Zweite Fortsetzung

Bewaldete Berge vermögen die Gewalt der Sturme zu brechen, austrocknende und kalte Winde abzuhalten, dadurch die Temperatur zu mildem und die Fruchtbarkeit zu erhöhen. Sie halten Lawinen und Bergstürze auf, und unter ihrem schützenden Schirmdache bilden und erhalten sich die auf die Vegetabilien, Gesundheit und Anmut einer Gegend so mächtig wirkenden Quellen, die nach der Entwaldung verschwinden und eine ganze Gegend ihrer bisherigen Fruchtbarkeit berauben können.

Die Wälder brechen ferner die Kraft des Regens, ziehen ihn an, indem sie die niederziehenden Regenwolken festhalten, zerteilen ihn und heben seine nachteiligen Wirkungen dadurch auf, dass sie beim Zerlaufen der Regentropfen von Blatt zu Blatt, von Zweig zu Zweig schon eine weise Verdunstung des Regenwassers bewirken, ehe solches zu Boden kommt (daher das Dampfen der Waldungen und Waldberge nach Gewittern), und das dennoch den Boden treffende Wasser halten sie in ihrem Moose, Humus, die sich unter ihrem dichten Schirme finden und bilden, in verteilten Massen zurück, während bei heftigen Regengüssen, die entwaldete Orte treffen, die ganze Wassermenge sich schnell in natürlichen Rinnsalen sammelt, rasch zu größeren Gießbächen sich vereinigt, dann in gewaltigen Massen den Tälern und Ebenen zustürzt und sie, lockeres Gestein und ungeheure Schuttmassen mit sich führend, überschwemmt, oft die fruchtbarsten Strecken damit überschüttet und ungeheure Verheerungen anrichtet. Ja, es ist vielfach nachgewiesen, dass früher völlig unschädliche Bäche durch die Entwaldung der Täler, aus welchen sie kamen, in verheerende Wildbäche verwandelt worden sind.


Das dunkle Grün und der Schirm der Wälder vermindert die Einwirkung der Sonnenstrahlen, kühlt, und ihre Ausdünstung wirkt kräftigend und wohltätig auf die Gesundheit der Menschen, ihr Dasein mächtig auf die Anmut und den Reiz einer ganzen Landschaft.

Darum, sagt Sendtner*), sei die Erhaltung, Erweiterung und der Anbau von Waldbeständen auf hohen Bergen und an der Grenze der Baumvegetation, wo es nur immer tunlich, ans Herz zu legen, und zwar ganz ohne Rücksicht darauf, ob eine Holznutzung in diesen Wäldern möglich wird oder nicht.

*) Sendtner: „Die Vegetations-Verhältnisse von Südbayern."

Die Waldungen erhalten ferner — wenigstens in der Ausdehnung ihrer Schafthohe — durch ihre Vermittlung der Luftschichten eine gleiche Temperatur und wirken auf ihre Umgebung, ähnlich wie die Nähe des Meeres.

Ich habe selbst Gelegenheit gehabt, darüber, während meines sechsjährigen Aufenthaltes in der Hauptstadt Petersburg, Beobachtungen anzustellen. Durch die Zunahme der Bevölkerung Petersburgs wurden die Wälder der ganzen Umgegend schonungslos niedergehauen, aber auch ein merkwürdiger schneller Wechsel der Temperatur herbeigeführt, welchen vorzüglich die Ausländer bei ihrem Eintreffen am wenigsten vertragen können. An manchem Tage sprang die Kälte von 24 Graden auf 2 Grade Wärme, heute war schuhhoher Schnee und Frost, morgen lauter Wasser in den Straßen. Dieser schnelle Wechsel und das schlechte Trinkwasser haben auf die Gesundheit der ankommenden Ausländer einen so großen Einfluss, dass sie Anfangs drei Wochen mit Diarrhöen kämpfen, was Vielen das Leben kostet.

Viele meiner Fachgenossen wohnen zuweilen mitten im Walde und sind von aller ärztlichen Hilfe entfernt; deshalb führe ich hier in alphabetischer Ordnung die Forstpflanzen an, welche als einfache Hausmittel benützt werden können, wie ich sie während meines dreizehnjährigen Aufenthaltes in Russland an meinem Körper selbst erprobt habe, und bin überzeugt, dass Mancher mir für meine Erfahrungen danken wird.

Aesculus Hippocastaneum L., Rosskastanie.
Die Rinde dieses Baumes wird gleich der Chinarinde benützt; sie hat eine antiseptische Kraft und wird in bösartigen Fiebern mit der Chinarinde sehr häufig gebraucht. Ein Decoct aus Kastanien soll ein gutes, bewährtes Mittel sein, um den Wurm aus den Menschen zu treiben.

Betula Alnus glutinosa L., Schwarz-Erle.
Die Blätter brauchen die Bauernweiber zum Zerteilen, wenn ihre Brüste geschwollen sind, und so lange sie des Morgens klebrig und von Tau nass sind, zum Flöhefangen, indem sie solche im Zimmer ausstreuen, und weil die Flohe an diesen Blättern kleben bleiben, so werden solche mit denselben ausgekehrt. Das Blatt lindert schnell jede Geschwulst, die durch einen Mückenstich entsteht. Geschwüre, welche sich durch Geschwulst ankündigen und in ihrer völligen Ausbildung zögern, werden durch Auflegung mehrerer aufeinander gelegten Erlenblätter zur raschen Vollendung befördert,

Betula alba L., Birke.
Die Birken-Knospen, in Spiritus gelegt und in der Wärme digeriert, geben einen heilsamen Balsam. Ich habe selbst jedes Frühjahr diese jungen Birken-Knospen gesammelt, und in einer Flasche den dritten auf reinen Kornbranntwein aufgesetzt, in der Sonne filtrieren lassen und dieses Getränk mit bestem Erfolge benutzt, wenn ich mir den Magen verdorben oder keinen Appetit hatte. In manchen Gegenden bereitet man aus dem Birkenwasser, welches durch Anbohren des Stammes beim besten Safttriebe gewonnen wird, eine Art Champagnerwein. Man setzt zu 16 Maß Birkenwasser 5 Pfund Zucker zu, kocht es unter beständigem Abschäumen, bis es klar kocht, seihet es dann in ein reines Weinfässchen, setzt 4 Maß guten weißen Franzwein und vier in dünne Scheiben geschnittene Zitronen, wie auch drei Esslöffel voll gute Hefe dazu, lässt es gären und füllt von Zeit zu Zeit etwas Franzwein, bis es aufgegoren hat, nach füllt es mit Franzwein voll, spundet das Fässchen fest und lässt es vier Wochen still liegen; zieht man endlich den Wein dann auf Krüge, so ist derselbe nach einem halben Jahre nicht allein wohlschmeckend, sondern dem Champagner ähnlich.