Köln unter den Franken-Königen

Gleichwie der Mensch nach der sorglos lächelnden Jugendzeit zum ernsten Jünglinge wird und im reifern Mannesalter die oft schweren Kämpfe des Lebens mit durchkämpfen muss, so rückten auch bald für die so glücklich aufblühende Colonia viel ernstere Zeiten heran. Schon um das Jahr 355 n. Chr. wurde sie von den Franken, einem kräftigen deutschen Völkerstamme, erobert und fast gänzlich zerstört. Bald darnach, 357 — 358, gelangte sie durch Kaiser Julian nicht nur wieder in den Besitz der Römer, sondern es wurden auch die meisten zerstörten Gebäude wieder aufgerichtet und hergestellt, und viele neue erbaut, so dass die verwüstete Stadt bald wieder in ihrem alten Ansehen erglänzte. Doch leider dauerte diese Friedensperiode nur bis gegen 462, wo sie abermals den Franken in die Hände fiel, und Hauptstadt eines Stammes derselben, der Ripuarier (Uferfranken) wurde, die ihr Reich allmählich auszubreiten wussten von Andernach bis über Köln hinaus in die Gegend von Ürdingen, und westlich bis über das Gebiet von Trier.

Im Jahre 496 siegten die Ripuarier, denen der Frankenkönig Chlodwich von Paris aus zu Hilfe eilte, unter ihrem Könige Sigisbert über die Alemannen in einer ewig denkwürdigen und blutigen Schlacht in der Nähe von Zülpich. Hätten in dieser Schlacht die Alemannen gesiegt, so würde das Königreich der Ripuarier verloren gewesen, die durch Chlodwig entstandene fränkische Monarchie in Verfall geraten, und das Christentum vielleicht auf Jahrhunderte unterdrückt worden sein. Sigisbert wurde später von Meuchelmördern, die von seinem eignen Sohne gedungen waren, nach einer Jagd ermordet. Chlodwich, der oben genannte Herrscher der gallischen Franken, ließ den Vatermörder durch seine Abgesandten töten, kam dann selbst nach Köln, und wusste hier das Volk der Ripuarier zu bereden, sich ihm zu unterwerfen, und ihn als ihren König auszurufen, so dass er die beiden Stämme der Franken unter seinem Szepter vereinigte. Nach Chlodwigs Tode wurde das ganze Reich unter seine vier Söhne verteilt, und Austrien, (Oestrreich) wozu auch die Gegend von Köln gehörte, fiel seinem ältesten Sohne Theodorich anheim. Dieser nahm wieder in Köln seinen Sitz und residierten nach ihm mehrere fränkischen Könige in den Mauern der Stadt.


Ihm folgte zunächst im Jahre 536 Theodobert, der 536 in Köln die ersten fränkischen Münzen prägte, und diesem 547 Theodobaldus, der seinen Großoheim Clothar (553) zum Nachfolger hatte, welcher 558 die ganze fränkische Monarchie wieder an sich zu bringen wusste. Gegen diesen empörten sich die ihm tributpflichtigen Sachsen zwischen Rhein und Weser, die er in einem blutigen Treffen an der Weser besiegte. Ihr ihnen abgenötigtes Versprechen, den Tribut in der Folge pünktlich zu bezahlen, wurde nicht gehalten und in einem erneuerten Kriege wurde Clothar von den Sachsen zurückgeschlagen. Hierdurch ermutigt, fielen sie von neuem in Franken ein, raubten, plünderten und brandschatzten bis in das Kölngegenüberliegende Deutz, wurden aber dann von den sich mutig erhebenden Franken von neuem besiegt. Als Clothar im Jahre 561 starb, teilten seine vier Söhne abermals das gesamte Frankenreich, und Siegebert II. erhielt Austrien und wählte neuerdings die Stadt Köln zur Residenz. Im Jahre 613 wurde die ganze fränkische Monarchie wieder unter Clothar II. vereinigt, doch trat dieser Austrien freiwillig seinem Sohne Dagobert ab. Nach Clothars Tode fielen ersterem auch die übrigen Teile wieder zu; aber im Jahre 633 erklärte Dagobert auf dem Reichstage mit Zustimmung der Grossen den dreijährigen Prinzen Siegebert zum Könige von Austrasien, mit dem Vorbehalt, dass er in Metz residiere und der Erzbischof Cunibert von Köln in Gemeinschaft mit dem Herzoge Aldagisilus die Verwaltung des Reiches übernähme. Unter dieser Regierung sandte Papst Martin I. den h. Amandus, den ersten päpstlichen Legaten in Deutschland, im Jahre 651 als solchen nach Köln. Nach vielen Verwirrungen in Austrasien wurde durch geleisteten Vorschub des Bischofs von York, des Königs von England und der Grossen Britaniens im Jahre 674 Dagobert II. in Köln zum Könige der Ripuarier erwählt und ausgerufen. Dieser fiel aber schon 678 durch Meuchelmord, nachdem er in seiner kurzen Regierungszeit viele Kirchen und Klöster zu beiden Seiten des Rheines gestiftet hatte. Er wird von der Kirche als Heiliger und Märtyrer verehrt. Unter seinem Nachfolger wurden Martin und Pepin von der Nation als Herzöge des Reiches erwählt, und Austrasien, dem Scheine nach unter einem Könige stehend, in der Wirklichkeit in zwei Herzogtümer geteilt. Theodorich III., König von Neustrien, machte Anstalt, sich des so geteilten Austrasien zu bemächtigen und trieb die beiden Herzöge bei einer Schlacht in Lothringen zu wilder Flucht. Pipin, der weiseste, erfahrenste und gesinnungstüchtigste Mann seiner Zeit, zog sich, seine Truppen möglichst deckend, nach Köln zurück, musste aber in einer zweiten Schlacht bei Namur den Neustriern unterliegen

