Köln während der Zunftperiode in seiner Blüte

Bei dem Beginn des hanseatischen Bundes (1140) stand Köln unter den Handelsstädten Europas auf einer wirklich Staunen erregenden Höhe. Die Kaufleute Kölns hatten, wie es jetzt nur für ganze Länder durch die Staatskabinette auf diplomatischem Wege geschieht, eigene Handelsverträge mit den entferntesten Ländern abgeschlossen, und besaßen an allen bedeutenden Plätzen ihre eigenen Lagerhäuser, wie z. B. in London die noch jetzt bekannte und damals berühmte Kölner Gildhall. Englands Könige besonders, wie Heinrich II. (1154) Richard Löwenherz (1189) Johann ohne Land (1210) und Heinrich III. (1235) gewährten den Kölner Kaufleuten nicht nur außergewöhnlichen Schutz, sondern räumten ihnen und ihrem Handel ganz bedeutende Vorrechte ein. Der Wohlstand einzelner Kölner Häuser wuchs dadurch so gewaltig, dass man von den reichsten Handelsleuten aller Länder sprichwörtlich sagte: „Er ist so reich, wie ein Kölner Tuchmacher!“ Mit dem Geleitbriefe des Bürgermeisters von Köln reiste man damals so sicher, wie jetzt ein Gesandter mit den Creditiven seines Souverains. Der stolzeste Kaufmann Venedigs fühlte sich geehrt, wenn er, mit einem Kölner Handelsherrn am Arme, über seinen berühmten St. Markusplatz schritt.

Köln zählte damals über 150.000 Menschen, und konnte, einen Beweis der großen Zahl der Arbeiter in den verschiedenen Zünften, 30.000 Mann kampffähiger Soldaten unter die Waffen rufen. Der Seehandel der Stadt stand ebenfalls in einem so blühenden Flor, dass die Flagge Kölns auf allen Meeren der Welt zu finden war. Selbst Könige und Kaiser, die ihre Geldanleihen ganz besonders in Köln zu machen pflegten, buhlten um die Gunst der hervorragendsten Firmen des kölnischen Handelsstandes. Mit Stolz überblickte der Kölner Kaufherr die gesammelten Reichtümer seines Hauses; mit Stolz trat er den Mächtigen und Großen der Erde entgegen, und mit Stolz betrat er im Samtmantel und Samtbarret, die goldene Kette auf der Brust, alle Märkte der ganzen zivilisierten Welt. Einzelne Geschlechter, wie z. B. die Overstolzen, u. A., gelangten zu außerordentlichem Ansehen und gefährlicher Macht und erweckten dadurch den Neid und die Missgunst der ebenfalls üppig empor blühenden Zünfte. Dadurch entstanden nun ähnliche Spaltungen zwischen Zünften und Patriziern, wie sie früher zwischen Bischöfen und Bürgern sich entwickelten. Durch das anmaßende Auftreten der besonders mächtigen Weberzunft entstanden die ersten Keime des verderblichsten aller Kriege, des Bürgerkrieges. In einem derselben, wo es galt, den Hochmut der Weber zu zerstören und wo sich die übrigen Zünfte mit den adligen Geschlechtern vereinigt hatten (1372), mussten die Weber im Kampfe unterliegen und es wurden 700 Webstühle in der Stadt verbrannt. Die Weber verließen demnach das empörte Köln, siedelten sich in Aachen, Eupen, Montjoie an, und legten so den Grund zu den in genannten Orten noch bis heute so vielfach blühenden, großen Webereien. Kaum war nach diesen Kämpfen die Ruhe wieder eingezogen, als um das Jahr 1398 ein neuer Aufruhr entstand, in dem der Bürgermeister Stave enthauptet, und viele Häupter der angesehensten Patrizier-Familien getötet wurden; andere wurden gewaltsam verbannt, und wieder andere verließen freiwillig den Ort so vielfacher Unruhen und Kämpfe. Hiernach stellte die nun wieder zur Ruhe gelangte Bürgerschaft den sogenannten Verbundbrief als ihre für die Zukunft gültige Verfassung auf, welche auch später vom Erzbischof Theodorich II. und vom Kaiser Friedrich II. (1437) als solche bestätigt worden ist.


