Die Mariensäule

Schon seit dem 12. Jahrhundert wurde es in vielen Teilen der katholischen Welt für Glaubenssache gehalten, dass Maria, die Mutter der entsündigten Menschheit, gleich Eva, der ersten Menschenmutter, ohne alle Sünden empfangen worden sei. Diesen immer allgemeiner gewordenen Glaubenssatz zum unumstößlichen Dogma zu erheben, verkündete Papst Pius IX. als Stellvertreter Christi, umgeben von 200 Kardinälen, Patriarchen, Erzbischöfen und Bischöfen aus allen Ländern der Welt, am 8. Dezember 1854 in der Basilica des Vaticans zu Rom folgenden Erlass: „Zu Ehren der allerheiligsten und ungeteilten Dreifaltigkeit, zur Verherrlichung und Zierde der jungfräulichen Gottesgebärerin, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und Vermehrung der christlichen Religion, aus Vollmacht unseres Herrn Jesu Christi, der h.h. Apostel Petrus und Paulus und unserer eigenen, erklären wir, sprechen wir aus und bestimmen wir, dass die Lehre, welche festhält dass die allerseligste Jungfrau Maria im ersten Augenblicke ihrer Empfängnis, durch eine besondere Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Gottes, in Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erlösers des menschlichen Geschlechtes, von jeglicher Makel der Erbschuld bewahrt und freigeblieben, von Gott geoffenbaret sei, und deswegen von allen Gläubigen fest und standhaft geglaubt werden muss.“ Dieses neue Dogma lies der Erzbischof von Köln, Kardinal Johannes von Geissel, am l. Mai 1855 nach dem Evangelium des Pontifical-Amtes im Dome feierlichst verkünden, und zog bald darauf zur öffentlichen Bekennung desselben am Pfingstmontage selbigen Jahres eine, aus sämtlichen Pfarren gebildete Prozession durch die Stadt, wie Köln noch nie eine größere sah. Gleich darauf bildete sich der aus Geistlichen und Laien bestehende „Marien-Verein“ um zur ewigen Erinnerung dieser Feier und der zum Dogma erhobenen neuen Lehre von der unbefleckten Empfängnis Mariä ein öffentliches Denkmal, eine Mariensäule zu errichten. Der dazu als Aufstellungsort gewählte Altenmarkt wurde in der Gemeinderats-Sitzung vom 9. August 1855 verworfen, und darnach der Raum zwischen den Bäumen auf der breiten Gereonstrasse, grade vor dem erzbischöflichen Palais gewählt.

Die Mariensäule wurde vom Architekten Vincenz Statz entworfen und ausgeführt. Den Grundstein bildet ein Steinblock aus den Katakomben Roms, den S. Heiligkeit, Papst Pius IX., dem zu seiner Kardinals-Erhebung in Rom anwesenden Erzbischofe Johannes von Geissel zu diesem Zwecke verehrte, und fand gleich nach des letztern Rückkehr die feierliche Grundsteinlegung Statt.

Auf einer drei Tritte hohen achteckigen Fläche erhebt sich ein von Grund aus zwölfseitiger glatter Sockel der sich in der zweiten Abtheilung in seinen Hauptflächen fast viereckig gestaltet, und in diesem Teile nach Osten ein Tabernakel, gegenüber das Wappen des Papstes, und an den beiden andern Seiten das erzbischöfliche und stadtkölnische Wappen enthält. Die dritte Abtheilung, die sich in ihrer leichten und reichen Gliederung zu vier zierlichen Baldachinchen mit laubverzierten Fialen entfaltet, umfasst in sitzender Stellung die vier großen Propheten des alten Bundes: Isaias, Jeremias, Ezechiel und Daniel, Bänder zwischen den Händen haltend, worauf bezügliche Weissagungen stehen. Aus der Mitte dos Ganzen entwickelt sich die Säule, auf welcher hoch erhaben die Statue der unbefleckten Gottesmutter steht. Das viereckige Eisengitter wurde von einem Vereine kölner Schlossermeister übernommen, und das Denkmal selbst aus freiwilligen Beiträgen erbaut.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Wanderer durch Köln