Durch die tyrannische Regierung in Neustrien veranlasst, ersuchten später mehrere Bischöfe der dort unterdrückten Kirche und viele aus Neustrien vertriebenen und geflohenen Großen den Pipin, sich und sie durch einen erneuerten Krieg zu rächen. Er tat dieses und schlug die Neustrier 687 in einer blutigen Schlacht. Den Feind in wilder Verwirrung vor sich her treibend, hielt er seinen Einzug in Paris, bemächtigte sich aller königlichen Schätze, zwang den König, ihn zum Major-Domus der drei fränkischen Reiche zu erklären, und nahm dann seine bleibende Residenz in Köln. Von ihm und seiner berühmten Gemahlin Plectrudis*) haben zwei nahe beim Capitol (St. Marien) liegende Straßen, und von seiner siegreichen Schlacht gegen die Friesen, aus der er als Beute ungeheure Schätze nach Köln gebracht, die Friesenstraße ihren Namen. Im Jahre 711 stellte Pipin Dagobert III., ein zartes Kind, der Nation als König vor, und fuhr natürlich fort, das ganze Reich unter diesem Scheinkönige von Köln aus zu regieren, bis er im Jahre 714 starb. Die Stellung eines Nachfolgers errang sich in vielen blutigen Kämpfen, in die natürlich Pipins Gemahlin, ihr eigenes Interesse zu verfechten suchend, sehr vielfach verwickelt wurde, sein unehelicher Sohn, Carl Martell, der Hammer genannt, der ebenfalls in Köln residierte. Seine beiden Söhne, Pipin und Carloman, teilten sich nach seinem Tode in die Herrschaft des fränkischen Reiches. An sie sandte Papst Stephan IV. zwei römische Legaten mit dem Ersuchen ab, alle Bischöfe der fränkischen Reiche zu einer Synode in Köln zu versammeln, da in jener Zeit die christliche Religion von Irrglauben und Ketzerei sehr gefährdet erschien.

*) Beide residierten nach glaubwürdigen Angaben in dem jetzt „zum Pallast“ genannten Hause, Marienplatze Nr. 28.

Carloman tat besonders viel für die Kirchen und Klöster in Ripuarien und überhaupt in Deutschland, und beabsichtigte, den damaligen Apostel der Deutschen, den h. Bonifacius zum Erzbischofe von Köln zu erheben. Als dieser Plan sich zerschlug, ernannte sein Bruder Pipin denselben zum Erzbischofe von Mainz und zum Metropoliten über Köln, Worms, Speier, Utrecht und alle Bistümer, die in Deutschland noch errichtet würden. Carloman übergab 747 die weltliche Macht seinem Bruder Pipin, wallfahrte nach Rom, wo er Mönch wurde, ein Kloster gründete und starb.

Die merkwürdige Machtstellung dieser meist in Köln residierenden Haushofmeister (Major-Domus,) die das eigentliche Königtum fast ganz in Schatten stellte, musste entweder zur selbstständigen Herrschaft gelangen, oder gebrochen werden. Dieser längst angestrebte und vorbereitete Zeitpunkt war endlich unter Pipin gekommen. Vom Papste und dem Reiche unterstützt, entsetzte er den König Childerich (der später 754 im Kloster starb) seiner Würde und setzte sich selber die Krone auf. Dann eilte er siegreich von Schlachten zu Schlachten, zog später nach Rom und wurde vom Papste mit dem h. Oele gesalbt. Zu seinen Siegen sollen die Kölner, überhaupt die Bewohner des Rheines, die an Tapferkeit alle Frankenstämme übertrafen und ein Schrecken aller Feinde waren, das Meiste beigetragen haben. Vor seinem Tode verteilte Pepin im Jahre 768 das Reich unter seine beiden Söhne und als der jüngere, Carloman im Jahre 771 starb, wurde der ältere, Carl, später der Grosse genannt, Alleinherrscher der fränkischen Monarchie.