In einer nun folgenden großen Periode der Ruhe und des Friedens wandte sich jetzt das Streben der bald wieder so reich und mächtig gewordenen Stadt allmählich der Kunst und Wissenschaft zu. Die schon am 22. Dezember 1388 gestiftete Kölner Universität gelangte zu einer, alle ähnlichen Anstalten verdunkelnden Blüte; dieselbe, vom Papste Urban VI. mit denselben Privilegien wie die Pariser Hochschule ausgestattet, zählte im 15. Jahrhundert bereits 8.000 Studierende. Dies war übrigens kein Wunder, wenn man sich denkt, dass Männer wie Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Duns Scotus u. A. hier lehrten und wirkten. Sogar die folgenreichsten aller Erfindungen, die Buchdruckerkunst, deren Ursprung sogar einige nach Köln verlegen wollen, siedelte zu dieser Zeit von Mainz hierhin, und lieferte von hier aus schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine reiche Auswahl der herrlichsten Drucke, und im Jahre 1470 erschien in Köln die erste deutsche Bibelübersetzung in niederdeutscher Mundart und sogar schon mit Holzschnitten verziert.

Die kölnische Malerschule verbreitete über alle kultivierten Länder ihren Ruhm, denn es gingen aus ihr die bedeutendsten Gemälde hervor. Man braucht ja nur an das weltberühmte Dombild von Meister Steffen,*) (nach Andern wäre es von Philipp Kalf,) oder an die einer späteren Zeit angehörende Kreuzigung Petri von Rubens und ähnliche unerreichbare Kunstwerke dieser Periode zu erinnern. Die Glasmalerei, wovon unsere Domfenster an der linken Seite des Schiffes das sprechendste Zeugnis geben, blühte ebenfalls in höchster Vollendung; ja selbst die deutsche Dichtkunst hatte damals in Köln ihren vorzüglichsten Sitz. —

*) Neuester Forschung gemäss Stephan Lothener, der von 1430—1450 einer der bedeutendsten Kölner Maler war.

