniger damit zusammenhängende Notariat in Köln gegenwärtig dreizehn Personen.

Außerdem befinden sich noch in Köln das Friedensgericht (in vier Abteilungen Nr. I, II, III u. IV,) ein Handelsgericht, ein Gewerbegericht und ein Rheinzollgericht. Die Aufgabe der Friedensgerichte, die alle vier in einem Lokale (Gereonstraße Nr. 42) sich befinden, soll, wie der Name dieses schon sagt, vorzüglich darin bestehen, streitende Parteien zu versöhnen und zum Vergleiche, zum Frieden zu führen. Wo dieses nicht gelingt, da erkennen sie alsdann als urteilendes Gericht. Die Friedensgerichte sind kompetent bei jedem Streitobjekte unter 100 Thlr. Werth. In Polizeisachen erkennen sie bis zur einer Geldstrafe von fünfzig Thalern oder mit Arreststrafen bis zur Dauer von sechs Wochen hinaus. Jedes Friedensgericht hat einen Friedensrichter, einen Gerichtsschreiber und zwei Gerichtsvollzieher. Außerdem vertritt eine Polizeiperson in allen Polizeisachen als Anwalt das öffentliche Ministerium. Die Appellation von friedensrichterlichen Urteilen geht in Zivilsachen an das Landgericht, in Polizeisachen aber an das Zuchtpolizeigericht.

Eine andere sehr wesentliche und wohltätige Wirksamkeit der Friedensgerichte bildet das Vormundschaftswesen. Stirbt von Minderjährigen die Mutter, so ruft der Friedensrichter des betreffenden Bezirks einen Familienrat, bestehend aus den nächsten Anverwandten des Elternpaares zusammen, und wird aus diesen ein Nebenvormund gewählt, indem der noch lebende Vater die Hauptvormundschaft behält. Stirbt hingegen der Vater, so wird sofort eine Hauptvormundschaft erwählt, und lässt dass Gericht in ersterem wie in letzterem Falle ein spezielles Inventar des Gesamtvermögens verfassen, für dessen Betrag der Vormund eine auf ihm lastende hypothekarische Verantwortlichkeit übernimmt, die eigentlich durch Inskription seines eignen Vermögens beim Hypothekenamte verbürgt werden soll. Der so gewählte Vormund übernimmt also die ungeschmälerte Erhaltung und pflichtgetreue Verwaltung des vorhandenen Vermögens bis zur Großjährigkeit der hinterbliebenen Kinder.

Der Geschäftsbereich des Handelsgerichtes ist schon in dessen Namen ausgesprochen. Es erkennt in allen Zwistigkeiten in Handelssachen, unter Vorbehalt der Appellation an den Appellations-Gerichtshof. Der Präsident des Handelsgerichtes so wie die acht Richter und eben so viele Ergänzungsrichter, die diese Stellungen als Ehrenamt versehen, gehören ausschliesslich dem Handelsstande an, werden von diesem gewählt und vom Handels-Minister bestätigt. Es gelten bei diesem Gerichte das Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch von 186 2 und die deutsche Wechsel-Ordnung von 1848.

Das königliche Gewerbegericht bezeichnet ebenfalls in seinem Namen den Charakter seiner Tätigkeit. Sein Präsident und Vice-Präsident, seine 14 Mitglieder und 5 Stellvertreter gehören sämtlich den verschiedenen Gewerbeständen an, und werden alle von diesem gewählt. Zur Kompetenz dieses in einer großen Gewerbestadt so notwendigen und nützlichen Gerichtes gehören die Schlichtung aller Zwistigkeiten zwischen Meistern und Gesellen unter sich, zwischen ersteren und den Arbeitgebern, ferner die richterliche Erkennung über klagbar gewordene Forderungen und Berechnungen zwischen dem Gewerbe- und jedem andern Stande. Der Sitzungssaal dieses Gerichtes befindet sich Rathhausplatz Nr. 9.

Das königl. Rheinzollgericht befasst sich mit der Erkennung in Fluss-, Schiffs- und Uferangelegenheiten. Es steht unter dem Richterpersonal des Friedensgerichtes Nr. I und hat auch in demselben Lokale seinen Sitz.

Die Verhandlungen sämtlicher Gerichte sind öffentlich, in so fern nicht Vergehen gegen Sittlichkeit und Moral die Abweichung von der Öffentlichkeit gebieten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Wanderer durch Köln