Kaiser Carl der Große verlegte zwar seine Residenz nach Aachen, hielt aber einen Palast in Köln bei, der in der Nähe des alten Domes lag, und den er noch bei Lebzeiten dem Erzbischofe Hildebold zum Geschenk übermachte. Als in der ersten Zeit seiner Regierung sich in Köln ein heftiger Streit bei der Wahl des Bischofs entspann, eilte Carl zu Pferde, als Jäger gekleidet von Aachen dahin. In der Nähe der Stadt wohnte er in der Kapelle zu Melaten, beim jetzigen Kirchhofe, *) der eben beginnenden Messe bei und legte beim Schlusse einen Gulden als Opfer auf den Altar. Der fromme Priester, der ihn nicht erkannte und durch die Annahme eines so großen Geldopfers den Schein der Habsucht auf sich zu laden vermeinte, verweigerte dieselbe. Als aber Carl darauf bestand, bat ersterer ihn, ihm lieber von dem ersten Rehbocke oder Hirsche, den er erlege, die Haut zu schenken, damit er die im Dienste der Kapelle abgenutzten Messbücher damit überziehen könne. Der Kaiser versprach dieses und eilte, nachdem er auf seine sofortigen Erkundigungen diesen Priester als einen sehr frommen und heiligen Mann hatte schildern gehört, zum Wahlstreite nach Köln. Als er sah, dass hier eine Einigung der Parteien kaum möglich war, übernahm er es selbst, den Bischof zu bestimmen. Alle waren erstaunt, als seine Wahl den vorhin bezeichneten Priester Namens Hildebold traf, den er noch am selbigen Tage mit der bischöflichen Würde bekleidete. Erzbischof Hildebold, den der Kaiser später zu seinem Kanzler ernannte, regierte 34 Jahre lang.

*) Nach Andern in der uralten noch jetzt bestehenden Kirche zu Kriel, südlich von Melaten gelegen.

Kaiser Carl der Große, der die Stadt Köln gar sehr begünstigte, hat noch zu seinen Lebzeiten viele Stiftungen zum Besten der Stadt gemacht, wobei er aber besonders die Kirchen und Klöster bedachte, die in ihrer damaligen Glanzperiode den großen und heiligen Ruf der Stadt zum natürlichen Vorteile derselben nicht allein nach Außen verbreiteten, sondern auch nach Innen hin den wirksamsten Anziehungspunkt unzähliger Wallfahrer, oft aus weitester Ferne bildeten, wodurch auch ihr Handel und Verkehr in üppigster Blüte erhalten wurde. Carl starb 814 am 28. Januar, und liegt im Dome zu Aachen begraben. Hildebold der noch zu Lebzeiten Carls auf dessen Geheiß seinen (Carls) Sohn Ludwig zum Kaiser krönte, wurde, nachdem er 819 auch verschied, in St. Gereon (rechts beim ersten Seitenaltare) beigesetzt. Nach Carls Tode bestritten Ludwigs Brüder, Lothar und Carl der Kahle, das Recht der ersterem überkommenen Macht und teilten sich schließlich in das Reich. So wurde denn leider der Riesenbau des großen Vaters durch die Herrschsucht seiner Söhne zerstört.

Nach vielfachen und fortbestehenden Streitigkeiten der sich selbst befehdenden Brüder fielen 845 und abermals 882 die Normannen ins Land, wobei die Stadt Köln jedes mal so bedeutende Verwüstungen erlitt, dass außer den römischen Mauern, den Kirchen und ebenfalls durch Mauern eingeschlossenen Klöstern (der alte Dom brannte damals ab) fast sonst kein Gebäude der Stadt der allgemeinen Zerstörung widerstand. Erzbischof Willibert (870 — 890) flüchtete bei dem letzten Überfalle die Schätze der Kirchen an sichere Orte und begab sich selbst mit seiner Geistlichkeit und den vornehmsten der Stadt nach Mainz. —

Aber auch nach diesen Drangsalen ging die Stadt, wenn auch allmählich wieder, wie ein Phönix aus eigener Asche hervor, und nachdem sie 949 den Franken völlig entrissen und unter Kaiser Otto I. dem römischen Reiche wieder einverleibt worden war, wuchs sie nicht nur rasch zu neuer Größe und Macht heran, sondern wurde auch von diesem, nachdem er ihr viele Freiheiten und Rechte verliehen, zur deutschen Reichsstadt erhoben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Wanderer durch Köln