Zur Zeit der Reformation, die am 31. Oktober 1517 in dem Anschlag der 95 Thesen Martin Luthers gegen Tetzel an der Wittenberger Schlosskirche ihren Ursprung fand, hat sich Köln als ächt katholische Stadt sehr rühmlich bewährt. Trotzdem sich sogar der damalige Erzbischof, Her man n von Wied (1515 —1547) der um sich greifenden Spaltung persönlich zuwandte, und die Reformatoren in seine eigene Diözese berief, blieb das Kölner Domkapitel mit der gesamten Bürgerschaft, welcher in solchen Zeiten die in heißen Kämpfen errungene reichsstädtische Verfassung vortrefflich zu Statten kam, dem Glauben der Väter treu. Besonders war die Kölner Universität, deren theologische Fakultät am 30. August 1520 mehrere Schriften Luthers öffentlich durch Henkershand verbrennen lies, der unüberwindliche Fels, an dem durch die Macht der Gelehrsamkeit ihrer Professoren die Wogen der Reformation zerstoben. Als nun bald darauf die päpstlichen Legaten Aleander und Caracciola in Köln den Bannfluch gegen Luther verkündeten, da war es kein Wunder, dass unter dem Nachfolger Hermann von Wieds, dem frommen und gelehrten Bischofe Adolph von Schauenburg (1547 — 1556) sich in ein neues, um so regeres katholisches Leben in der ganzen Diözese entfaltete. Nicht ohne Gefahr für das Fortbestehen dieser neuen Ära war die ärgerliche Geschichte mit dem im Jahre 1557 zum Erzbischofe gewählten Gebhard, Truchsess von Waldburg. Das Ärgernis erregende Leben, welches derselbe mit der schönen Agnes von Mannsfeld, Äbtissin von Gerresheim, führte, war wohl hauptsächlich Veranlassung, dass derselbe sich nicht nur der Reformation in vielen Punkten zuwandte, und die neue Lehre immer mehr begünstigte, sondern auch, namentlich zu seinem eigenen Schutze, protestantische Söldlinge in seine Dienste berief, um protestantische Bundesgenossen warb, und so seine ganze Diözese in Aufruhr und Verwirrung versetzte. Hier waren es abermals Köln und sein Senat, die in dem unerschütterlichen Festhalten an ihrer blutig errungenen freien und selbstständigen Verfassung eine Waffe besaßen, um alle Bemühungen, sie dem angeerbten Glauben ihrer Väter zu entfremden, erfolglos zu machen. Als aber Gebhard mit der Agnes von Mannsfeld sogar ein eheliches Bündnis schloss, und offenbare Verfolgungen und Verheerungen gegen die Katholiken begann, schritt man zur Wahl eines neuen Erzbischofs, und dieser, Ernst von Bayern, rückte nebst seinem Bruder, dem Herzoge Ferdinand, und dessen Truppen zunächst zu den Kölnern heran, vereinigte sich mit diesen, und nahm, nachdem er Bonn, den damaligen Aufenthalt des Erzbischofs, belagert und erobert hatte, an den Hauptanhängern seines Vorgängers, der selbst entfloh, eine strenge Rache. Doch leider wurde auch hierdurch die Ruhe nicht dauernd wieder hergestellt. Die Protestanten schlossen sich nun den Holländern an, rückten mit diesen, um möglichst nahe bei dem mit ihrer Rache beschworenen Köln zu sein, in das widerstandlose Neuss, welches noch heute viel Grauenhaftes von ihrem wütenden Treiben zu erzählen weis. Da kamen plötzlich den bedrohten Kölnern unter Herzog Alexander von Parma die Spanier zu Hilfe, und das arme Neuss wurde von diesen so mächtig bombardiert, dass Stunden weit in der Gegend umher die Erde davon erdröhnte. Die Stadt wurde genommen, die feindlichen Truppen niedergehauen, und die Anstifter der verübten Grausamkeiten ermordet oder aufgeknüpft. Doch trotzdem hatten die in Köln nunmehr zwar geduldeten, aber durch entsprechende Maßregeln in festen Schranken gehaltenen Protestanten noch immer keine Ruhe. Nochmals einen offenen Kampf zu versuchen, dazu war ihnen die Möglichkeit benommen, und deshalb leiteten sie nun eine heimliche Verschwörung ein. Diese hatte kein geringeres Ziel, als die sämtlichen Mitglieder des katholischen Senates zu überfallen und zu ermorden, und den Feinden der heiligen Stadt zum Einzuge und zur Verheerung alle Tore zu erschließen. Der im Verborgenen ausgesponnene Plan war schon so weit gediehen, dass auf ein verabredetes Zeichen die Ausführung beginnen sollte, als derselbe durch die Haltung und das Auftreten des davon in Kenntnis gelangten Bürgermeisters Hardenrath plötzlich vereitelt wurde. Nun hatte endlich alle Toleranz ein Ende und sämtliche in die Verschwörung verwickelten Protestanten wurden gewaltsam aus den Mauern der Stadt verjagt. Hardenrath aber erwarb sich bei dieser Gelegenheit durch sein kluges und besonnenes Auftreten wie durch seine Energie einen nachhaltigen Ruhm; denn jedem seiner Nachfolger wurde von nun an bei der Einführung amtlich eingeschärft: „Werde ein Bürgermeister wie Hardenrath! Seine Statue ziert im Verein mit andern berühmten Männern aus der Vorzeit Kölns die Außenseite des neuen Museums.

Auch zur Zeit des dreißigjährigen Krieges (1618 —1648), dessen Hauptkeime in der durch Luther veranlassten Kirchenspaltung, und in den von den Übergetretenen darausgezogenen Konsequenzen zu suchen sind, standen die Bewohner Kölns felsenfest zum deutschen Reiche und ihrem katholischen Glauben, und trieben mehrere Male die Freischaren der Protestanten nebst den mit diesen verbündeten Reichsfeinden, den Schweden, Holländern und Franzosen, siegreich von ihren Toren zurück. Ja einer der Haupthelden dieses furchtbaren Krieges, der berühmte Johann von Werth, dieser Schrecken der Schweden und Franzosen, stieg zu seiner Feldherrnwürde aus dem gewöhnlichen Bürgerstande seiner Vaterstadt Köln in dieser unruhigen Zeit empor.

Nach dem dreißigjährigen Kriege sank mit dem allmählichen Verfall des deutschen Reiches auch die Blüte der Stadt Köln sehr merklich herunter. Der Verfall der Stadt hatte hauptsächlich auch darin mit seinen Grund, dass die Holländer dem kölnischen Handel entweder durch Erhebung bedeutender Zölle, wie durch totale Sperrung der Rheinmündungen ganz entsetzlich zu schaden wussten. Als nun auch gegen Mitte des 17. Jahrhunderts die Fürsten den Hansastädten ihre Vorrechte entzogen, wäre der kölner Handel durch Isoliertheit der Stadt noch unbedeutender geworden, wenn er nicht durch die Verbindungen der reichen Stifte, Abteien und Klöster unterhalten worden, oder die kölnischen Landesprodukte und Fabrikate keinen so guten Ruf nach Außen hin besessen und fortwährend behalten hätten. Leider verbreitete sich noch dazu in dieser Periode, ebenfalls von Holland ausgehend, die Pest über die kölnischen Gaue, und hat dieselbe eben in der Stadt im Jahre I665 ganz bedeutend gewütet. Auffallend dabei war, wie der berühmte Abt Aegidius Romanus, im Brauhause zum Römer (jetzt „auf Rom“ am Würfeltor) geboren, bezeugt, dass keiner von den vielen Klosterbrüdern der Abtei St. Pantaleon, in deren Umgebung viele Gerbereien lagen, vielleicht aus diesem Grunde, von der Pest ergriffen ward.

In den französischen Revolutionskriegen wurde die Stadt am 6. Oktober 1794 von den Franzosen eingenommen und besetzt, und nach dem lüneviller Frieden, am 9.Februar 1801, förmlich an Frankreich übertragen. Sie hatte damals ein Domkapitel, zehn andere Stiftskapitel, zwei Commenden des deutschen-, eine des Maltheserordens, zwei Abteien, siebzehn Manns- und neununddreißig Frauenklöster, elf Stifts- und neunzehn Pfarrkirchen, neun und vierzig Kapellen und über zwei und ein halb Tausend geistliche Personen beiderlei Geschlechts. Die kurze Periode der französischen Fremdherrschaft schlug der einst so blühenden Stadt manche bedeutende Wunde. Alle bis dahin bestehenden Klöster wurden aufgehoben, und ihrer Schätze wie ihres Vermögens ganz vollständig beraubt. Der erzbischöfliche Stuhl wurde einstweilen nach Aachen verlegt und in ein Bistum verwandelt. Die Stadt selbst wurde eine einfache Munizipalstadt des Roer-Departements und Sitz eines Unterpräfekten. An Stelle der 1798 aufgehobenen Universität erhielt sie eine nach französischen Schnitt eingerichtete Zentralschule, die bald in ein Lyceum, und dann sogar in eine Sekundärschule umgewandelt wurde. Für den Neumarkt schienen die Franzosen eine besondere Vorliebe gehabt zu haben, indem sie keinen Namen finden konnten, der schön genug war, um seiner würdig zu sein. Bald hieß er Place d'armes, bald Place de la victoire und endlich wurde er sogar in Place Napoleon umgetauft. Außer der französischen Gesetzgebung, die das linke Rheinland mit aller Energie auch unter Preußens Szepter beibehalten hat, wäre wohl in Köln einzig der Sicherheitshafen als vorteilhaftes Andenken an die französische Gewaltherrschaft zu betrachten. Der Bau desselben wurde am 24. November 1810 zu 750.000 Francs vergantet, im Frühjahre 1811 begonnen, und war, 1813 schon soweit gediehen, dass er zu seinem Zwecke benutzt werden konnte. Im Jahre 1814 kamen von den zur Vertreibung der Franzosen verbündeten Mächten die Russen an den Rhein, und hielten am 14. Januar ihren Einzug in die von den Franzosen eiligst verlassene Stadt. Nach vollständiger Niederlage der letztern kam Köln 1815 in Folge der Wiener Kongressakte an die preussische Krone, unter deren Schutz es bis zum jetzigen Augenblicke von Neuem eine Blüte und Wichtigkeit erlangte, wie es sie nur jemals in seinen glänzendsten Zeiten besaß.
Schade nur ist, dass die beengenden Festungswerke einstweilen die Ausdehnung der Stadt feldeinwärts unmöglich machen; jedoch wird die jetzige Generation es hoffentlich noch erleben, dass die heutigen Umfassungswerke ihrem Zwecke, bei der Tragweite der neueren Geschütze doch nicht mehr entsprechend, beseitigt und die ringsum entstandenen Vorstädte in das Weichbild der Mutterstadt hineingezogen werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Wanderer durch Köln